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APS: Patientensicherheit und Versorgungsforschung

Kongress: „Patientensicherheit im Fokus der Versorgungsforschung - von der Praxis zur Evidenz“ (II)

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Erstveröffentlichungsdatum: 17.10.2010

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Versorgungsforschung hat die Beobachtung, Analyse, Prognose, Bewertung, Weiterentwicklung und Evaluation der Routineversorgung im Gesundheitsbereich zum Gegenstand. Patientensicherheit zielt auf die Förderung der Sicherheit von Behandlungs- und Versorgungsprozessen im Gesundheitssystem in erster Linie durch ein effektives und effizientes klinisches Risikomanagement in den Gesundheitsinstitutionen. Klinisches Risikomanagement als Förderung der Patientensicherheit setzt die Beobachtung, Analyse, Prognose, Bewertung, Weiterentwicklung und Evaluation der Behandlungsprozesse voraus. Die Schnittstellen von Versorgungsforschung und Patientensicherheit liegen auf der Hand.

>> Das Aktionsbündnis Patientensicherheit (APS; www.aktionsbuendnis-patientensicherheit.de) widmet sich der Förderung von Patientensicherheit insbesondere durch Handlungsempfehlungen und geht davon aus, dass Strategien, Methoden und Lösungen der Patientensicherheit durch hochwertige Versorgungsforschung wissenschaftlich abgesichert werden müssen. Patientensicherheitsforschung kann zukünftige gute Sicherheitsstandards in der Praxis der Gesundheitsversorgung (Behandlung und Organisation) befördern. Insofern sind für das APS Patientensicherheit und Versorgungsforschung sich ergänzende Aufgaben und sich austauschende Systeme. Auf der institutionellen Ebene spiegelt sich diese gegenseitige theoretische und praktische Bedingung in der engen Kooperation des APS mit dem Institut für Patientensicherheit (IfPS; www.ifpsbonn.de): Analyse von Evidenz, Empfehlung, Empfehlungsevaluation, Entwicklung von Forschungsansätzen zur Patientensicherheit (von Methoden der Evidenzgewinnung bis zu Patientensicherheitsindikatoren), Verbesserung von Empfehlungen - so sollte idealiter der Ablaufprozess sein. Das APS geht von konkreten Problemen im Versorgungsalltag aus und entwickelt darauf bezogene Lösungsvorschläge; es beteiligt alle Disziplinen und Berufsgruppen des Gesundheitswesens, bezieht ihre unterschiedliche Expertise und praktische Erfahrung ein und erarbeitet gemeinsam Vorschläge und Empfehlungen zur Verbesserung der Patientensicherheit. Dieser Ansatz gewährt die Chance der Praxistauglichkeit und hohe Akzeptanz seitens der Anwender; auf diese Art und Weise sowie durch Bewährung nach Evaluation lassen sich Verbesserungsmaßnahmen erfolgreich und langfristig im Versorgungsalltag verankern.
Die jeweilige und die gemeinsame Arbeit von APS und IfPS ist durch Interdisziplinarität, Interprofessionalität und die Konzentration auf Behandlungs- und Versorgungsprozesse sowie ihre gute Organisation gekennzeichnet. Gute Organisation bezieht das fachliche, sachliche, personelle und finanzielle Umfeld von Prozessen und jener Einwirkung auf sie ein, zielt vor allem auf ihr gutes Management sowie auf eine motivationsfördernde und nachhaltige Entwicklung der Sicherheitskultur in den Gesundheitsinstitutionen.
Folgende Empfehlungen (E) zur Fehlervermeidung im weiten Sinne hat das APS in den Arbeitsgruppen seit 2005 erarbeitet:
• AG Eingriffsverwechslung (E + OP-Plakat + Flyer + Broschüre + PatInfo)
• AG Patientenidentifikation (E)
• AG CIRS im Krankenhaus (E + Broschüre)
• AG Behandlungsfehlerregister („Kerndatensatz“)
• AG Arzneimitteltherapiesicherheit
(Checkliste Arzneimitteltherapiesicherheit im Krankenhaus; Medikamentenplan)
• Aktion saubere Hände (laufende gemeinsame Aktion)
• AG Informieren, Beraten, Entscheiden
• AG Ausbildung und Training
• AG Belassene Fremdkörper im OP-Gebiet
„Jeder Tupfer zählt“ (E + Glossar)
• AG Medizinprodukt-assoziierte Risiken.

Das IfPS hat die Evaluation einiger dieser Empfehlungen des APS übernommen und dazu erste methodische Ansätze entwickelt, die orientiert an „Surrogatparametern“ deren Wirkungen in der Praxis des Alltags der Gesundheitsversorgung messen werden. Am Beispiel der Empfehlung zur Eingriffsverwechslung wird klar, dass das Ideal der evidenzbasierten Medizin, die randomisierte kontrollierte Studie, nicht realisierbar ist und deshalb neue Studienformen entwickelt werden müssen, die die Förderung der Patientensicherheit analysieren können. Das, was in der klinischen Forschung erheblichen Zweifeln begegnen müsste, ist für die Versorgungsforschung zur Patientensicherheit gut begründbar.
Insgesamt ist die Fehlerforschung in ihren Abteilungen Fehler-analyse, Fehlerbewertung und Förderung der Fehlerverminderung aus der Sicht des APS ein ganz wichtiger Teil der patientensicherheitsorientierten Versorgungsforschung. Wenn es zudem gelingt, die Wirkungsforschung von Fehlervermeidungsstrategien zu intensivieren und deren Nutzen und Kosten zu bewerten, wird die Versorgungsforschung ihrerseits einen nicht zu unterschätzenden Beitrag zur Patientensicherheit leisten.
Patientensicherheitsforschung als Teil von Versorgungsforschung ist die Basis für zukünftige gute Sicherheitsstandards in der Praxis der Gesundheitsversorgung. <<
von: Prof. Dr. Dieter Hart /
Dr. Günther Jonitz / Dipl. Soz. Sonja Barth

DKG: „Kulturwandel“
Auch die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) unterstützte als Gründungsmitglied des Aktionsbündnis Patientensicherheit die bundesweite Befragung des APS, die - so DKG-Geschäfsführer Dr. med. Bernd Metzinger - erstmals verlässliche Informationen zur Situation des klinischen Risikomanagements in Deutschland darlegt hätte - übrigens - so Metzinger in der Kongress-Eröffnungspressekonferenz, etwas, was die DKG nicht als eigene Aufgabe ansehe. Die Ergebnisse könnten sich nach Metzinger aber sehen lassen. Allein die Frage nach der Umsetzung konkreter Maßnahmen hätte gezeigt, dass inzwischen ein Kulturwandel im Umgang mit Fehlern in deutschen Krankenhäusern spürbar sei:
• 71% der befragten Krankenhäuser verfügen über konkrete Maßnahmen zur Verhütung von Anwendungsfehlern in der Arzneitherapie;
• 85% führen ein systematisches MRSA-Screening von Risikopatienten durch;
• 76% nehmen an der Aktion saubere Hände teil;
• 62% binden das Nationale Referenzzentrum KISS ein;
• 94% haben ein systematisches Dekubitus- und Wundmanagement;
• 63% setzen Checklisten bei Operationen ein.