73b-Verträge treiben Aufbau der Telematik-Infrastruktur in Baden-Württemberg
Erstveröffentlichungsdatum: 01.04.2009
Zusätzliches
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Mit dem Inkrafttreten des ersten hausarztzentrierten Versorgungsvertrags nach dem neuen §73b SGB V am 1. Juli 2008 begann der Aufbau der eHealth-Infrastruktur in Baden-Württemberg. Über 1.200 Hausärzte sind über die hoch sichere Infrastruktur bereits online vernetzt.
>> Der hausarztzentrierte Versorgungsvertrag (HZV) zwischen AOK Baden-Württemberg, Hausärztlicher Vertragsgemeinschaft (HÄVG) und MEDI Verbund sichert teilnehmenden Ärzten nicht nur feste Euro-Beträge für ihre Leistungen zu, er hat auch dafür gesorgt, dass „im Ländle“ eine hoch sichere Telematik-Infrastruktur und damit die Basis für eine sichere IT-Vernetzung der Ärzte entsteht: Um die Verwaltungskosten des HZV-Vertrags möglichst niedrig zu halten, sind teilnehmende Ärzte dazu verpflichtet, ihre im Rahmen des Vertrags erbrachten Leistungen direkt online mit dem Rechenzentrum der HÄVG abzurechnen. Für die Übermittlung der sensiblen Abrechnungsdaten schreiben die Vertragspartner in Übereinstimmung mit den Empfehlungen von Datenschutzexperten und Bundesärztekammer die Nutzung einer sicheren Infrastruktur mit gematik-fähigen Konnektoren verpflichtend vor. Diese sichere Infrastruktur hat ihren Praxistest bestanden und kann nun jederzeit – auch über die Grenzen des Bundeslandes hinaus – weiter ausgebaut werden.
Optimale Sicherheit
Die für den §73b-Vertrag genutzte Infrastruktur berücksichtigt alle bisher von der gematik veröffentlichten Spezifikationen zur sicheren Online-Anbindung von Arztpraxen. Dazu baut ein so genannter Konnektor für jede Datenübertragung eine hardwaregestützte VPN-Verbindung – ein Virtuelles Privates Netzwerk – zwischen Arztpraxis und Rechenzentrum auf. Diese Technologie bietet die höchst mögliche Sicherheitsstufe, die aktuell zu vertretbaren Kosten verfügbar ist: Hardwaregestützte Virtuelle Private Netzwerke werden auch von zahlreichen Großunternehmen und Behörden verwendet, um vertrauliche Informationen zwischen ihren verschiedenen Niederlassungen im In- und Ausland auszutauschen. Mit derzeitigen Werkzeugen lässt sich eine so gesicherte Online-Verbindung rein rechnerisch mit etwa 28 Jahren Rechnerleistung knacken. Dann kann aber nur diese eine attackierte Verbindung belauscht werden, die meist bereits nach wenigen Minuten beendet wurde. Zusätzlich sichert der Konnektor durch eine integrierte Firewall das Praxis-Netz gegen unbefugte Zugriffe von außen ab.
Hohe Akzeptanz
Über 1.200 Hausärzte in Baden-Württemberg sind bereits mit der neuen Telematik-Infrastruktur verbunden, weitere 300 haben einen Konnektor zur Nutzung der sicheren Online-Anbindung bestellt. Damit hat sich die Mehrzahl der am HZV-Vertrag teilnehmenden Mediziner für die hoch sichere Infrastruktur entschieden. Entscheidend dazu beigetragen hat, dass die Infrastruktur-Komponenten ausschließlich von speziell dafür zertifizierten Technikern vor Ort in den Praxen installiert und eingerichtet wurden. Ärzte und Praxishelferinnen wurden nach der Installation ausführlich in die Nutzung der Infrastruktur und der darauf aufbauenden Anwendungen eingewiesen und können verschiedene Schulungsprogramme nutzen. Außerdem stehen eine mit IT-Fachleuten besetzte Telefon-Hotline und ein Support-Center für Fragen und eventuelle Probleme zur Verfügung.
Jederzeitige Abrechnung
Dank der sicheren Online-Verbindung und der neuen Abrechnungs-Systematik des HZV müssen Ärzte mit ihrer Abrechnung nicht mehr bis zum Quartalsende warten: Eine Abrechung ist grundsätzlich jederzeit möglich – die Vertragspartner empfehlen sogar, ein- bis zweimal pro Woche online abzurechnen. Auch bereits abgerechnete Scheine können nachträglich noch geändert werden, falls der Patient im gleichen Quartal weitere Leistungen in Anspruch nimmt. Auf diese Weise gehören die regelmäßigen Nachtschichten und Abrechnungsmarathons am Quartalsende der Vergangenheit an. Die erste Online-Abrechung über die neue Infrastruktur verlief reibungslos: Die mehr als 18.000 Abrechnungsdatensätze aus über 200 Arztpraxen wurden problemlos an das Rechenzentrum übertragen und dort verarbeitet. Schon zehn Wochen nach Quartalsende erhielten die teilnehmenden Ärzte ihre Endabrechung und das ihnen zustehende Honorar. Das erfreut die teilnehmenden Ärzte. Allgemeinmediziner Dr. Walter Franck aus Stuttgart berichtet zum Beispiel: „In 26 Jahren Praxiserfahrung haben wir noch nie eine so leichte und schnelle Abrechnung erlebt!“
Zusätzlicher Komfort
Mit der neuen Telematik-Infrastruktur in Baden-Württemberg können Ärzte nicht nur einfach und schnell ihre Abrechnungsdaten übertragen, sie bietet auch weitere komfortable Zusatzfunktionen: Über eine sichere Verbindung kann z.B. für jeden AOK-Patienten, der mit seiner Krankenversichertenkarte in die Praxis kommt, abgefragt werden, ob er schon an der hausarztzentrierten Versorgung teilnimmt. Damit werden Doppeleinschreibungen von Patienten zuverlässig vermieden. Auch Software-Updates lassen sich über die Infrastruktur komfortabel online bereitstellen: Die Vertragssoftware Hausarzt+ oder das Pharmamodul des gekapselten Hausarzt+ Kerns, der in den HZV-Modulen anderer Hersteller zum Einsatz kommt, können so ganz einfach per Mausklick immer auf dem aktuellsten Stand gehalten werden. Diese Funktion wird auch anderen IT-Unternehmen angeboten, um den Servicegrad für die Ärzte weiter zu erhöhen.
Wartungsfreie Technik
Da der Status des Konnektors über ein Remote Monitoring System jederzeit überprüft werden kann, muss sich der Arzt nach Installation des Geräts durch einen IT-Fachmann nicht mehr um Updates oder Konfigurationsänderungen kümmern – die Wartung des Konnektors erfolgt online. Außerdem kann über den Konnektor auch die Software in der Arztpraxis gewartet werden, ohne dass dazu ein Techniker vor Ort kommen muss: Nachdem der Arzt dem Aufbau einer Verbindung zu einem zertifizierten Techniker zugestimmt hat, kann dieser über eine gesicherte Verbindung per Konnektor die in der Praxis installierte Software von seinem eigenen Arbeitsplatz aus warten. So entfallen kostspielige und unproduktive Anfahrtszeiten.
Weitere Anwendungen
Da der Konnektor gematik-fähig ist, stellt er eine zukunftssichere Investition in die IT-Ausstattung der Praxis dar: Wenn der Arzt es will, kann der gleiche Konnektor, der heute für die Abrechnung des hausarztzentrierten Versorgungsvertrags eingesetzt wird, später auch für die Anwendungen der elektronischen Gesundheitskarte genutzt werden. Auch weitere Anwendungen wie der hoch sichere Austausch von Laborwerten oder medizinischen Informationen, z.B. über eine Arztnetzakte, sind möglich.
Ausbau der Infrastruktur
Mit dem Rollout in Baden-Württemberg, dem täglichen Betrieb und der ersten Online-Abrechung hat die neue Telematik-Infrastruktur ihre Praxistauglichkeit bewiesen. Die Infrastruktur ist so angelegt, dass über sie nicht nur der Hausarztvertrag nach §73b, sondern auch Facharztverträge nach §73c und andere Versorgungsmodelle möglich sind. Dabei können Ärzte, Apotheker und andere medizinische Leistungserbringer sicher und zuverlässig mit unterschiedlichsten Vertragspartnern wie Krankenkassen, Arztverbänden, Kassenärztlichen Vereinigungen oder Klinikverbünden vernetzt werden.
Neutrale Betriebsgesellschaft
Für einen weiteren Rollout der Telematik-Infrastruktur und deren Betrieb bietet es sich an, eine neutrale Betriebsgesellschaft in Form einer privat-öffentlichen Zusammenarbeit einzurichten. Die Neutralität ist aus zwei Gesichtspunkten heraus wichtig: Erstens kann darüber gewährleistet werden, dass die verschiedenen Vertragspartner – also Kassen/ Versicherungen und ärztliche Organisationen – die Infrastruktur gleichberechtigt und parallel nutzen können. Zweitens kann darüber sichergestellt werden, dass die im Wettbewerb stehenden Softwarehäuser für Primärsysteme ihre Applikationen gleichberechtigt mit dieser Infrastruktur verbinden können. Auf diese Weise könnte nach dem erfolgreichen Modell aus Baden-Württemberg die Vernetzung der Ärzte und der effiziente Austausch medizinischer und abrechnungsrelevanter Informationen in kürzester Zeit bundesweit umgesetzt werden.
Weitere Anwendungen
Da der Konnektor gematik-fähig ist, stellt er eine zukunftssichere Investition in die IT-Ausstattung der Praxis dar: Wenn der Arzt es will, kann der gleiche Konnektor, der heute für die Abrechnung des hausarztzentrierten Versorgungsvertrags eingesetzt wird, später auch für die Anwendungen der elektronischen Gesundheitskarte genutzt werden. Auch weitere Anwendungen wie der hoch sichere Austausch von Laborwerten oder medizinischen Informationen, z.B. über eine Arztnetzakte, sind möglich. <<
von: Peter Reuschel*