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Je größer, je kleiner…, desto riskanter zu erkranken?

Ob Krebs, kardiovaskuläre Erkrankungen oder Diabetes Typ-2: Diesen Erkrankungen ist gemein, dass sie zu den großen Volkskrankheiten zählen. Sie führen zu sehr viel Leid bei Patienten und Angehörigen leichermaßen und verursachen zudem hohe Kosten im Gesundheitswesen. Umso wichtiger ist es, Personen mit erhöhtem Risiko zu identifizieren noch bevor klinische Symptome auftreten. Prof. Dr. Karel Kostev, wissenschaftlicher Leiter der epidemiologischen Forschung bei IQVIA Deutschland, und Kollegen zeigen jetzt Assoziationen zwischen Körpergröße und Erkrankungsrisiko für verschiedene Krankheitsbilder. In ihren Ergebnissen sehen die Wissenschaftler große Chancen, die etablierte Risiko-Scores für die Krankheiten zu verbessern.

Kostev fand zusammen mit einem Internisten-Team der Universitätsklinik Düsseldorf heraus, dass die Körpergröße invers mit dem Risiko für Typ-2-Diabetes assoziiert ist [1]. Sie haben dazu Angaben von 783.029 erwachsenen, ambulanten Patienten aus der Disease AnalyzerDatenbank des Beratungs- und Analyseunternehmens IQVIA untersucht. Die Datenbank enthält anonymisierte Falldaten des ambulanten Versorgungssektors und ist eine der größten ihrer Art.

Sowohl bei Frauen als auch bei Männern in allen Altersgruppen nimmt die Inzidenz von Typ-2-Diabetes mit zunehmender Körpergröße ab. Dies wurde mittels multivariablen Cox Regressionsanalysen (statistisches Vorhersagemodell) festgestellt, die für das Alter und den Body-Mass-Index adjustiert wurden. Das Risiko für einen neu auftretenden Typ-2-Diabetes steigt demnach bei Frauen um 15% und bei Männern um 10% für jede Abnahme der Körpergröße um 10 cm. Signifikante Zusammenhänge zwischen der Körpergröße und der Entwicklung von Typ-1-Diabetes gab es nicht.

„Unsere Daten liefern deutliche Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen der Körpergröße von Erwachsenen und Typ-2-Diabetes“, sagt Kostev. „Sie könnten dazu beitragen, die Körpergröße in bestehende Instrumente zur Diabetes-Risikostratifizierung zu integrieren, um die Morbidität und Mortalität weiter zu verringern.“

Körpergröße und Risiken für Herz-Kreislauf-Erkrankungen

Außerdem war die Körpergröße mit dem Risiko kardiovaskulärer Erkrankungen assoziiert, wie Kostev und Kollegen berichten [2]. Sie haben Angaben von insgesamt 657.310 erwachsenen ambulanten Patienten aus der Disease Analyzer (IQVIA) Datenbank ausgewertet.

Bei Frauen und Männern mit geringerer Körpergröße war die Prävalenz von Bluthochdruck, koronarer Herzkrankheit, Herzinsuffizienz und ischämischem Schlaganfall höher. Im Gegensatz dazu war die Prävalenz von Vorhofflimmern und venösen Thromboembolien bei größeren Personen höher.

In alters- und BMI-bereinigten Regressionsanalysen war die Körpergröße negativ mit einer koronaren Herzerkrankung (Risikoreduktion von 9% bei Frauen und 13% bei Männern pro 10 cm Zunahme der Körpergröße) assoziiert und stark positiv mit Vorhofflimmern (25% bei Frauen und Männern) sowie venösen Thromboembolien (23% bei Frauen und 24% bei Männern) assoziiert. Anders beschrieben: Kleine Frauen oder Männer innerhalb des Datensatzes hatten ein höheres Risiko für koronare Herzerkrankung als größere Menschen. Bei Vorhofflimmern oder Thromboembolien hatten größere Frauen oder Männer ein höheres Risiko als die kleineren Studienteilnehmerinnen und -nehmer.

„Diese Ergebnisse sollten eine Diskussion darüber anregen, inwieweit die Körpergröße als Parameter in Tools zur Bewertung des Risikos an einer Herz-Kreislauf-Störung zu erkranken, eingesetzt werden kann, um die kardiovaskuläre Morbidität und Mortalität weiter zu verringern“, sagt Kostev.

Körpergröße und Risiken für Krebserkrankungen

Eine weitere Kohortenstudie [3] umfasste 784.192 ambulante, erwachsene Patienten aus der Disease Analyzer Datenbank von IQVIA.

Die Gesamtinzidenz für Krebs erhöhte sich bei beiden Geschlechtern mit zunehmender Körpergröße. Diese Risikoerhöhung für Krebs lag bei Frauen bei +11% pro 10 cm Zunahme der Körpergröße und bei Männern bei +6%. Weiterhin stellten die Forscher einen signifikanten Zusammenhang zwischen Körpergröße und Krebshäufigkeit für bestimmte Krebsarten fest, wie dem malignen Melanom, das bei Frauen mit einer Risikoerhöhung von 21% auftrat sowie bei Männern mit +29%.

„Diese Studie liefert deutliche Hinweise auf einen positiven Zusammenhang zwischen der Körpergröße und dem Gesamtrisiko für verschiedene Krebsarten“, fasst Professor Kostev zusammen. Er betont zugleich: „Es ist schwer die klinische Relevanz dieser Ergebnisse zu beurteilen, da die Anzahl der Faktoren, die zu Krebs führen können, sehr hoch ist und es zudem auch noch unbekannte, bzw. nicht vollständig verstandene Krebsrisikofaktoren gibt.“ Und weiter: „Bislang steckte der wissenschaftliche Verdacht, dass die Körpergröße mit Krebs assoziiert ist, noch in den Kinderschuhen. Unsere Datenstudie ist eine wichtige Grundlage für nun weiterzuführende Forschungsarbeiten, die Prävention und Therapie von Krebs weiter verbessern sollen.“

Die Ergebnisse der Forschungsarbeit zu Assoziationen zwischen dem Auftreten der Erkrankung und weiteren Merkmalen weist zugleich deutlich auf die Bedeutung von Datenstudien hin: „Daten aus dem Versorgungalltag bergen sehr viel Potenzial, um die Gesundheitsversorgung der Patienten weiter zu optimieren und um Krankheiten sowie Krankheitsverläufe besser zu verstehen. Die Versorgungsforschung ist bereits heute ein wichtiger Pfeiler für die medizinische Forschung und Krankenbehandlung gleichermaßen. Sie wird weiter an Bedeutung gewinnen, da Big Data gerade in der Versorgung entsteht. “

Weiterführende Literatur/Referenzen:
[1] Sven H. Loosen, Sarah Krieg, Andreas Krieg, Tom Luedde, Karel Kostev, Christoph Roderburg: Adult Body Height Is Associated with the Risk of Type 2 but Not Type 1 Diabetes Mellitus: A Retrospective Cohort Study of 783,029 Individuals in Germany. J Clin Med 2023 Mar 12;12(6):2199. doi: 10.3390/jcm12062199

[2] Sarah Krieg, Karel Kostev, Mark Luedde, Andreas Krieg, Tom Luedde, Christoph Roderburg, Sven H. Loosen: The association between the body height and cardiovascular diseases: a retrospective analysis of 657,310 outpatients in Germany. Eur J Med Res 2022 Nov 9;27(1):240. doi: 10.1186/s40001-022-00881-y

[3] Sarah Krieg, Christoph Roderburg, Andreas Krieg, Tom Luedde, Sven H. Loosen, Karel Kostev: The association between body height and cancer: a retrospective analysis of 784,192 outpatients in Germany. J Cancer Res Clin Oncol. 2022 Sep 6. doi: 10.1007/s00432-022-04335-0