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Die Krankenkasse als Lotse im Dschungel des Gesundheitssystems - das wünschen sich viele Versicherte. Das Internet und vor allem die Web-2.0-Technik scheinen dafür die perfekte Grundlage zu bieten. Neue Kontakte gewinnen, aufklären, informieren - alles online. Unternehmen haben diesen Kanal längst in ihren Geschäftsalltag eingebunden, Krankenkassen sind offenbar noch lange nicht so weit - so das Fazit der aktuellen Studie von TCP und Nielsen „Service-Check von Online-Dienstleistungen in der GKV“. Vor allem am Online-Dialog hapert es - sowohl über E-Mail als auch über die Formulare der Websites. 90 Prozent der Kassen halten Social Media immer noch für „kommunikatives Neuland“, nur Wenige wagen sich auf dieses Terrain. Insgesamt sei es in den letzten drei Jahren nur drei Kassen gelungen, sich kontinuierlich im Spitzenfeld der TOP 10 beim „Service Check“ zu platzieren: BIG, Barmer GEK und mhplus BKK. Die Studie, die neuerdings als Handbuch aufgelegt ist, könnte den Krankenkassen eine nützliche Stütze sein, um die richtige Richtung im „Mitmachweb“ einzuschlagen und ihren Online-Service zu verbessern. Untersucht wurden die Dienstleistungen von 50 gesetzlichen Krankenkassen aus der Sicht von Kunden, Patienten und Interessenten. Für die fünfte Auflage des „Service-Check“ wurden Ansatz und Methode erneuert: Unter anderem rückte die Kategorie der Dialogfähigkeit stark in den Fokus. Neue Schwerpunkte wie etwa „Social Media“ kamen zum ersten Mal dazu.
>> Die schlechte Nachricht zuerst: Insgesamt hat sich die Qualität der Online-Services der GKV im Vergleich zum Vorjahr um sechs Prozent verschlechtert. Einzig die IKKn haben es geschafft, seit 2008 kontinierlich ihren Service zu verbessern. „Sie sind zwar da - tun aber zu wenig“ - so könnte man anhand der Studien-Ergebnisse pauschal die Online-Aktivität der Krankenkassen zusammenfassen. Zwar haben alle Kassen eine Website und bieten Möglichkeiten, Kontakt zu ihren Mitarbeitern aufzunehmen. Der erwartete Dialog findet jedoch in zu vielen Fällen nicht statt.
E-Mail - ein Problem
Im Rahmen der Studie wurden 2.500 Test-E-Mail-Anfragen verschickt, eine Antwort bekamen aber lediglich zwei Drittel der Absender (68 %), knapp ein Drittel ging leer aus. Gleichzeitig sollte fairerweise festgehalten werden, dass sich das E-Mail-Antwortverhalten insgesamt im Vergleich zu den Vorjahren leicht verbessert hat. 2010 erhielten immerhin drei Prozent mehr Absender eine persönliche E-Mail-Antwort als vor zwei Jahren; sechs Prozent mehr eine Standard-E-Mail; zwei Prozent weniger eine reine Empfangsbestätigung und - immerhin - sank die Zahl derjenigen, die gar keine Antwort bekamen, von 40 auf 32 Prozent. Nichtsdestotrotz, so die Autoren der Studie, sei das verlorene Neukundenpotenzial der Krankenkassen mit 38 Prozent (die sich aus den Kategorien „keine Antwort“ oder „reine Empfangsbestätigung erhalten“ zusammensetzen) recht hoch.
Demnach wendet sich fast die Hälfte der „an einem Kassenwechsel ernsthaft interessierten Neukunden infolge eines misslungenen Erstkontakts enttäuscht an eine Wettbewerbskasse“. Die Gesamtlage in puncto E-Mail-Anfragen stufen TCP und Nielsen deshalb weiterhin als „unverändert unbefriedigend“ ein.
Abgesehen von dem Dialog mit dem „schwarzen Loch“ - einem absoluten No-Go in der Kunden-Kommunikation - könnte außerdem manch ein Verbraucher schon beim Schreiben der Anfrage selbst verzweifeln, wie die Studie zeigt. Denn viele E-Mail-Formulare würden durch zahlreiche Pflichtfelder den Eindruck „unnötiger Datensammlungen“ erwecken. 12 Prozent der Kassen ermöglichten außerdem eine Kontaktaufnahme nur nach Angabe der eigenen Telefonnummer.
Lässt sich der Mangel an Dialogfähigkeit vielleicht noch mit der fehlenden Erfahrung der Mitarbeiter mit „Web-2.0-Kunden“ oder „Digital Natives“ erklären, ist für den eigentlichen „Hammer“ der Studie nur schwer eine Rechtfertigung zu finden. Zwar wünschen sich 93 Prozent der GKV-Versicherten von ihrer Krankenkasse „regelmäßige Informationen zu neuen innovativen Versorgungsformen“, doch nur 22 Prozent der Kassen decken diesen Bedarf ab. Zudem würden wichtige Infos zu Leistungen in Scrollmenüs der Websites versteckt, so dass Versicherte zu mühsamen Eigenrecherchen gezwungen würden. Überhaupt hat sich die Navigationsstruktur der meisten Kassen-Websites als unübersichtlich und benutzerunfreundlich herausgestellt.
Doch nach all den schlechten Neuigkeiten gibt es auch einen Positiv-Trend. Die Hotline-Erreichbarkeit der Kassen hat sich im Vergleich zu 2009 leicht verbessert. Rund 40 Prozent der Versicherer würden mittlerweile 24-Stunden-Hotlines anbieten - vier Prozent mehr als im Jahr 2008. Die Zahl der gebührenfreien Hotlines ist außerdem von 26 Prozent in 2008 auf 42 Prozent in 2010 gestiegen.
Hotlines - etwas besser
Eine positive Entwicklung deutet sich auch in der Kategorie „Problemlösungskompetenz“ an. Zwar haben sich die Zahlen gegenüber 2009 leicht verschlechtert. Der Vergleich mit 2008 - und damit der Gesamttrend - zeigt jedoch, dass die Probleme der Kunden nun etwas besser gelöst werden. 34 Prozent der Befragten gaben an, einen passenden Lösungsvorschlag erhalten zu haben - sieben Prozent mehr als noch vor zwei Jahren. Auch ging die Zahl derjenigen zurück, die beklagten, auf ihr Problem sei nicht eingegangen worden. 2008 waren es noch 41 Prozent, 2010 verringerte sich ihre Zahl auf 26 Prozent.
Zu wenig Information von Kassen
Im Hinblick auf die Online-Netzwerkbildung gibt es allerdings noch Handlungsbedarf. Nielsen und TCP fanden heraus, dass rund 60 Prozent der Versicherten sich mehr Kooperation der Krankenkassen mit Ärzten, Krankenhäusern, Reha-Einrichtungen und Heilberufen wünschen. Lediglich sechs Prozent der Kassen nutzten aber den Online-Kanal geschickt, um ihr Vertrags- und Kooperationsnetzwerk im Kundendialog als Kompetenzvorteil gegenüber Wettbewerbskassen herauszustellen. Nur eine „Handvoll Kassen“ habe es also bislang geschafft, „den Online-Kanal so systematisch zu erschließen, dass an allen Kontaktpunkten ein gleichbleibend hohes Qualitätsniveau im Dialog mit den Versicherten erreicht wird“ - so die Schlussfolgerung der Verfasser. So negativ die Ergebnisse der Studie auch zu sein scheinen, einen positiven Aspekt gibt es dennoch: Immerhin haben es in den letzten Jahren auch die kleineren Kassen geschafft, Anschluss an den Wettbewerb zu finden, so die Autoren der Studie. <<
von: Olga Gnedina