Gesundheitsökonomische Evaluation des telemedizinischen Präventionsprogramms „proGERO“ für Personen mit geriatrischen Einschränkungen
Aufgrund einer ständig älter werdenden Bevölkerung stellen geriatrische Einschränkungen eine wachsende Herausforderung für betroffene Individuen und den Sozialstaat in Deutschland und anderen westlichen Industrienationen dar (Lehnert et al., 2011; Ofori-Asenso et al., 2019). Geriatrische Einschränkungen gehen mit vielfältigen altersbedingten Mobilitäts- und Funktionsverlusten einher wie Gebrechlichkeit (Klindtworth et al., 2017; Ofori-Asenso et al., 2019; Wick, 2011), chronischen Schmerzen (Henchoz et al., 2017; Liberman et al., 2018; Makris et al., 2014) und psychischen Belastungen (Ates Bulut et al., 2018; Kiosses et al., 2017) bis hin zu schwerwiegenderen medizinischen Ereignissen wie Stürzen und Brüchen (Rau et al., 2014) sowie Mortalität (Kojima et al., 2018). Weiterhin bestehen auch große Belastungen für pflegende Angehörige, da die Versorgung von Personen mit geriatrischen Einschränkungen mit einem hohen Zeit- und Ressourcenaufwand einhergeht (Brémault-Phillips et al., 2016; Riffin et al., 2016; Ringer et al., 2017; Serrano et al., 2019). Die Evidenz zu Effekten telemedizinischer Interventionsprogramme zur Primärprävention für geriatrische Einschränkungen ist uneindeutig (Biese et al., 2014; Brignell et al., 2007; Narasimha et al., 2017; Takahashi et al., 2012) und wenig ist zu möglichen Einsparungspotenzialen durch Telemedizin bekannt (Gentry et al., 2019).
>> Telemedizinische Interventionen rücken vermehrt in den Fokus, insbesondere seit der Covid-19-Pandemie (Gentry et al., 2019; James et al., 2021; Merrell, 2015). Das telemedizinische Primärpräventionsprogramm „proGERO“ zielt auf eine Verbesserung der Versorgungsqualität und der Vorbeugung von weitergehenden Einschränkungen für betroffene Personen und Entlastungen für deren Angehörige ab. Durch ein stufenbasiertes Bedarfsmanagement sollen die fachgerechte ambulante Versorgungssituation verbessert und die Belastung von Betroffenen verringert werden. Teil des Programms ist eine medizinisch-fachliche Unterstützung per App und über Video-, Telefon- und Mailkontakte sowie Hausbesuche, welche besondere Versorgungsumstände wie beispielsweise einen Arzneimittelcheck in Bezug auf im Alter ungeeignete Medikamente berücksichtigen.
Durch eine Analyse von Routinedaten der Pronova Berufskrankenkasse (Pronova BKK) sollen Effekte von proGERO hinsichtlich der Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen sowie daraus resultierenden Leistungskosten innerhalb des gesetzlichen Krankenversicherungssystems untersucht werden. Auskünfte hierüber können eine bessere Einschätzung möglicher positiver Effekte von proGERO sowie über potenzielle Einsparungspotenziale bei Personen mit geriatrischen Einschränkungen ermöglichen.
Methode
Datengrundlage
Die vorliegende Studie wurde anhand von GKV-Abrechnungsdaten der Pronova BKK aus den Jahren 2017 bis 2020 durchgeführt. Die analysierten Datenbereiche umfassen ambulante und stationäre Leistungen, Diagnosen (ICD‑10‑GM), Arzneimittelverordnungen (ATC-Codes), Heil- und Hilfsmittel, häusliche Krankenpflege und Krankentransporte. Angaben zu Diagnosen sind nach der Internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme, 10. Revision, German Modification (ICD-10-GM; Graubner, 2011) kodiert. Angaben zu Medikamenten erfolgen nach der amtlichen anatomisch-therapeutisch-chemischen (ATC) Klassifikation (Fricke et al., 2019), ambulante Leistungen nach den Gebührenordnungspositionen (GOP) des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes (EBM) und stationäre Leistungen nach Operations- und Prozedurenschlüsseln (OPS).
Studiendesign und Population
Die Studie wurde als vergleichende retrospektive Kohortenstudie durchgeführt. Potenzielle Programmteilnehmende wurden im Rahmen einer Potenzialerhebung bei der Pronova BKK identifiziert. Versicherte mit geriatrischen Einschränkungen erhielten im Rahmen einer ambulanten Pflegeberatung in den Jahren 2018 und 2019 das Angebot, an proGERO teilzunehmen. Nach Programmbeginn im Jahr 2019 erfolgte mittels eines telefonischen Basisassessments unter Anwendung eines Fragebogens zu verschiedenen Gesundheits-, Pflege- und Sozialaspekten und der Bildung eines gewichteten Gesamtscores eine Einstufung der Teilnehmenden in der Interventionsgruppe (IG) in eine der vier Programmstufen (präventiv, smart, intensiv, intensiv plus). Eine Auflistung der genauen Programminhalte je Programmstufe ist in den Supplementaries (Tabelle S1) dargestellt. Der genaue Programm- und Evaluationsverlauf ist in Abbildung 1 dargestellt.
Als Vergleichsgruppe (VG) wurden Versicherte der Pronova BKK mit geriatrischen Einschränkungen ohne Programmteilnahme identifiziert. Zur Erhöhung der Vergleichbarkeit der beiden Kohorten wurde ein Propensity Score Matching (PSM; Rosenbaum & Rubin, 1985) durchgeführt. Das genaue Vorgehen ist unter „Statistische Analysen“ aufgeführt. Die Datenverarbeitung erfolgt auf Grundlage des Wirtschaftlichkeitsgebots nach § 75 SGB X. Die Einholung eines Ethikvotums war nicht erforderlich.
Ein- und Ausschlusskriterien
Das Vorliegen einer geriatrischen Einschränkung wurde nach den Ein- und Ausschlusskriterien in Tabelle 1 definiert. Die Ausschlusskriterien dienen hierbei zur Absicherung einer ambulanten Versorgungsfähigkeit ohne stationäre oder pflegerische Bedarfe. Als Indexdatum für die IG wurde das personenindividuelle Basisquartal des Beginns der Programmteilnahme definiert. Für Versicherte ohne Programmteilnahme (VG) wurde das Indexquartal (Programmbeginn der Teilnehmer:innen) zufallsbasiert nach der Verteilung der Indexquartale in der IG vergeben. Über die programmspezifischen Ein- und Ausschlusskriterien hinaus mussten Versicherte der IG und VG über den Beobachtungszeitraum von einem Jahr vor bis ein Jahr nach Indexdatum oder bis zu ihrem Tod durchgängig beobachtbar sein und durften im Vorbeobachtungszeitraum keine Hochkosten (Gesamtkos-ten >= 100.000 EUR) aufweisen.
Gruppencharakteristika und Komorbiditäten
Als soziodemografische Merkmale wurden das Alter, Geschlecht, der Versicherungsstatus sowie der Kreisregionstyp erfasst. Zur Ermittlung des allgemeinen Krankheitszustands wurden der Charlson Comorbidity Index (CCI; Sundararajan et al., 2004), ausgewählte Begleiterkrankungen sowie weitere Merkmale zu geriatrischen Einschränkungen bestimmt.
Zielparameter
Zur Beurteilung der gesundheitsökonomischen Effekte von proGERO aus Kostenträgerperspektive wurden identifizierbare direkte Leistungskosten aus den Routinedaten ermittelt. Hierbei erfolgte eine Klassifizierung der Kosten in ambulant (ambulante ärztliche Leistungen sowie ambulante Behandlungen in Krankenhäusern), stationäre Krankenhausbehandlungen (voll-, teil- und vorstationäre Behandlungen), Arzneimittel, Heil- und Hilfsmittel, häusliche Krankenpflege und Krankentransport. Für die IG wurden weiterhin die für die Krankenversicherung entstehenden Programmteilnahmekos-ten ermittelt. Hierbei sollten die entstehenden Gesamtleistungskosten sowie die einzelnen Kostenbereiche hinsichtlich möglicher Gruppenunterschiede untersucht werden. Sofern möglich erfolgte eine Ausgabe der Nettokosten (wie Arzneimittelnettokosten unter Berücksichtigung der gesetzlichen Rabatte und der Zuzahlungen der Versicherten exklusive kassenindividueller Rabatte; Rechnungsbetrag im Krankenhaus abzüglich der Zuzahlungen).
Über die Identifizierung von Kostenentwicklungen hinaus sollten einzelne Leistungsbereiche der in Routinedaten abbildbaren Gesundheitsleistungen und Inanspruchnahmen zwischen beiden Gruppen untersucht werden. Hierbei wurde die Anzahl ambulanter Arztfälle, Krankenhausfälle und -aufenthalte, die Anzahl von Arzneimittelverordnungen sowie die Anzahl unterschiedlicher verordneter Wirkstoffe betrachtet.
Statistische Analysen
Vorrangig sollten die oben aufgeführten Outcome-Maße deskriptiv beschrieben und die anfallenden Kosten sowie die Inanspruchnahmen von Gesundheitsleistungen beider Gruppen im Verlauf miteinander verglichen werden. Als Zeiträume wurden hier die 4 Quartale vor dem Index (Vorbeobachtung [VB]) sowie 4 Quartale ab Index (Nachbeobachtung [NB]) definiert. Unterschiede im VB und NB wurden berichtet als Cramer’s V für kategoriale oder Cohen’s d für metrische Variablen. Gruppenunterschiede im Zeitverlauf wurden als Difference-in-Difference (DiD) berichtet, bei der die Prä-Post-Differenzen innerhalb der IG von denen der VG subtrahiert werden. Für die DiD wurden 95%‑Konfidenzintervalle mittels eines Generalized Estimation Equation (GEE)-Modells ermittelt (Liang & Zeger, 1986). Zusätzlich wurden x²-Tests für kategoriale und Student’s t-Tests für metrische Variablen durchgeführt. Für Leistungskosten wurde eine zusätzliche Sensitivitätsanalyse nach Winsorizing durchgeführt, bei der Hochkosten durch das 99. Perzentil der Verteilung ersetzt werden (Blaine, 2018). Die Aufbereitung und Analysen der Daten erfolgten mit R, Version 3.5.0. Das PSM wurde in R mit dem Paket „Matching“ (Version 4.9-3) als 1:1 Greedy-Matching (eine Kontrollperson zu einer Interventionsperson) nach der „Nearest neighbour“-Methode mit einem Caliper von 0,2 der Standardabweichung des logit-transformierten Propensity Scores durchgeführt (Sekhon, 2011). Die in das PSM eingeschlossenen Kovariablen sind in Tabelle S7 aufgeführt.
Ergebnisse
Gruppencharakteristika und Komorbiditäten
Nach Anwendung aller Ein- und Ausschlusskriterien konnten N = 1.430 Personen in der IG und N = 69.552 Personen in der VG als Studienpotential identifiziert werden. Die einzelnen Auswahlschritte sind im Flussdiagramm in Abbildung 2 dargestellt. In der IG wurden die meisten Programmteilnehmenden in das Subprogramm „smart“ eingeordnet (N = 1.180 [84,0%]). Nach erfolgtem PSM mit einem Verhältnis von 1:1 konnten jeweils 1.404 Personen in der IG und VG als finale Studienpopulation identifiziert werden. Die Verteilung von soziodemografischen Kennwerten vor und nach Matching sowie zugehörigen Gruppenvergleichen ist in Tabelle 2 dargestellt. Die Verteilung der Propensity Scores vor und nach Matching ist in Abbildung 3 dargestellt.
Im Durchschnitt weisen beide Gruppen nach PSM gleiche Geschlechts- (50% Frauen) und Altersverteilungen auf (MW = 80,1, SD = 4,72) auf. Nach erfolgtem PSM existieren im Vorbeobachtungszeitraum zwischen IG und VG keine bedeutenden Unterschiede mehr (alle |SMD| < 0,1) und die Gruppen sind mit Ausnahme der Teilnahme am Programm als gleich einzuschätzen. Dies zeigt sich ebenfalls in der Überlappung der Propensity Scores nach Matching in Abbildung 3.
Kosten
Die Ergebnisse der Routinedatenanalyse zum Vor- und Nachbeobachtungszeitraum sind in Tabelle 3 dargestellt. Der Großteil der Leistungskosten im Vorbeobachtungszeitraum entsteht in beiden Gruppen durch stationäre Krankenhausbehandlungen (IG/VG: MW = 1.963/2.026 EUR), ambulante Arztbehandlungen (IG/VG: MW = 1.318/1.228 EUR), Arzneimittelbehandlungen (IG/VG: MW = 1.318/1.228 EUR) und Heil- und Hilfsmittel (IG/VG: MW = 556/521 EUR). In allen Zielparametern bestehen im Vorbeobachtungszeitraum geringe Unterschiede in einzelnen Leistungsbereichen (SMD = ‑0,020 – 0,080). Die Gesamtleistungskosten zwischen der IG (MW = 5.093, SD = 6.196 EUR) und der VG (MW = 4.990, SD = 6.775 EUR) weisen im Vorbeobachtungszeitraum eine geringe Differenz von 173 EUR auf (p = 0,675, SMD = 0,016).
Im Nachbeobachtungszeitraum weist der Großteil der Leistungskostenbereiche ähnliche Ergebnisse auf wie im Vorbeobachtungszeitraum, bis auf stationäre Kosten. Hierbei ist in beiden Gruppen ein Anstieg im Vergleich zum Vorjahr erkennbar. Die Kosten steigen dabei stärker an in der VG (VB/NB: MW = 2.026/3.164 EUR) als in der IG (VB/NB: MW = 1.963/2.544 EUR) mit einer DiD von ‑557 EUR (CI95 = ‑1.285 – 171). Selbige Tendenz zeigt sich auch in den Gesamtkosten (VB/NB: MW = 5.093/6.238 EUR bzw. MW = 4.990/6.618 EUR in der IG bzw. VG; DiD = ‑483, CI95 = ‑1.426 – 461). Auch unter Berücksichtigung der Programmkosten für die GKV in der IG (MW = 117, SD = 58 EUR) zeigt sich ein ähnlicher Trend (DiD = ‑365, CI95 = ‑1.310 – 579). Selbige Trends zeigen sich auch in der Sensitivitätsanalyse mit Winsorizing (Gesamtkosten: DiD = ‑333, CI95 = ‑1.077 – 412; siehe Tabelle S8).
Leistungsinanspruchnahmen
Im Vor- und Nachbeobachtungszeitraum sowie im Zeitverlauf weisen Personen in der IG und VG ähnliche Inanspruchnahmen von Gesundheitsleistungen auf. Die durchschnittliche Anzahl an ambulanten Arztfällen nimmt innerhalb des Beobachtungszeitraumes von MW = 17,99/17,10 (IG/VG) auf MW = 13,44/12,41 (IG/VG) ab (DiD = 0,15, CI95 = ‑1,07 – 1,37). Im stationären Bereich nehmen die durchschnittliche Anzahl an stationären Krankenhausfällen (IG/VG: MW = 0,52/0,54 vs. 0,78/0,76 für VB vs. NB, DiD = 0,03, CI95 = ‑0,09 – 0,14) sowie deren Aufenthaltsdauer hingegen zu (IG/VG: MW = 3,50/3,36 vs. 5,77/5,93 für VB vs. NB, DiD = -0,53, CI95 = ‑1,76 – 0,54). Selbiger Anstieg zeigt sich auch bei Arzneimitteln in der Anzahl an Verordnungen (IG/VG: MW = 13,53/13,16 vs. 14,15/13,47 für VB vs. NB, DiD = 0,31, CI95 = ‑0,49 – 1,10) sowie der Anzahl unterschiedlicher verordneter Wirkstoffe (IG/VG: MW = 8,83/8,67 vs. 9,19/8,99 für VB vs. NB, DiD = 0,05, CI95 = ‑0,46 – 0,56). Der Großteil stationärer Aufenthalte ist bedingt durch vollstationäre Behandlungen (Anzahl vollstationärer Krankenhausfälle: IG/VG: MW = 0,46/0,47 vs. 0,54/0,56 für VB vs. NB, DiD = -0,01, CI95 = ‑0,11 – 0,10; Aufenthaltsdauer vollstationärer Krankenhausfälle: IG/VG: MW = 3,27/3,04 vs. 4,13/4,81 für VB vs. NB, DiD = -0,92, CI95 = ‑1,98 – 0,14).
Diskussion
In Anbetracht demografischer Entwicklungen und einer alternden Bevölkerung in Deutschland und damit einhergehender hoher Gesundheitskosten rückt die Bedeutsamkeit einer Steigerung von Gesundheitsangeboten für Personen mit geriatrischen Einschränkungen zunehmend in den Vordergrund. proGERO stellt ein telemedizinisches Primärpräventionsprogramm dar, das Personen mit geriatrischen Einschränkungen und deren Angehörigen niedrigschwellig Unterstützung in gesundheitlichen Fragen anbietet und zu einer frühzeitigeren Erkennung von behandlungsbedürftigen Komplikationen beitragen kann.
Die Ergebnisse dieser Studie weisen darauf hin, dass durch
proGERO gesundheitsökonomische Einsparungspotenziale im Vergleich zu einer strukturähnlichen Vergleichsgruppe aus einer ähnlichen Versichertenpopulation ohne Programmteilnahme erreicht werden können.
In den Gesamtkosten zeigt sich eine DiD von -365 EUR, die hauptsächlich durch einen geringeren Anstieg der stationären Leistungskosten in der IG im Vergleich zur VG bedingt wird (DiD = ‑557 EUR). Diese Kosteneinsparungen scheinen nicht durch eine Reduktion von stationären Krankenhausfällen (DiD = ‑0,03), sondern durch eine verringerte stationäre Aufenthaltsdauer von ca. 0,61 Tagen zu resultieren. Diese zeigen sich primär bei vollstationären Aufenthalten, die im Verlauf in der IG 0,92 Tage kürzer sind als in der VG. In allen anderen Leistungsbereichen scheinen keine systematischen Unterschiede zwischen den Gruppen zu bestehen, weder im Vor- noch Nachbeobachtungszeitraum oder im Zeitverlauf. Der Rückgang von ca. 5 Arztfällen vom VB zum NB kann sich aufgrund eines technischen Rückganges und der Einforderung von definierten ärztlichen Leistungen im VB erklären lassen.
Die ermittelten Effekte auf eine Verkürzung stationärer Aufenthalte und eine sich dadurch ergebende Kostenreduktion sind jedoch mit Vorsicht zu interpretieren. proGERO zielt als telemedizinisches Primärpräventionsprogramm auf eine niedrigschwellige Beratung und Begleitung zur frühzeitigen Erkennung und Vorbeugung von geriatrischen Folgeschäden ab.
Mit 84% im Subprogramm „smart“ besteht der Großteil der Programmteilnehmenden aus Personen ohne schwerwiegende Einschränkungen. Kausale Zusammenhänge zwischen einer Programmteilnahme und spezifischen Kostenreduktionen sind aufgrund des Studiencharakters nicht eindeutig zu ziehen und die Konfidenzintervalle der DiDs überschneiden in jeder Variable 0. Darüber hinaus wurden in dieser Studie die Einflüsse weiterführender relevanter Aspekte wie die Familien- und Wohnsituation, erfahrene Unterstützung und der Zeitaufwand durch Angehörige, allgemeiner physischer und psychischer Gesundheitszustand und chronische Vorerkrankungen nicht berücksichtigt.
Limitationen
Für diese Studie müssen einige Limitationen in Betracht gezogen werden. Erstens erlauben das gewählte Studiendesign und eine retrospektive Analyse von Routinedaten keine Kausalschlüsse. Hierbei bleibt ungeklärt, inwieweit die Programmteilnahme an proGERO ursächlichen Einfluss auf einzelne Leistungsbereiche gehabt hat. Diesen Umständen wurde durch die Identifizierung einer Vergleichsgruppe mit Anwendung eines PSM unter Einbeziehung verschiedener Kontrollvariablen Berücksichtigung geschenkt, sodass für beide Gruppen Strukturähnlichkeit angenommen werden kann.
Zweitens wies die Teilnehmendenerfassung und ‑dokumentation in der IG Lücken auf, sodass ca. 25% der eingeschriebenen Programmteilnehmenden aufgrund der angewandten Ein- und Ausschlusskriterien von dieser Studie ausgeschlossen werden mussten. Drittens sind in den betrachteten Routinedaten nicht alle relevanten Leistungen und Kosten enthalten. Nicht betrachtet werden konnten hierbei Selbstzahlungen, nicht erstattungsfähige Leistungen, Pflegezeiten der Angehörigen, ambulanter Pflegebedarf und nicht verschreibungspflichtige Medikamente. Nichtsdestotrotz stellen die betrachteten Leistungsinanspruchnahmen und -kosten einen relevanten Aspekt möglicher Effekte von proGERO dar.
Ausblick
Die Programmkosten für die GKV von proGERO belaufen sich innerhalb eines Jahres im Durchschnitt auf 117 EUR pro Person. Bei einer DiD von ‑365 EUR in den Gesamtkosten und ‑557 EUR in stationären Leistungskosten scheinen durch das telemedizinische Primärpräventionsprogramm gesundheitsökonomische Einsparungspotenziale durch eine Verringerung der Länge stationärer Behandlungen bei gleichzeitiger Kosteneffizienz zu bestehen. Für eine weitreichendere Beurteilung der klinischen Effekte und kausaler Zusammenhänge von Programmteilnahme zu Einsparungspotenzialen sind jedoch weitere Studien nötig. <<