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Zur Effektivität und Effizienz von Me-too-Listen. Eine exemplarische Untersuchung am Beispiel intranasaler Steroide

Erstveröffentlichungsdatum: 23.09.2012

Abstrakt: Zur Effektivität und Effizienz von Me-too-Listen. Eine exemplarische Untersuchung am Beispiel intranasaler Steroide

In der KV Region Nordrhein ist 2006 die sogenannte Me-too-Liste als Instrument zur Steuerung einer wirtschaftlichen Verordnungsweise implementiert worden. Die genauen Auswirkungen dieses Instruments wurden bislang eher kursorisch untersucht. Am Beispiel der intranasalen Nasensprays soll geklärt werden, ob die Me-too-Liste einen Steuerungseffekt auf das Verordnungsverhalten der Ärzte ausübt und ob dieses Instrument die Effizienz im Gesundheitswesen erhöht. Ein Mometason-haltiges Nasenspray (MHN), NASONEX®, ist seit 2006 ununterbrochen als Me-too-Präparat gelistet und soll nach der Substitutionsempfehlung der KV Nordrhein „Marktübersicht“ durch Budesonid-haltige Nasensprays (BHN) ersetzt werden. Der Marktanteil von MHN hat sich seit der Listung von 50 Prozent auf 20 Prozent verringert. In der vorliegenden Studie sollen die Gründe für den Verlust der Marktanteile von NASONEX® in der KV Nordrhein erhoben werden. Die Listung beruht auf der Annahme, dass die Therapie mit MHN bei gleicher Wirksamkeit höhere Tagestherapiekosten (TTK) als BHN verursacht.

Abstract: Effectiveness and efficiency of me too lists as illustrated by the example of intranasal steroids

Germany has 17 regional associations of SHI-accredited Physicians (KV). Since 2006 the so called me too list is implemented in the KV Northrhine as a steering instrument for economic prescribing behaviour. Nobody has evaluated consequently the impact of this instrument yet. Untill today 8 out of 17 KV regions have adopted the me too list. Using the example of corticoid-containing nose sprays we like to investigate if the me too list is an effective steering instrument for the prescription behaviour of physicians. Another point of interest is the evaluation if it increases the efficiency of the health care system. A mometason-containing nose spray (MHN), NASONEX®, is listed since 2006 as a me too and should be replaced by budesonide-containing nose spray (BHN) if following the recommendation for substitution written in the journal “Marktübersicht” of the KV Northrhine. The Market share of MHN has decreased since listing from 50 % to 20 %. An aim of the present study was to identify the causes of the decreased market shares of NASONEX®. The listing is based on the assumption that therapy with MHN is equal in efficiency but more cost intensive than BHN because of higher daily therapy costs.

Literatur

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Zusätzliches

Plain-Text

Zur Effektivität und Effizienz von Me-too-Listen. Eine exemplarische Untersuchung am Beispiel intranasaler Steroide

Zur Behandlung der akuten oder chronischen Nasennebenhöhlenentzündung sind Kortikosteroid-haltige Nasensprays bei einmal täglicher Anwendung als ein effektives und sicheres Therapeutikum der ersten Wahl bekannt [Bousquet et al. 2001: 108; Herman 2007: 21; Nielsen et al. 2001: 61; Weiner et al. 1998: 317]. Im Jahr 2008 wurden in Deutschland am häufigsten Mometason- und Budesonid-haltige Nasensprays eingesetzt [Schwabe/Paffrath 2009]. Beide Substanzen weisen unterschiedliche pharmakokinetische und -dynamische Eigenschaften auf, wie eine höhere Lipophilie oder eine geringere Bioverfügbarkeit bei MHN [Bachert et al. 2003: 26]. Beide Substanzen sind mit unterschiedlichen Empfehlungen für die tägliche Dosierung (siehe Infokasten unten) zugelassen. Dennoch wird für beide Therapien, eine definierte Tagesdosis (defined daily dose (DDD)) von einheitlich 0,2 mg und diese als Bezugsgröße zur Kostendarstellung (z. B. Arzneiverordnungsreport (AVR)) herangezogen [Schwabe/Paffrath 2009; DIMDI 2009]. Für solche normierten Kostenvergleiche unter Bezug auf die DDD stellt sich aber die grundsätzliche Frage nach der Opportunität dieser Vorgehensweise.

>> Die DDD gibt nicht notwendigerweise die empfohlene oder tatsächlich verordnete Tagesdosis des einzelnen Arzneimittels wieder [WHO 2009]. Laut Urheber des DDD Systems, der WHO, stellt die DDD weder eine Dosisempfehlung noch eine Beurteilung der absoluten oder relativen Wirksamkeit einzelner Substanzen oder Substanzklassen dar [Schwabe/Paffrath 2009]. Die DDD wird vielmehr auf Basis der Menge eines Wirkstoffs bzw. eines Arzneimittels ermittelt, die typischerweise für die Hauptindikation bei Erwachsenen pro Tag angewendet wird [WHO 2009]. Unter Verwendung der DDD werden im AVR die Tagestherapiekostem (TTK) ermittelt, die dann u. a. als Entscheidungsgrundlage für die Me-too Listung von Präparaten dienen. In der Anwendung im klinischen Alltag stellt sich aber die Frage nach der bei jedem Patienten tatsächlich eingesetzten Dosis, d.h. nach der im Einzelfall konkret verordneten Dosis (Prescribed Daily Dose, PDD). Diese zeigt nicht nur die Wirkdosis an, die für das Erreichen des klinischen Therapieerfolgs notwendig ist, sondern bestimmt über die Packungsreichweite auch die Höhe der durch ein Arzneimittel tatsächlich verursachten Therapiekosten je Behandlungsfall.
Ziel dieser Studie war es, auf Basis von retrospektiven Verordnungsdaten den Steuerungseffekt der Me-too-Liste zu zeigen. Zudem sollte unter „real life“ Bedingungen nachgewiesen werden, dass die Therapie mit MHN trotz gleicher DDD weniger Substanz- und Ressourceneinsatz benötigt als die in der „Marktübersicht“ [KV Nordrhein 2009] zur Substitution empfohlen BHN.
Daten und Methoden
Von März bis Ende April 2009 wurde in 76 HNO-Praxen im Bereich der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein eine retrospektive Erhebung anonymisierter Patientendaten durchgeführt. Es sollten Daten über die Behandlung mit zugelassenen Arzneimitteln gesammelt werden. Die Untersuchung wurde bei der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), beim Spitzenverband Bund der Krankenkassen sowie beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte gemäß § 67 Abs. 6 AMG angezeigt. Zeit, Ort, Ziel der Untersuchung sowie die Namen der teilnehmenden Ärzte wurden genannt.
Jeder teilnehmende HNO-Arzt konnte bis zu 10 Patienten retrospektiv dokumentieren, die wegen perennialer allergischer Rhinitis, chronischer Rhinosinusitis oder Polyposis nasi länger als 12 Monate mit MHN behandelt worden waren und bei denen anschließend eine Umstellung auf ein anderes intranasales Steroid erfolgte. Es gab keine Vorgaben zur Randomisierung der Patienten. Die Therapie sollte nach dem Medikationswechsel möglichst über weitere 12 Monate fortgeführt worden sein. Um Kohorten vergleichen zu können, sollte jeder Studienteilnehmer auch mindestens einen Patienten dokumentieren, der über mindestens zwei Jahre ausschließlich mit MHN behandelt worden waren.
Weitere Einschlusskriterien für Patienten waren:
• Die Einstellung auf MHN musste mit Angabe des Datums dokumentiert sein und das Datum der Einstellung musste vor dem 01. Januar 2009 sowie vor der ersten Änderung der Therapie/Indikation liegen.
• Mindestens eine Folgevisite bzw. Änderung der Therapie/Indikation musste pro Patient dokumentiert und mit Datum versehen sein.
Die Planung, Durchführung und biometrische Auswertung erfolgte mit Methoden der deskriptiven Statistik durch ein unabhängiges Institut (MedPharmTec-Services) unter Verwendung von SAS Vs. 8.1. Alle erhobenen Parameter wurden je nach Merkmalsart durch Mittelwert, Standardabweichung, Streuung und Median bzw. durch ihre Häufigkeitsverteilung beschrieben. Bei der Ermittlung der Häufigkeit der Arztbesuche wurde der Beobachtungszeitraum mithilfe der linearen Regression auf zweimal ein Jahr adjustiert.
Ergebnis
Insgesamt wurden 734 Patienten von 76 Ärzten dokumentiert. In die Analyse konnten anhand der oben definierten Kriterien 676 Patienten eingeschlossen werden. Die Patienten waren im Mittel 47 Jahre alt (± 17,19) und mehr als 50 % der Patienten waren in Vollzeit beschäftigt (Tab. 1).
Über den gesamten Beobachtungsverlauf wurden 189 der dokumentierten Patienten (28 %) ausschließlich mit MHN behandelt. Bei 487 Patienten (72 %) wurde eine Umstellung auf andere intranasale Steroide dokumentiert. Bei dem überwiegenden Anteil der eingeschlossenen Patienten wurde eine Allergische Rhinitis diagnostiziert (Initiale Therapie 65,1 %, finale Therapie 62,9 %), gefolgt von Polyposis nasi (Initiale Therapie: 44,9 %, finale Therapie: 45,4 %), Rhinosinusitis (Initiale Therapie: 33,6 %, finale Therapie: 33,1 %) und anderen Indikationen (Initiale Therapie: 6,4 %, finale Therapie: 6,2 %). Sich überschneidende Mehrfachdiagnosen pro Patient waren möglich. Die initiale Indikationsstellung änderte sich nur marginal während der Datenerhebung.
Als Grund für die Veränderung der Verordnung bestimmter intranasaler Steroide wurden von den beteiligten Ärzten zu 86,4 % ökonomische Gründe angegeben (418 Patienten). Erst danach folgten der Patientenwunsch (7,2 %, 35 Patienten), die medizinische Notwendigkeit (3,9 %, 19 Patienten) und andere Gründe (2,5 %, 12 Patienten) (Abb. 1).
Die Anzahl der Arztbesuche lag bei NASONEX® Therapie bei durchschnittlich 4,8 (mean; median: 3,4) adjustiert auf eine Beobachtungsdauer von zweimal einem Jahr. Somit wurden weniger Visiten nötig als unter anderen Therapien (Tab. 2).
Ein ähnliches Bild konnte bei der Dosierung der Nasensprays gezeigt werden. NASONEX® wurde unabhängig von der Indikationsstellung im Durchschnitt mit 2,3 Hüben pro Tag eingesetzt, während von RHINISAN® 2,4 Hübe/Tag, BUDES HEXAL® 2,9 Hübe/Tag, AQUACORT® 3,1 Hübe/Tag und andere INS 2,9 Hübe/Tag verordnet wurden (Tab. 3).
Im Mittel benötigte ein NASONEX® Patient bei der Indikation allergische Rhinitis eine Therapiedauer von 34,1 Tagen während sich der Zeitraum unter anderen INS auf 35,4 Tage erhöhte. Hierbei wurde der Therapiezeitraum aus der Zeitdifferenz von Einstellung bis zum Wechsel der Therapie oder Dokumentationsende ermittelt. Noch deutlicher bildet sich dieser Unterschied in der Therapiedauer bei den Indikationen Rhinosinusitis (NASONEX®: 29,5 Tage, andere INS: 36,1 Tage), Polyposis nasi (NASONEX®: 36,6 Tage; andere INS: 39,2 Tage) und anderen Indikationen (NASONEX®: 32,2 Tage; andere INS 37,7 Tage) ab (Tab. 4).
Im Mittel benötigten NASONEX® Patienten erst nach 157,1 Tagen eine Folgemedikation, während bei anderen INS schon nach circa 120 Tagen eine Folgeverordnung vom HNO-Arzt erstellt wurde (RHINISAN®: 126,1 Tage, BUDES HEXAL®: 125,5 Tage, AQUACORT®: 119,5 Tage) (Tab. 5).
Aus der vorhandenen Dokumentation und der mittleren Anzahl der Sprühstöße pro Tag lassen sich tatsächlich verschriebene Tagestherapiekosten ableiten (Tab. 6). Die TTK sind über alle Indikationen gemittelt und stellen einen theoretischen Wert dar. Da die verschriebenen Packungsgrößen nicht in den Fragebögen erfasst wurden, beruhen die Berechnungen der Kosten pro PDD nur auf der kleinsten verfügbaren Packung (konservative Annahme). Die Angaben sind daher nur als Trend zu sehen.
Diskussion
Me-too-Listung hat einen Steuerungseffekt, d.h. es handelt sich um ein effektives Instrument:
Seit 2006 ist NASONEX® Bestandteil der Me too-Liste u.a. der KV Nordrhein. Abhängig von der Facharztgruppe kann der Arzt bis zu einer festgelegte Quote Me-too-Präparate verordnen. Bei der Gruppe der Hausärzte, Praktischen Ärzte und fachärztlich tätigen Internisten können zum Beispiel 6,9 % der Verordnungen auf Basis der DDD auf Me-too-Präparate entfallen. Wird gleichzeitig die Me-too-Quote, die Generika-Quote und die Richtgröße überschritten, kann dem Arzt bis zu 5 % seines GKV-Honorars abgezogen werden.
In der vorliegenden Studie konnte gezeigt werden, dass in der Mehrheit ökonomische Gründe, wie die Me-too-Listung von NASONEX®, dazu geführt haben, dass ein Wechsel der NASONEX®-Therapie zu anderen INS erfolgte. Nur in 13,6 % aller Fälle wurde die Therapie aufgrund von anderen, nicht-ökonomischen Gründen verändert. Somit konnte gezeigt werden, dass die Me-too-Liste einen starken Steuerungseffekt der Arzneimittelverordnungen in der Region der KV Nordrhein hat.

Der ökonomische Effekt pro Patient ist bei einer realistischen Betrachtung geringer als auf Basis der DDD-Betrachtung erwartet
In der Substitutionsempfehlung der KV Nordrhein „Marktübersicht“ wird empfohlen, NASONEX® durch BUDES HEXAL®, BUDESONID ACIS® oder AQUACORT® zu ersetzen. Basis hierfür sind die TTK, die auf Grundlage der DDD im AVR ermittelt werden. Es ist jedoch umstritten, ob man DDD für Wirtschaftlichkeitsaussagen nutzen kann. Ursprünglich sind die DDD von der WHO entwickelt worden, um Aussagen zur Arzneimittelstatistik machen zu können.
Bei allen INS ist eine DDD mit der Wirkstoffmenge 0,2 mg unabhängig von der aktiven Substanz festgelegt. Jedoch sind die Dosierempfehlungen je Präparat und Indikationsstellung unterschiedlich. Die Dosierempfehlung von NASONEX® variiert schon in der Fachinformation von 1 Hub pro Nasenloch in der Erhaltungstherapie der allergischen Rhinitis bis hin zu 4 Hüben pro Nasenloch bei der Polyposis nasi. Erschwerend kommt hinzu, dass es oft einen deutlichen Unterschied zwischen der DDD und den tatsächlich verordneten Hüben, den PDD gibt.
Die „Marktübersicht“ gibt die Kosten einer Therapie mit NASONEX® mit 1,18 Euro/Tag an [KV Nordrhein 2009]. Der AVR 2008 berichtet von TTK in Höhe von 0,89 Euro. Beide Angaben entsprechen nicht der Versorgungsrealität. In der vorliegenden Studie konnte gezeigt werden, dass die TTK unter „real life“ Bedingungen deutlich geringer waren. So konnten unlängst in einer retrospektiven Datenanalyse von Verordnungsdaten aus Deutschland bereits niedrigere Kosten unter NASONEX®-Therapie im Vergleich zu BHN gezeigt werden sowie die Wirtschaftlichkeit der Therapie mit NASONEX® [Schöffski et al. 2010]. Hierzu wurden die Verordnungen von mehr als 25.000 Patienten retrospektiv mittels IMS Disease Analyzer erfasst und ausgewertet. Da in der vorliegenden Studie keine Packungsgrößen der verordneten Medikationen dokumentiert wurden, können die hier ermittelten TTK nur als Trend gesehen werden. Es wurde angenommen, dass immer die kleinste Packung verordnet wurde. Da aber die Packungen günstiger werden, je größer sie sind, kann geschlossen werden, dass die realen TTK noch geringer sind als in dieser Arbeit beschrieben.
Innerhalb der vorliegenden Studie gab es keine Einschränkungen bezüglich der Umstellungen auf andere INS. Somit basieren die Dosierangaben einiger Präparate auf nur wenigen Patientendaten. Eine statistisch signifikante Aussage ist in diesen Fällen meist nur schwer möglich. Ein Abgleich der hier gezeigten Daten durch unabhängige Analysen mit umfangreicheren Patientenkollektiven wäre für eine Verifizierung sinnvoll.
Fazit
Durch die vorliegende Arbeit konnte gezeigt werden, dass es einen Steuerungseffekt durch die Me-too-Liste gibt. Die befragten Ärzte gaben überwiegend an, dass ökonomische Gründe für die Therapieumstellung ausschlaggebend waren. Es handelt sich damit um eine sehr effektive Steuerung.
Es muss weiter die Frage gestellt werden, ob diese effektive Steuerung auch zu einer Erhöhung der Effizienz im Gesundheitswesen führt. NASONEX®, dessen Verordnung nach Listung massiv zurückgegangen ist, verursacht gemäß den Ergebnissen dieser Studie Kosten pro PDD in Höhe von 0,68 Euro vs. BUDES HEXAL® 0,288 Euro und AQUACORT® 0,30 Euro. Nur RHINISAN® verursacht wesentlich höhere Kosten in Höhe von 1,21 Euro pro PDD. Der Effekt ist allerdings wesentlich geringer als durch die Kalkulation der „Marktübersicht“ (NASONEX® 1,18 Euro) oder des AVR (0,89 Euro). Die bislang dargestellten Kosten sind für eine breite ökonomische Bewertung nicht ausreichend. In dieser Studie wurde ermittelt, dass mit der Therapie von NASONEX® weniger Arztbesuche anfallen (mean: 3,4 vs. AQUACORT® 3,7 vs. RHINISAN® 3,9 vs. Budes HEXAL® 5,4; median: 4,8 vs. AQUACORT® 5,7 vs. RHINISAN® 10,7 vs. Budes HEXAL® 12,7). Die ökonomische Bewertung dieses Sachverhalts fällt schwer, leider konnten in der Studie keine differenzierteren Daten erhoben werden. Liegen diese Besuche tendenziell in wenigen Quartalen, muss der Arzt den zusätzlichen Aufwand von (preiswerteren) Alternativen selbst tragen. Verteilen sich die Besuche auf mehrere Quartale, so ergeben sich zusätzliche Abrechnungsmöglichkeiten, die budgetrelevant für die Kassenärztlichen Vereinigungen bzw. die Krankenkassen sind. Es bleibt späteren Untersuchungen vorbehalten, diese Effekte genauer zu quantifizieren. Auch gab es in dieser Studie erste Anhaltspunkte, dass zumindest im Vergleich zu Budes Hexal® bei mehr Patienten (50 % vs. NASONEX® 40 %) eine Begleitmedikation erforderlich war, aber auch hier kann eine ökonomische Bewertung nicht vorgenommen werden, da die Dokumentation nicht spezifisch genug war.
Es bleibt festzuhalten: Die Me-too Liste ist ein effektives Steuerungsinstrument, die eine erhebliche Verhaltensänderung bei den Ärzten generiert. Der ökonomische Effekt der Umstellung eines Patienten bleibt allerdings bei realistischer Betrachtung anhand der PDD weit hinter den Erwartungen bei der Zugrundelegung der Kosten pro DDD zurück. Gegen gerechnet werden müssten allerdings noch eine höhere Anzahl von Arztbesuchen und evtl. auch zusätzliche Begleitmedikationen bei den jetzt stärker verordneten preiswerteren Alternativen. Die Quantifizierung dieser Effekte konnte anhand der vorliegenden Studie nicht vorgenommen werden, wäre aber gesundheitsökonomisch sehr relevant. <<

Hintergrund
Mometason ist ein Glukokortikoid, das neben der Anwendung auf der Haut auch als intranasales Steroid-Spray (INS) bei allergischer Rhinitis und Nasenpolypen empfohlen wird. Daneben wird MHN für Nasennebenhöhlenentzündungen (Rhinosinusitis) eingesetzt.
Die allergische Rhinitis ist eine Entzündungserkrankung der Nasenschleimhaut infolge Allergenexposition. Als allergische Rhinokonjunktivitis ist sie mit einer geschätzten Lebenszeitprävalenz von circa 20 % eine der häufigsten allergischen Erkrankungen [Bousquet et al. 2001: 108]. Betroffen sind Kinder und Erwachsene, die alle eine hohe Komorbidität für Erkrankungen wie Asthma oder Neurodermitis aufweisen [Lack 2001:108; Wright et al. 1994: 94; Leynaert et al. 1999: 104; Ruoppi et al. 1993: 113]. Das Risiko an Asthma zu erkranken ist bei Patienten mit allergischer Rhinitis höher als in der Normalbevölkerung [Pariente et al. 1997: 12; Linneberg et al. 2003: 111]. Dieser Effekt wird als Etagenwechsel diskutiert. Die Erkrankung führt zu Störungen der Lebensqualität oder der beruflichen bzw. schulischen Leistungsfähigkeit [Craig et al. 1998: 101; McColley et al. 1997: 111].
Die durch die allergische Rhinitis und relevante Komorbiditäten verursachten Gesamtkosten sind für das Gesundheitswesen erheblich. In Deutschland betrugen die Kosten der allergische Rhinokonjunktivitis im Jahre 2000 geschätzte 240 Millionen Euro bzw. 5,1 Milliarden Euro für die allergischen Atemwegserkrankungen insgesamt [Ring et al 2000; Statistisches Bundesamt, 2000].
Die akute oder chronische Nasennebenhöhlenentzündung wird als Rhinosinusitis bezeichnet. Nasenpolypen (Polyposis nasi) sind Ausstülpungen von chronisch entzündeter Schleimhaut in die Nasenhöhle. Sie können zu Behinderung der Nasenatmung und zu einem Geruchssinnverlust führen (Bachert 2004: 27).

 

Dosierungs-Empfehlungen
Für Mometason werden zur Akuttherapie einmal täglich 2 Sprühstöße je Nasenloch empfohlen, reduzierbar auf 1 Sprühstoß je Nasenloch in der Erhaltungstherapie [Fachinformation 2009]. Für Budesonid gilt je nach Produkt eine Dosisempfehlung von täglich 2 oder 4 Sprühstößen je Nasenloch zur Akuttherapie und 1 oder 2 Sprühstößen je Nasenloch zur späteren Erhaltungstherapie [Fachinformation].