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Die medikamentöse Therapie des Diabetes mellitus Typ 2 erfolgt vor allem mit oralen Antidiabetika, im fortgeschrittenen Stadium auch mit Insulinen. Im letzten Jahr stiegen die Ausgaben für orale Antidiabetika mit knapp zwölf Prozent doppelt so stark wie der gesamte Arzneimittelmarkt und repräsentieren innerhalb der GKV mittlerweile ein Ausgabenniveau von über einer halben Milliarde Euro. Zwischen den 17 KV-Regionen Deutschlands bestehen zum Teil große Differenzen hinsichtlich der Pro-Kopf-Ausgaben für orale Antidiabetika, die nicht zuletzt im Zusammenhang mit den unterschiedlichen Anteilen Adipöser - gemessen am Body Mass Index (BMI) - stehen.

> Diabetes gilt als eine gesellschaftliche Herausforderung. Der Arzneimittelatlas 2008 geht in einer konservativen Schätzung von gegenwärtig circa 3,3 Millionen Typ 2-Diabetikern in der Gesetzlichen Krankenversicherung in Deutschland aus. Durch den wachsenden Anteil älterer Menschen in der Bevölkerung hat sich die Zahl der Menschen mit Diabetes Typ 2 in den letzten Jahrzehnten deutlich erhöht und wird in den kommenden Jahren vermutlich weiter ansteigen. Dabei kann Diabetes in vielen Fällen durch eine geeignete Prävention – d. h. gesunde Ernährung, körperliche Aktivität und ein der Norm entsprechendes Gewicht – verhindert oder zumindest verzögert werden. Denn: Ein gesunder Lebensstil senkt das Risiko, an Diabetes zu erkranken.
Es wird angenommen, dass circa 81 Prozent der Typ-2-Diabetiker täglich eine Tagestherapiedosis eines oralen Antidiabetikums (OAD) einnehmen (vgl. Häussler, Bertram et al.: Arzneimittelatlas 2008, S. 91). Der GKV-Markt für diese OAD soll nachfolgend näher beleuchtet werden.
12 % Ausgabenanstieg
für orale Antidiabetika
Der GKV-Markt für orale Antidiabetika hatte 2008 nach Angaben von INSIGHT Health ein Ausgabevolumen von 520 Millionen Euro - bewertet zu aktuellen Apothekenverkaufspreisen. Dies entspricht einem Anstieg von 11,7 Prozent gegenüber 2007 (zum Vergleich: Insuline: + 4,9 Prozent; gesamter Arzneimittelmarkt + 5,3 Prozent).
Die Anzahl an GKV-Verordnungen für OAD ist im gleichen Zeitraum nur um 6,1 Prozent gestiegen – auf nunmehr 17,6 Millionen abgerechnete Rezepte 2008. Damit sind die Ausgaben für die oral-medikamentöse Therapie von Diabetes deutlich stärker gestiegen als die entsprechenden Verordnungszahlen. Dies liegt vor allem an den sechs seit Oktober 2006 neu eingeführten Wirkstoffen resp. Wirkstoffkombinationen, die allein knapp 50 Millionen Euro Mehrausgaben im Jahre 2008 gegenüber 2007 auf sich vereinten. Zudem haben sich die Zuwachsraten gegenüber den Veränderungen von 2006 auf 2007 merklich erhöht (Abb. 1).
Fast jeder dritte Euro wird
für Metformin aufgewandt
Für die medikamentöse Therapie von Diabetes Typ 2 werden verschiedene Wirkstoffklassen eingesetzt. Den Biguanid-Antidiabetika mit Metformin kommt bei einem Ausgabenanteil von 31,0 Prozent die diesbezüglich größte Relevanz zu. Der Umsatzanteil der Glitazone von 26,2 Prozent (davon 11,7 Prozentpunkte für Glitazon-Kombinationspräparate) ist ebenfalls beachtlich. Auf die Alternative Sulfonylharnstoff-Antidiabetika entfallen 19,1 Prozent der Umsätze. Bemerkenswert ist der Ausgabenanteil der DPP-4-Inhibitoren von 9,4 Prozent, da diese Wirkstoffklasse erst seit 2007 am Markt etabliert ist. Seit August 2008 wird zudem ein entsprechendes Kombinationspräparat mit Metformin angeboten (Abb. 2).
Als Grund für den hohen Stellenwert von Metformin in der oralen Diabetestherapie – der sich übrigens auf Seiten der Verordnungszahlen mit einem Anteil von 56,9 Prozent noch weit stärker ausdrückt – kann angeführt werden, dass gerade bei adipösen Diabetikern Metformin aufgrund fehlender Gewichtsanstiege (soweit keine Gegenanzeigen vorliegen) derzeit der „Goldstandard“ der Pharmakotherapie ist. Ebenso muss während der Insulintherapie, also bei Patienten mit fortgeschrittenem Diabetes, die Behandlung der Insulinresistenz mit einem oralen Antidiabetikum – und dies ist zumeist Metformin – fortgeführt werden (vgl. Matthaei, Stephan / Häring, Hans Ulrich: Behandlung des Diabetes mellitus Typ 2, in: Diabetologie 2008 (3) 2, S.161). Auch haben einige Antidiabetika ausschließlich eine Zulassung in Kombination mit Metformin oder Sulfonylharnstoffen (vgl. z.B. KV Berlin: Hinweise zur Verordnung von oralen Antidiabetika, Mai 2008).

Hohe Korrelation zwischen BMI und Antidiabetika-Ausgaben in den Regionen
Bei einem Vergleich der 17 KV-Regionen zeigen sich große Differenzen: Während 2008 in Schleswig-Holstein lediglich 4,93 Euro je GKV-Versichertem für orale Antidiabetika ausgegeben wurden, waren es in Sachsen 11,73 Euro. Im Bundesdurchschnitt lagen 2008 die Ausgaben je Versichertem für orale Antidiabetika bei 7,40 Euro (zum Vergleich: Insuline: 16,60 Euro).
Spannend ist ein Vergleich zwischen den Ausgabenunterschieden für orale Antidiabetika in den KV-Regionen und dem entsprechenden Anteil an Adipösen BMI > 30). Schließlich orientiert sich die Auswahl des Antidiabetikums neben der Stärke des Diabetes unter anderem am BMI. Wie in Abbildung 3 ersichtlich, bestehen in vielen KV-Regionen Parallelen zwischen Übergewicht und Medikamentenausgaben für OAD.
Letztlich ist der BMI allerdings nicht der einzige zu berücksichtigende Gewichtsindikator. So wird es beispielsweise als sinnvoll erachtet, neben dem Übergewichts-Indikator BMI auch den Bauchumfang zu messen. Von den Fettdepots im Bauchbereich werden vermehrt solche Substanzen an das Blut abgegeben, die unter anderem einen Typ 2-Diabetes fördern können (vgl. Pischon, Tobias et al.: General and Abdominal Adiposity and Risk of Death in Europe, in: N Engl J Med 2008; 359: 2105-2120).“

Megathema Übergewicht verlangt Prävention
Neben dem BMI sind bei der Wahl der Medikation selbstverständlich auch noch andere Faktoren wie Lebensstil, Alter und Begleiterkrankungen zu berücksichtigen, so dass ein solcher Vergleich zweier Kenngrößen (wie hier BMI und OAD-Ausgaben) letztlich immer nur eine Tendenz aufzeigen kann. Hinzu kommen noch regionale Unterschiede hinsichtlich der Versorgungsstrukturen, wie der Strukturverträge und Disease-Management-Programme.
Bei den meisten Therapie- und Schulungsprogrammen für Typ 2-Diabetiker wird das Ziel formuliert, das Krankheitsverhalten der bereits Betroffenen möglichst günstig zu beeinflussen. Die Betroffenen sollen mit Hilfe fundierter Informationen und Hinweise dazu in die Lage versetzt werden, selbst etwas zu einem möglichst komplikationsfreien Krankheitsverlauf beizutragen. Bei der Entwicklung neuer Versorgungskonzepte sollte allerdings nicht nur an die optimale Behandlung von Diabetikern gedacht werden, sondern auch an die Vermeidung neuer Diabeteserkrankungen. Das Megathema Übergewicht scheint hierbei von erheblicher Bedeutung zu sein. Damit rückt die Frage nach geeigneten und nachhaltigen Präventionsangeboten in den Vordergrund. <<

von: Christian Bensing /
Dr. André Kleinfeld*