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Informationsbedürfnis von Krebspatienten

Jedes Jahr sterben in Europa mehr als 1.2 Millionen Menschen an Krebs. Das bedeutet, dass auch in diesem Jahr eine Stadt in der Größe von München, Prag oder Brüssel dem Krebs erliegt. Aufgrund der Geriatrisierung unserer Bevölkerung werden wir die Anzahl der Krebspatienten innerhalb der nächsten 20 Jahre verdoppeln. Wir können somit davon ausgehen, dass 30% der Menschen in Europa im Laufe ihres Lebens an Krebs erkranken. Obwohl die Onkologen seit über 50 Jahren Chemotherapien applizieren, hat man sich bisher nur ansatzweise die Frage gestellt, was die Indikationsstellung Krebs für die Patienten bedeutet, obwohl auch im Jahre 2009 ungefähr die Hälfte aller Erkrankten ihrem Leiden erliegen werden. Aus diesem Grunde hat sich das Health Care Competence Center (HC3) in Zürich im Zusammenspiel mit der European Health Care Foundation Zürich (EUHCF) der Fragestellung „Informationsverhalten von Krebspatienten“ angenommen.

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Erstveröffentlichungsdatum: 01.08.2009

Abstrakt: Informationsbedürfnis von Krebspatienten

Jedes Jahr sterben in Europa mehr als 1.2 Millionen Menschen an Krebs. Das bedeutet, dass auch in diesem Jahr eine Stadt in der Größe von München, Prag oder Brüssel dem Krebs erliegt. Aufgrund der Geriatrisierung unserer Bevölkerung werden wir die Anzahl der Krebspatienten innerhalb der nächsten 20 Jahre verdoppeln. Wir können somit davon ausgehen, dass 30% der Menschen in Europa im Laufe ihres Lebens an Krebs erkranken. Obwohl die Onkologen seit über 50 Jahren Chemotherapien applizieren, hat man sich bisher nur ansatzweise die Frage gestellt, was die Indikationsstellung Krebs für die Patienten bedeutet, obwohl auch im Jahre 2009 ungefähr die Hälfte aller Erkrankten ihrem Leiden erliegen werden. Aus diesem Grunde hat sich das Health Care Competence Center (HC3) in Zürich im Zusammenspiel mit der European Health Care Foundation Zürich (EUHCF) der Fragestellung „Informationsverhalten von Krebspatienten“ angenommen.

Abstract: Information behaviour among cancer patients

Every year in Europe more than 1.2 million people die of cancer. This means that this year a city the size of Munich, Prague or Brussel will be wiped out by this desease. Due to the geriatrisation of our population, the number of cancer patients will double within the next 20 years. Although oncologists have been applying chemotherapy for more than 50 years, up to now very little thought has been given to the question as to what cancer actually means for the patient even though in the year 2009 approximately 40% of all those suffering from cancer will die of this disease. This was the reason why the Health Care Competence Center (HC3) is now addressing this matter in co-operation with the European Health Care Foundation Zurich (EUHCF).

Literatur

Harms F, Gänshirt D. (2006) Direkte Patientenkommunikation als Herausforderung für die Pharmaindustrie, pharmind, 6: 673-677 Harms F, Gänshirt D, Mahl D. (2007) Direkte Patienteninformation, PMJ 03: 93-98 Harms F. (2007) Ärzte bleiben die Entscheider, Pharma Relations 07: 38-39 Harms F, Gänshirt D, Mahl D. (2007) Arzneimittelinformation „Direct-to-Patient“ zur Verbesserung der Compliance für mehr Effizienz im Gesundheitssystem, pharmind 12: 1385-1389 Harms F. (2007) Patientenkommunikation in der Apotheke, MVDA Puls, Ausgabe Herbst: 26-29 Gänshirt D, Harms F. (2008) Compliance Management, Versorgungsforschung 2: 44-47 Harms F, Gänshirt D. (2008) Direkte Patienteninformation: Status Quo 2008, Versorgungsforschung 3: 34-38 Gänshirt D, Harms F. (2008) Direkte Patienteninformationen können die Effizienz des Gesundheitswesens verbessern, Pharma Relations 3: 38-39 Gänshirt D, Harms F. (2008) Ist der informierte Patient der bessere Patient? PM-Report 2: 27-30 Harms F, Gänshirt D. (2009) Cope Study - Communication between Patients and the Pharmaceutical Industry and Media; A Concept tailored to the Desires of Patients in Europe (Report EUHCF) Harms F, Gänshirt D. (eds.) (2005) Gesundheitsmarketing – Patientenempowerment als Kernkompetenz, Lucius&Lucius Verlag Stuttgart, ISBN 3-8282-0317-5 Harms F, Gänshirt D, Rumler R. (2008) Pharmamarketing; Gesundheitsökonomische Aspekte einer innovativen Industrie am Beispiel Deutschland, Österreich und Schweiz, Lucius&Lucius Verlag, Verlag Stuttgart, ISBN 3-82820-429-5

Zusätzliches

Plain-Text

Informationsbedürfnis von Krebspatienten

Waren bisher die Ärzte und Apotheker die Entscheidungsträger für den Einsatz einer bestimmten Intervention, nimmt der Druck der Patienten kontinuierlich zu. Gerade bei chronischen Erkrankungen treten sie nicht mehr als Individualpatient, sondern als Teil gut informierter und organisierter Gemeinschaften auf. Diese national und international agierenden Patienten-Institutionen greifen dabei in immer stärkerem Maße aktiv in den Meinungsbildungsprozess ein. Der Patient verlässt seine passive Rolle, d.h. er ist nicht mehr nur Konsument einer Verordnung.
Diese Entwicklung verstärkt sich zunehmend durch die Alterung unserer Bevölkerung. Waren im Jahre 1950 nicht einmal 10 % der bundesdeutschen Bevölkerung älter als 65 Jahre, so sind im Jahre 2025 fast 25 % der Menschen in West-Europa über 65 Jahre alt. Nach diesen Zahlen wird die Altersstruktur West-Europas in 25 Jahren ähnlich sein, wie die derzeit in Florida, von den Amerikanern liebevoll „Gods Waiting Room“ genannt.

>> Nach Berechnungen verschiedener Bevölkerungsforscher wird die Zahl der fast 70-Jährigen von 606 Millionen im Jahr 2000 auf ca. 2 Milliarden im Jahre 2050 ansteigen. Damit wächst diese Altersgruppe deutlich schneller als die Weltbevölkerung, die sich im gleichen Zeitraum lediglich verdoppelt. Alleine die Anzahl derer, die älter als 85 Jahre sind, wird sich bis dahin von derzeit 26 Millionen auf 175 Millionen versechsfachen. Die Anzahl der über 100-Jährigen wird sich von 135.000 auf 2,2 Millionen verzwanzigfachen. In China werden im Jahre 2050 so viele über 65-Jährige leben wie zurzeit auf der ganzen Welt.
Ab dem Jahre 2010 geht die Baby-Boomer-Generation in den Ruhestand. Da sich die Lebenserwartung in der westlichen Welt jedes Jahr um 2-3 Monate verlängert, ist davon auszugehen, dass der größte Teil dieser Frauen älter als 85 Jahre werden. Leider werden diese Menschen nicht nur älter, sondern auch kränker. Daher verdoppeln sich innerhalb der nächsten 20 Jahre die Anzahl der Krebspatienten, verdreifachen sich die Insulinpflichtigen Diabetiker und vervierfachen sich wahrscheinlich die Aufwendungen für Patienten mit neuro-degenerativen Leiden bzw. verfünffachen sich die Anzahl der zu pflegenden Menschen.
Wenn man bedenkt, dass bereits zu Beginn dieses Jahrhunderts jedes Jahr eine Stadt in der Größe von München, Prag oder Brüssel in Europa an Krebs verstirbt und dabei geschätzte Kosten in Höhe von ca. 120 Mrd. Euro pro Jahr innerhalb der Staatengemeinschaft der Europäischen Union entstehen, bekommt man ein Gefühl für die Herausforderungen der Zukunft.
In der modernen Vorstellung ist der Patient aktiver Mitgestalter seiner Gesundheit. Der Paradigmenwechsel vom akzeptierenden zum mitbestimmenden Patienten führt zu einer Neubestimmung der Beziehungen und Verhaltensweisen im Gesundheitswesen. Da der Arzt durch seine medizinische Kompetenz und seinem Informationsvorsprung die Nachfrage nach medizinischen Leistungen und Produkten maßgeblich steuert, besitzen Patienten von vornherein eine eingeschränkte Souveränität. Politik und Krankenkassen erhoffen sich daher von dem kritischen, mitbestimmenden Patienten eine Einflussnahme auf das bisher von den Leistungserbringern gesteuerte System.
Wir können davon ausgehen, dass circa 30 Prozent der Menschen in Europa im Laufe ihres Lebens an Krebs erkranken. Obwohl die Onkologen seit über 50 Jahren Chemotherapien applizieren, hat man sich bisher nur ansatzweise die Frage gestellt, was die Indikationsstellung Krebs für die Patienten bedeutet, obwohl auch im Jahre 2009 fast 40 % aller Erkrankten ihrem Leiden erliegen werden. Aus diesem Grunde hat sich das Health Care Competence Center (HC3) in Zusammenarbeit mit der European Health Care Foundation Zürich (EUHCF) dieser Fragestellung anhand zweier Studien (Cope1- und IBCP-Study) angenommen.
Cope 1: Communication between Patients
and the Health Care Industry
Wir befragten 780 Patienten in Deutschland, die an Diabetes (50 %), Herzkreislauferkrankungen (30 %) und Krebs (20 %) litten. Was die beiden Aspekte Vertrauen und erfahrene Unterstützung betrifft, haben Patienten die stärkste Bindung an ihre Ärzte. Das ihnen entgegengebrachte Vertrauen und die durch sie empfangene Unterstützung sind ausgesprochen hoch. Besonders gut schneiden hier die spezialisierten Fachärzte ab, die eine beinahe 100%ige Zustimmung ihrer Patienten erhielten. Die übrigen Dienstleister wurden von den Patienten wesentlich schlechter eingestuft. Lediglich die Hälfte der Teilnehmer sprach den Apothekern ihr Vertrauen aus. Pharmazeutische Unternehmen und die Politik bilden bei den Themen Vertrauen und Unterstützung das Schlusslicht; nur 11 % der Patienten beurteilten die Medikamentenhersteller und 1 % die Politik als vertrauenswürdig.
Neben dem Arzt ist der chronisch kranke Patient selbst die Person, die den größten Einfluss auf den Behandlungserfolg hat. Ein Teil der Patienten hat dies bereits erkannt und infolgedessen möchten circa 90 % der Patienten einen ebenso großen Einfluss auf therapeutische Entscheidungen haben wie ihr Arzt. Patientenempowerment ist theoretisch für die meisten Patienten akzeptiert und gewünscht – obwohl es häufig in der Arzt-Patientenbeziehung noch nicht wirklich praktisch umgesetzt ist. Ärzte sind somit aufgefordert ihren Patienten auf gleicher Augenhöhe zu begegnen. Sie müssen erkennen, dass eine hierarchische Arzt-Patienten-Beziehung einem Therapieerfolg im Wege steht, da eine derartige Beziehung in keiner Weise das Selbstmanagementverhalten des chronisch kranken Patienten unterstürtzt. Für 91 % der chronischen Patienten ist es wichtig (31 %) oder sogar sehr wichtig (60 %) genauso viele Informationen zu bekommen wie ihr Arzt oder Apotheker. Fast 100 % der Patienten geben an, dass die Informationen, die sie hierzu erhalten, richtig, ausgewogen, verständlich und hilfreich sein sollten; ebenso sollen diese Informationen durch eine unabhängige Organisation kontrolliert werden.
Spezialfall Onkologie: IBCP-Study
Durchführung: Die Fragebögen wurden unter der Leitung von Prof. Dr. Dr. Fred Harms (HC3) in Zusammenarbeit mit Frau Prof. Dr. Dorothee Gänshirt (EUHCF) ausgearbeitet und an die Patienten verschickt. Somit wurden innerhalb von 15 Monaten mehrere hundert Patienten mit soliden Karzinomen mit den Schwerpunkten Brust- und Darmkrebs in die Untersuchung eingebracht. Von diesen Patienten sind bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt 680 ausgewertet. 85 % der Patienten waren an Brust- bzw. Darmkrebs erkrankt. Das Duchschnittsalter der Patienten lag bei 63 Jahren.
Auf Grund der Untersuchung lassen sich Kommunikationskonzepte für Krebs-Patienten aus der Sicht chronisch kranker Menschen erarbeiten. Von Interesse sind daher folgende Fragen: 1. Wo informieren sich Patienten mit einem Krebsleiden? 2. Wie wird die subjektive Wertigkeit der Informationen von Seiten der Patienten empfunden?
Ein besonderer Fokus lag dabei auf folgenden Bereichen (alphabetisch):
• Apotheke
• Arzneimittelhersteller
• Arzt (Facharzt (Onkologe) versus Hausarzt)
• Familie
• Internet
• Klassische Medien (Zeitschriften und Bücher).

Die Informationen wurde von den Patienten nach folgenden Parameter bewertet:
• Parameter 1: umfassend
• Parameter 2: verständlich
• Parameter 3: inhaltlich hochwertig
• Parameter 4: hat bei der Krankheitsbewältigung geholfen

Darstellung der Zufriedenheit mit der Information anhand der Parameter 1 bis 4:
• Wer hat mich als Krebspatient umfassend informiert?

Wenn es um die umfassende Information geht, dann sind aus der Sicht der Krebspatienten vor allem die Onkologen meinungsbildend. Diese Meinung vertreten 63,5 % der befragten Patienten. Im Gegensatz dazu ist der Hausarzt im Verhältnis zum Facharzt „relativ“ unbedeutend. Im Vergleich zum Hämato-Onkologen waren nicht einmal 40 % der Patienten der Meinung, dass diese Ärzte für den Krebspatienten relevante bzw. umfassende Informationen zur Verfügung stellen. Genau so „unwichtig“ wie der Hausarzt ist aus der Sicht der Tumorpatienten die Apotheke. Nur 34,5 % der Patienten sind der Meinung, in der Apotheke zu diesem Thema umfassend informiert zu werden. Nur die pharmazeutische Industrie ist aus der Sicht der Krebspatienten noch unbedeutender. In Bezug auf die Arzneimittelhersteller glaubten nur 24,2 % der Patienten umfassend informiert zu sein. Wenn es um eine entsprechende Informationsvermittlung geht, dann haben die Informationen aus der Industrie aus der Sicht der Patienten den gleichen Stellenwert wie die von Freunden, Bekannten und Familie (24,3 %). Interessant ist allerdings, dass laut Aussage der Patienten die Informationen von Seiten der onkologischen Selbsthilfegruppen von 47,4 % der Patienten als umfassend angesehen werden. Besonders interessant ist der Sachverhalt, dass 58,3 % der Patienten das Internet als entsprechende Informationsquelle erachten. Vor allem die klassischen Printmedien sind aus der subjektiven Sicht der Krebspatienten von besonderem Interesse. Genau wie bei den Hämato-Onkologen waren 63,5 % der Krebspatienten der Meinung, dass vor allem Bücher und Zeitschriften eine umfassende Information zur Verfügung stellen.
Wer hat sich für mich als Krebspatient
verständlich ausgedrückt?
Wenn es darum geht, wer hat sich klar und verständlich ausgedrückt, oder auf den Punkt gebracht „Wer spricht die Sprache der Patienten“ dann sind die Onkologen mit 72,8 % die „Kommunikationsprofis“. Auch die Hausärzte schneiden gut ab. Immerhin vertreten 58,7 % der Patienten die Meinung, dass die Hausärzte sich bei dieser schwierigen systemischen Erkrankung verständlich ausdrücken. Auch die Apotheke ist aus der Sicht der Krebspatienten ein verständlicher Ansprechpartner. Immerhin sind fast die Hälfte der Patienten (46,9 %) der Meinung, dass das Apothekenpersonal in der Lage ist, den Patienten eine Unterstützung zu geben, die auch verstanden wird. Auch das Internet ist aus der subjektiven Sicht der Patienten in der Lage, diesen Menschen, ähnlich wie die Apotheke, verständliche Informationen zur Verfügung zu stellen. Immerhin waren 43,2 % der Patienten mit der „Sprache“ dieses Medium zufrieden. Im Gegensatz dazu wurden sowohl Freunde, Bekannte als auch Familie (36,1 %) bzw. die pharmazeutische Industrie (35,0 %) als eher unverständlich eingestuft. Vor allem die klassischen Printmedien werden von 59,9 % der Patienten in ihrer Sprache als klar und verständlich angesehen. Aus der Sicht der Patienten sprechen diese Medien somit genauso gut die „Sprache der Patienten“ wie die Hausärzte. Von besonderem Interesse sind allerdings die Selbsthilfegruppen. 62 % der Patienten waren der Meinung, dass vor allem die Menschen innerhalb der Selbsthilfe, die sehr häufig selbst an einem Tumorgeschehen leiden, wissen, was ein Patient versteht. Somit sind die onkologischen Selbsthilfegruppen aus der Sicht der Patienten in ihrer Verständlichkeit bei der Darstellung dieser komplexen Erkrankung fast genauso gut geschult, wie die Onkologen (Abb. 1).
Wer stellt mir als Krebspatient hochwertige
Informationen zur Verfügung?
Was nicht verwundert, so ist vor allem bei der Weitergabe hochwertiger Informationen (Bsp.: Was mache ich als Patient bei einem progredienten Tumorgeschehen?) der Onkologe der meinungsbildende Multiplikator. Daher waren 70,1 % der Krebspatienten der Meinung, die Antworten auf eine entsprechende Frage vor allem beim Facharzt stellen zu können. Aber auch der Hausarzt (53,5 %) bzw. der Apotheker (46,9 %) sind aus der Sicht der Patienten in der Lage entsprechende Informationen zur Verfügung zu stellen. Auch das Internet (46,0 %) wird ähnlich hoch bewertet wie beispielsweise die Apotheke. Wiederum besitzen die pharmazeutische Industrie (38,3 %) bzw. Freunde, Bekannte und Familie (27,4 %) die geringste Relevanz. Interessant ist, dass aus der Sicht der Krebspatienten die Selbsthilfegruppen (52,2 %) im Hinblick auf die Generierung hochwertiger medizinischer Informationen genauso wichtig sind, wie beispielsweise die Hausärzte. Als wesentlich relevanter werden aus der Sicht der Krebspatienten wiederum die klassischen Printmedien eingeschätzt. Ähnlich wie bei den Onkologen waren 66,7 % der Patienten der Meinung, dass Bücher und Zeitschriften hochwertige Informationen zur Verfügung stellen. Sie sind nicht nur in der Lage die Menschen zur Darmspiegelung aufzurufen, sondern sie leisten aktive Lebenshilfe. Sie informieren dezidiert über entsprechende Erkrankungen, zeigen Alternativen auf und informieren über neue Forschungsergebnisse (Abb. 2).
Wer hat mir als Krebspatient bei der
Krankheitsbewältigung geholfen?
Im Hinblick auf die Zufriedenheit mit den von den verschiedenen Institutionen zur Verfügung gestellten Informationen zeigen sich aus der Sicht der Krebspatienten große Unterschiede. Vor allem die Onkologen sind für die Tumorpatienten der wichtigste Informationsmultiplikator. Egal ob es darum geht, ob die Informationen umfassend sind, klar und verständlich, inhaltlich richtig und hochwertig, so waren 61,3 % der Patienten der Meinung, dass die Informationen der Hämato-Onkologen bei der Krankheitsbewältigung geholfen haben. Im Vergleich dazu waren nur 47% der Krebspatienten der Meinung, dass die von Seiten der Hausärzte zur Verfügung gestellten Informationen eine Relevanz in Bezug auf die Krankheitsbewältigung haben (Abb. 3).
Obwohl 70 % der Krebspatienten das Internet direkt oder indirekt, z.B. unter Zuhilfenahme von jüngeren Familienmitgliedern nutzen, war ähnlich wie bei den Hausärzten die Zufriedenheit mit den zur Verfügung gestellten Informationen überschaubar. Nicht einmal die Hälfte der befragten Patienten (45,4 %) vertrat die Ansicht, dass das Internet einen relevanten Beitrag zur Krankheitsbewältigung leistet. Noch schlechter als das Internet hat bei dieser Befragung nur die Apotheke (39,7 %) bzw. die pharmazeutische Industrie (31,2 %) abgeschlossen (Abb. 3).
Neben den Onkologen waren auch die Familie bzw. Freunde und Bekannte (55,9 %) und vor allem Selbsthilfegruppen (62,6) von entscheidender Bedeutung. Was allerdings vor allem ins Auge fällt, ist die subjektive Wahrnehmung der Krebspatienten im Hinblick auf die klassischen Medien. Vor allem Bücher bzw. Zeitschriften sind aus der Sicht der Patienten von hohem Interesse. Immerhin waren 67,2 % der Patienten der Meinung, dass diese Printmedien einen relevanten Beitrag zur Bewältigung dieser Erkrankung geleistet haben (Abb. 4-5).
Zusammenfassung: Die generelle Zufriedenheit mit der
Information ist mehr als ausbaufähig
Für den Patienten mit einem Tumorleiden ist der Hämato-Onkologe in allen Bereichen der wichtigste Ansprechpartner. Somit sollte jeder Patient die Möglichkeit besitzen, sich regelmäßig mit einem Onkologen austauschen zu können, egal ob dieser Facharzt innerhalb einer Klinik arbeitet, oder in einer der zahlreichen onkologischen Schwerpunktpraxen praktiziert. Somit waren innerhalb dieser Untersuchung 67,1 % der Patienten mit der Arbeit dieser Ärzte zufrieden. Vor allem, wenn man bedenkt, was diese Indikationsstellung für den einzelnen Menschen bzw. deren Familien bedeutet, ist diese hohe Zahl an „zufriedenen“ Patienten sehr beeindruckend und spricht für die hohe medizinische bzw. menschliche Qualität dieser Ärzte.
Aber auch die Hausärzte (48,7 %) bzw. die Apotheken (42,1 %) sind in der Lage einen relevanten Beitrag für die Hälfte der Patienten mit dieser schwerwiegenden, häufig systemischen Erkrankung zu leisten. Interessant ist dabei allerdings, dass aus der Sicht der Patienten das Internet (44,6 %) mindestens genauso wichtig oder fast so wichtig ist, wie die Arbeit der Apotheker bzw. Ärzte. D.b. im positiven Sinne, dass sich die Nutzung des Internets bei den Patienten mit einer Tumorerkrankung gut etabliert hat. Im negativen Sinne heißt das allerdings auch, dass Ärzte und Apotheker einen genauso überschaubaren Einfluss auf die Patienten nehmen können, wie eine herkömmliche Suchmaschine bei google.
Was nicht wirklich beeindruckt ist, dass obwohl die Patienten mit einer Tumorerkrankung die Informationen, die ihnen von Seiten der Freunde, Bekannten und vor allem der Familie zur Verfügung gestellt werden als nicht hochwertig erachten, der Einfluss dieser Menschen auf den Patienten und möglicherweise sogar auch auf den Verlauf der Erkrankung von unschätzbarem Wert sind. Es stimmt somit ansatzweise positiv, dass sich 42,8 % der Patienten zufrieden über ihr primäres soziales Umfeld äußern und dieses einen genauso wichtigen Beitrag leistet, wie beispielsweise die Apotheke bzw. der Hausarzt.
Obwohl Millionen in entsprechende Kampagnen wie „Forschung ist die beste Medizin“ fließen, äußern sich im Verhältnis nur wenige Tumorpatienten (25,1 %) zufrieden über die Informationen von Seiten der pharmazeutischen Industrie. Dieses liegt natürlich zum einen in dem Werbeverbot für verschreibungspflichtige Arzneimittel begründet, erklärt aber nur zum Teil die relativ ablehnende Haltung der Patienten. Dieser Sachverhalt wirkt in dem Sinne ansatzweise paradox, weil diese Industrie nicht nur in dem Bereich der soliden Karzinome, sondern auch bei den hämatologischen Erkrankungen zum Teil innovative, d.h. medizinisch relevante Therapieoptionen entwickeln konnte.
Im Gegensatz dazu sind die relevanten Selbsthilfegruppen bei der Bewältigung dieser Erkrankung nicht mehr wegzudenken. 59,8 % der Patienten sind mit der Arbeit dieser Gruppen zufrieden. Somit ist aus der Sicht der Patienten – wenigstens für den Spezialfall der Onkologie - die Arbeit der Selbsthilfe wichtiger als beispielsweise die Unterstützung durch die Hausärzte.
Obwohl bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt erst 680 Patienten ausgewertet werden konnten, nicht alle Institutionen des Gesundheitswesens wie z.B. die Krankenkassen oder die Gesundheitspolitik Teil dieser Studie sind, zeigt sich, dass die wirklichen „Gewinner“ dieser Untersuchung die Medien mit ihren Printprodukten sind. 63,8 % der Krebspatienten sind zufrieden mit der Arbeit entsprechender Verlagshäuser. Im Hinblick auf die Krankheitsbewältigung ist somit die Arbeit von Axel Springer, Burda, Gruner + Jahr etc. somit fast genauso wichtig, wie die Arbeit der Onkologen. D.b. im positiven Sinne, dass sich hier eine Institution „am Markt“ etabliert hat, die aus der subjektiven Wahrnehmung der Patienten heraus aktive Lebenshilfe leistet. Im negativen Sinne bedeutet es allerdings für die Hausärzte bzw. Apotheker, dass Institutionen, die im herkömmlichen Sinne nur „bedingt“ eine medizinische bzw. pharmazeutische Qualifikation aufweisen, die klassischen Multiplikatoren „rechts“ überholen, ohne dass Ärzte und Apotheker es bemerken. Somit stellt sich für alle Gesundheitsdienstleister zunehmend die Frage: Was können wir von den Selbsthilfegruppen in der Onkologie und vor allem von den klassischen Print-Medien lernen? Immerhin scheinen diese beiden Institutionen neben den Hämato-Onkologen die Sprache der Krebspatienten am besten zu sprechen. In Anlehnung an die Kompetenz der Selbsthilfe und der Medien wäre es wünschenswert, wenn vor allem die Hausärzte und Apotheker mehr Zeit und Liebesmühe bzw. Empathie in die Betreuung dieser Patienten in der hausärztlichen Praxis bzw. der Offizin aufbringen. Immerhin ist jeder Dritte innerhalb unserer Gesellschaft ein angehender Krebspatient (Abb. 6).
Angesichts dieser Erkenntnisse ist der Aktionspunkt im eben vorgelegten nationalen Krebsplan goldrichtig, der besagt, dass die an der onkologischen Versorgung beteiligten Berufsgruppen den Patienten die Diagnose, Therapie und Behandlung verständlich erklären und sie stärker in Behandlungsentscheidungen einbinden sollen. Damit wurde im Krebsplan endlich festgeschrieben, dass an Krebs erkrankte Menschen - und ebenso ihre Angehörigen - auf verständliche und seriöse Informations-, Beratungs- und Hilfsangebote angewiesen sind. Darum soll durch die am Nationalen Krebsplan beteiligten Partner eine internetbasierte Plattform gegründet werden, die mit finanzieller Unterstützung des Bundesministeriums für Gesundheit und unter der Adresse www.netzwerk-krebsinformation.de qualitativ hochwertige Informationen zur Verfügung stellen soll - und zwar frei von kommerziellen Interessen. Die Richtigkeit dieses Ansatzes bestätigt durchaus die vorliegende Untersuchung, die genau zeigt, dass Informationen, bei denen ein wie auch immer geartetes kommerzielles Interesse vorausgesetzt oder auch nur angenommen wird, sowieso nicht vertraut wird. <<