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Länderrankings auf Basis der OECD-Gesundheitsdaten – Eine Analyse der methodischen Probleme

Die Gesundheitsstatistik der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) wird häufig zur Einordnung des Versorgungsgeschehens in Deutschland herangezogen. Demnach liegen die deutschen Fallzahlraten bei bestimmten Eingriffen international im Spitzenfeld. Diese Länderrankings werden in der Fach- und Tagespresse immer wieder aufgegriffen. Ein vielzitiertes Beispiel ist die Hüftersatz-Operation, die laut OECD-Statistik nur in der Schweiz häufiger durchgeführt wird als in Deutschland (Abb. 1). Eine ebenfalls oft diskutierte Frage ist die nach der Höhe der Gesundheitsausgaben. Hier gilt das deutsche Gesundheitssystem im internationalen Vergleich als teuer, wie das OECD-Länderranking der Gesundheitsausgaben pro Kopf zeigt, in dem Deutschland auf Platz 6 rangiert (Abb. 2). Eine Rangfolgebildung anhand der OECD-Daten als Benchmark ist jedoch mit einer Reihe methodischer Probleme behaftet. Diese Probleme resultieren zum einen aus unvollständigen Daten bei den Meldungen an die OECD sowie aus deren mangelnder Vergleichbarkeit. Zum anderen berücksichtigen die OECD-Daten in der Regel nicht den Einfluss der unterschiedlichen Altersstruktur in den einzelnen Ländern, obwohl die Inanspruchnahme von Leistungen und die Höhe der Gesundheitsausgaben altersabhängig sind.

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Erstveröffentlichungsdatum: 31.03.2015

Abstrakt: Länderrankings auf Basis der OECD-Gesundheitsdaten – Eine Analyse der methodischen Probleme

In der öffentlichen Berichterstattung dient die OECD-Gesundheitsstatistik häufig zur Einordnung des deutschen Gesundheitssystems im internationalen Vergleich. Eine Rangfolgebildung anhand der OECD-Daten ist jedoch mit einer Reihe methodischer Probleme behaftet. Diese resultieren zum Teil aus unvollständigen Daten sowie aus deren mangelnder Vergleichbarkeit. Vor allem aber berücksichtigen die OECD-Daten in der Regel nicht den Einfluss des unterschiedlichen Bevölkerungsalters in den einzelnen Ländern, obwohl eine Vielzahl medizinischer Eingriffe eindeutig altersabhängig ist. Für 15 chirurgische Eingriffe und für die Gesundheitsausgaben wird daher anhand einer indirekten Altersstandardisierung eine neue Einordnung Deutschlands im internationalen Vergleich vorgenommen. Dieses Vorgehen führt zu einer signifikanten Veränderung der Platzierung Deutschlands im Länderranking. Infolgedessen muss der Einfluss der Altersstruktur bei der Interpretation der OECD-Gesundheitsdaten berücksichtigt werden.

Abstract: Country rankings based on OECD Health Data - An analysis of the methodological problems

The OECD Health Statistics is used frequently in public reporting to classify the German health care system in the international context. However, country rankings using OECD Data is subject to a number of methodological problems. These partly result from incomplete data as well as from lacking data comparability. Foremost, OECD Data usually do not take into account the influence of different population age in the member states - although a variety of medical interventions is clearly age-dependent. Therefore, a new country ranking is drawn up for 15 surgical interventions and for health expenditure using indirect age standardization. This approach changes the placement of Germany in the country ranking significantly. According to these findings, the influence of the age structure must be considered when interpreting OECD Health Data.

Zusätzliches

Zitationshinweis: Bundesversicherungsamt (2013): GKV-Ausgabenprofile nach Alter, Geschlecht und Hauptleistungsbereichen (Stand: 04.12.2013), online unter: http://www.bundesversicherungsamt.de/risikostrukturausgleich/info-dateien-und-auswertungen.html (abgerufen am 04.12.2014). Finkenstädt, V./Niehaus F. (2015): Die Aussagekraft von Länderrankings im Gesundheitsbereich - Eine Analyse des Einflusses der Altersstruktur auf die OECD-Daten, WIP - Wissenschaftliches Institut der PKV, Köln. Kumar, A./Schönstein, M. (2013): Managing Hospital Volumes: Germany and Experiences from OECD Countries. OECD Health Working Papers No. 64. Paris: OECD Publishing. McPherson, K./Gon, G./Scott, M. (2013): International Variations in a Selected Number of Surgical Procedures, OECD Health Working Papers, No. 61. Paris: OECD Publishing. OECD (2014): OECD Health Statistics 2014: Definitions, Sources and Methods: Surgical procedures (shortlist). Statistisches Bundesamt (2013): Fallpauschalenbezogene Krankenhausstatistik (DRG-Statistik) - Operationen und Prozeduren der vollstationären Patientinnen und Patienten in Krankenhäusern bis zum kodierbaren Endpunkt 2011, Wiesbaden. United Nations (2013): World Population Prospects: The 2012 Revision. Department of Economic and Social Affairs, Population Division.

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Länderrankings auf Basis der OECD-Gesundheitsdaten – Eine Analyse der methodischen Probleme

Die Gesundheitsstatistik der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) wird häufig zur Einordnung des Versorgungsgeschehens in Deutschland herangezogen. Demnach liegen die deutschen Fallzahlraten bei bestimmten Eingriffen international im Spitzenfeld. Diese Länderrankings werden in der Fach- und Tagespresse immer wieder aufgegriffen. Ein vielzitiertes Beispiel ist die Hüftersatz-Operation, die laut OECD-Statistik nur in der Schweiz häufiger durchgeführt wird als in Deutschland (Abb. 1). Eine ebenfalls oft diskutierte Frage ist die nach der Höhe der Gesundheitsausgaben. Hier gilt das deutsche Gesundheitssystem im internationalen Vergleich als teuer, wie das OECD-Länderranking der Gesundheitsausgaben pro Kopf zeigt, in dem Deutschland auf Platz 6 rangiert (Abb. 2). Eine Rangfolgebildung anhand der OECD-Daten als Benchmark ist jedoch mit einer Reihe methodischer Probleme behaftet. Diese Probleme resultieren zum einen aus unvollständigen Daten bei den Meldungen an die OECD sowie aus deren mangelnder Vergleichbarkeit. Zum anderen berücksichtigen die OECD-Daten in der Regel nicht den Einfluss der unterschiedlichen Altersstruktur in den einzelnen Ländern, obwohl die Inanspruchnahme von Leistungen und die Höhe der Gesundheitsausgaben altersabhängig sind.

>> Die Anzahl chirurgischer Eingriffe im Ländervergleich wurde von der OECD im Jahr 2013 im Rahmen einer Studie beleuchtet (McPherson et al. 2013). McPherson et al. führen eine direkte Altersstandardisierung durch – allerdings lediglich für ausgewählte Eingriffe und Länder. So werden nur fünf Eingriffe (Kaiserschnitt, Gebärmutterentfernung, Prostataentfernung, Hüftoperation und Blinddarmentfernung) und 17 Länder auf der Datenbasis des Jahres 2008 analysiert. Unter den ausgewählten Eingriffen befinden sich mit der Prostataentfernung und der Hüftoperation schließlich bloß zwei Eingriffe, die ihren Behandlungsschwerpunkt im Alter haben. Bei den übrigen Eingriffen liegt der Schwerpunkt in jüngeren Jahren und eine Altersadjustierung hat folglich einen geringen Effekt. Problematisch erscheint weiterhin die vorgenommene Normierung auf die Weltbevölkerung, die mit ihrem Schwerpunkt bei den Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen nicht für einen Vergleich relativ alter Gesellschaften – insbesondere in Europa – geeignet ist. Die Autoren ziehen aus ihren Ergebnissen den Schluss, dass eine Altersstandardisierung der OECD-Daten die Rangfolge der Länder in einem Ranking kaum beeinflussen würde.
Diese Aussage wurde in einer weiteren OECD-Publikation von Kumar und Schönstein aufgegriffen (Kumar/Schönstein 2013). Deren Studie erlangte mediale Aufmerksamkeit, da hier die deutschen Krankenhaus-Fallzahlen in eine internationale Perspektive gesetzt wurden. In den Medien und der gesundheitspolitischen Diskussion war vielfach zu hören, Deutschland sei „Operationsweltmeister“ und belege international einen Spitzenplatz bei der Anzahl bestimmter Eingriffe, wie z.B. Hüft- oder Knieersatz-Operationen.
Die vorliegende Untersuchung greift die Altersabhängigkeit der Inanspruchnahme medizinischer Leistungen auf und hinterfragt die Aussage von McPherson et al. Die Analyse zeigt, welche Rangposition Deutschland sowohl bei den medizinischen Eingriffen als auch bei den Gesundheitsausgaben im internationalen Vergleich einnimmt, wenn seine relativ alte Bevölkerung angemessen berücksichtigt wird. Darüber hinaus werden methodische Probleme in Bezug auf die OECD-Gesundheitsstatistik beleuchtet, die sich ebenfalls auf die Vergleichbarkeit der Daten auswirken.
Grenzen der Vergleichbarkeit
Die OECD macht den Mitgliedsstaaten umfangreiche Vorgaben, um eine einheitliche Datenmeldung und somit eine Vergleichbarkeit zu erzielen. Aufgrund der Unterschiedlichkeit der Gesundheitssysteme und der nationalen Besonderheiten ist eine vollständige Einheitlichkeit nicht zu erreichen. Abweichungen von den OECD-Vorgaben wirken sich direkt auf die Vergleichbarkeit der Ergebnisse und somit auch auf die Aussagekraft von Länderrankings aus. Unter anderem lassen sich folgende Probleme bei der Datenmeldung zu den Fallzahl- und Gesundheitsausgabenstatistiken identifizieren:
• Nicht in allen Ländern sind Daten für alle Eingriffe verfügbar. Bei internationalen Vergleichen der chirurgischen Eingriffe sind je Eingriff somit immer unterschiedlich viele Länder enthalten. Hat ein Land keine aktuellen Zahlen geliefert, werden die Daten des letzten verfügbaren Jahres herangezogen.
• Die Datenmeldung basiert nicht immer auf administrativen Routinedaten, sondern auch auf Ergebnissen von (teilweise veralteten) weniger verlässlichen Umfragen.
• Zudem finden sich unvollständige Meldungen bei Eingriffen, die sowohl ambulant als auch stationär durchgeführt werden. Manche Länder melden nur stationär, da ambulant keine Daten vorliegen. In vielen Ländern wird z. B. die Operation des Leistenbruchs standardmäßig ambulant durchgeführt.
• In Dänemark, Deutschland und Estland sind auch ambulant in einem Krankenhaus durchgeführte Operationen in den Fallzahlen enthalten, obwohl nur die stationären Krankenhausfälle an die OECD gemeldet werden sollen.
• In einigen Ländern fließen in die Datenmeldungen Eingriffe nicht ein, die in privaten Krankenhäusern erbracht wurden. Somit liegt hier eine Unterschätzung der tatsächlichen Fallzahlen vor.
• Bei der Gegenüberstellung von Gesundheitsausgaben kommen Währungsprobleme hinzu. Die Maßgröße Gesundheitsausgaben am BIP vergleicht zudem auch die Bruttoinlandsprodukte miteinander.

Darüber hinaus suggeriert der häufig verwendete Vergleich der deutschen Ausgaben mit dem OECD-Durchschnitt, dass der OECD-Schnitt der „richtige“ Wert sei. Hierbei ist aber zu beachten, dass jedes OECD-Land mit dem gleichen Gewicht in den Durchschnittswert eingeht. Der Durchschnitt wird damit auch von sehr kleinen Ländern wie z.B. Island bestimmt. Ein Isländer hat so ein ca. 1.000-fach höheres Gewicht im OECD-Durchschnitt als ein US-Bürger. Zudem muss berücksichtigt werden, dass zur OECD auch Staaten wie Mexiko oder Chile gehören, die gerade im Gesundheitsbereich noch spürbar vom westeuropäischen Standard entfernt sind.
Altersstandardisierung der
OECD-Daten – Methodisches Vorgehen
Für folgende 15 Eingriffe wird eine indirekte Altersstandardisierung durchgeführt:
• Einsatz einer Hüftprothese
• Einsatz einer Knieprothese
• Entfernung des Blinddarms
• Entfernung der Gaumenmandeln
• Entfernung der Gallenblase
• Operation des Leistenbruchs
• Perkutane transluminale Koronarangioplastie
• Koronarbypass
• Transurethrale Entfernung der Prostata
• Offene Entfernung der Prostata
• Entfernung der Gebärmutter
• Brusterhaltende Chirurgie
• Vollständige Mastektomie
• Nierentransplantation
• Stammzelltransplantation
Die OECD-Angaben zu den Gesundheitsausgaben pro Kopf werden ebenfalls altersadjustiert.
Berechnung altersspezifischer Fallzahlen
Grundlage für die Altersstandardisierung sind die deutschen Fallzahlen je Eingriff nach Alter und Geschlecht. Diese werden der fallpauschalenbezogenen Krankenhausstatistik (DRG-Statistik) des Statis-
tischen Bundesamtes für das Berichtsjahr 2012 entnommen (Statistisches Bundesamt 2013). Die Auswahl der Eingriffe wird entsprechend der OECD-Vorgaben getroffen (OECD 2014). Um aus den Werten Profile zu konstruieren, müssen die Fallzahlen ins Verhältnis zur Bevölkerung im entsprechenden Alter und Geschlecht gesetzt werden. Als geeignete Größe bietet sich die GKV- und PKV-Versichertenzahl (inklusive der Bahn- und Postbeamten und ihrer Angehörigen) als diejenige Personengruppe an, die das Gesundheitssystem in Anspruch nimmt.
Die Anzahl der privat Krankenversicherten wird der Statistik zur privaten Pflegepflichtversicherung entnommen und die der GKV-Versicherten wird aus den Daten des Risikostrukturausgleich (RSA) berechnet, die das Bundesversicherungsamt (BVA) zur Verfügung stellt. Basis sind die RSA-Datenmeldungen der einzelnen Krankenkassen (Bundesversicherungsamt 2013). Die ausgewiesenen Versichertentage je Einzelalter werden durch 365 geteilt.
Aus der Division der altersspezifischen Fallzahl gemäß DRG-Statistik durch die Anzahl der Versicherten je Altersklasse wird die altersspezifische Fallzahlrate FZRi ermittelt. Die FZRi drückt aus, wie viele Fälle je 100.000 Versicherte in der Altersgruppe i in Deutschland auftreten:
So ergibt sich je Eingriff ein Profil, das die altersabhängige Häufigkeit zeigt, mit denen der Eingriff je 100.000 Versicherte durchgeführt wird. Abbildung 3 zeigt dies am Beispiel der Hüftersatz-Operation.

Berechnung altersspezifischer Gesundheitsausgaben
Die deutschen altersspezifischen Ausgabenprofile sind nicht direkt verfügbar, sondern werden aus den Angaben zu GKV- und PKV-Versicherten berechnet. Einbezogen sind somit im ersten Schritt nur die Ausgaben im GKV- und PKV-System.
Die durchschnittlichen Leistungsausgaben der GKV-Versicherten je Lebensalter werden den RSA-Daten des Jahres 2012 entnommen. Die Altersausgabenprofile basierten auf den versichertenbezogenen Daten aller GKV-Versicherten und enthalten die Leistungsausgaben pro Versichertentag, differenziert nach Geschlecht, Alter und Hauptleistungsbereich (Bundesversicherungsamt 2013). Diese Pro-Tag-Werte werden auf ein Jahr hochgerechnet, so dass durchschnittliche Ausgaben je GKV-Versicherter für jedes Einzelalter zur Verfügung stehen.
Die Informationen zu den PKV-Versicherten werden aus den Kopfschadenstatistiken des PKV-Verbandes des Jahres 2012 errechnet. In der Kopfschadenstatistik werden die von einem Versicherten in einem Jahr durchschnittlich zur Erstattung eingereichten Rechnungen ausgewiesen. Hier sind auch Leistungen, die die Beihilfe erstattet, ebenso wie die erfassten Selbstbehalte enthalten.
Die Werte der GKV- und PKV-Versicherten je Einzelalter und Versichertenzugehörigkeit werden mit der jeweils dahinterstehenden Anzahl an Versicherten gewichtet und zu einem durchschnittlichen Wert für die einzelnen Altersgruppen zusammengefasst. Daraus ergibt sich ein Durchschnittsprofil für Deutschland (Abb. 4).
Die entsprechende Formel für die durchschnittlichen Ausgaben pro Kopf (ApK) der 5- bis 10-Jährigen ist folgend als Beispiel dargestellt:
Der sich aus diesem Profil ergebende deutsche Wert durchschnittlicher Gesundheitsausgaben pro Kopf entspricht nicht dem Wert in der OECD-Statistik. In den OECD-Angaben sind auch die vom Patienten selbst und vom Staat getragene Gesundheitsausgaben enthalten. Um dies zu berücksichtigen, werden die berechneten Werte mit einem Faktor hochgerechnet, so dass sich aus den Profilen durch Multiplikation mit der Bevölkerung Deutschlands der von der OECD veröffentlichte Wert ergibt. Dieses Verfahren unterstellt, dass die in den OECD-Daten enthaltenen weiteren Ausgabenarten sich prozentual gleichmäßig über die Altersklassen verteilen.

Ermittlung der für die OECD-Länder erwarteten Werte bei Anwendung deutscher Profile
Für die indirekte Altersstandardisierung werden die nach Altersklassen und Geschlecht differenzierten Bevölkerungszahlen der einzelnen OECD-Staaten aus der 2012er Revision der World Population Prospects der Vereinten Nationen verwendet (United Nations 2013). Aus der Multiplikation der deutschen Fallzahlraten pro Kopf jeder Altersgruppe i mit der jeweiligen Bevölkerungszahl in der Altersgruppe des zu vergleichenden Landes niLand ergeben sich je Land in der Addition über alle Altersgruppen und in Bezug zu 100.000 Einwohnern (100.000 Einwohner/Gesamtpersonenzahl NLand) erwartete Fallzahlen.
Analog hierzu werden die erwarteten Gesundheitsausgaben pro Kopf berechnet, indem für jede Altersgruppe i die deutschen Gesundheitsausgaben pro Kopf ApKi mit der Personenzahl in derselben Altersgruppe niLand im jeweiligen OECD-Land multipliziert (gewichtet) wird. Die Produkte werden addiert und durch die Gesamtpersonenzahl NLand geteilt und mit 100.000 multipliziert.
Auf diese Weise kann für jedes OECD-Land ermittelt werden, welche Fallzahlen und Gesundheitsausgaben zu erwarten wären, hätte das betreffende Land mit seiner gegebenen Alters- und Geschlechtsstruktur die deutschen Profile. Diese Werte sind dann anstelle der tatsächlichen deutschen OECD- mit den OECD-Werten der einzelnen Länder zu vergleichen.

Bildung eines Länderrankings nach Altersstandardisierung
Die berechneten erwarteten Werte (Anwendung deutscher Profile) werden zu den tatsächlich in den einzelnen Ländern aufgetretenen Werten (OECD-Daten) ins Verhältnis gesetzt. Daraus ergibt sich das standardisierte Fallzahlratenverhältnis (SFV)1,
bzw. das standardisierte Gesundheitsausgabenverhältnis (SGV)1
Liegen SFV bzw. SGV über 1, so sind die Fallzahlen/Gesundheitsausgaben im jeweils betrachteten OECD-Land höher als in Deutschland, liegt der Ratio unter 1, sind die Fallzahlen/Gesundheitsausgaben niedriger als in Deutschland. Kein Unterschied bestünde bei einem SFV bzw. SGV von 1. Diese Ergebnisse lassen sich auch als prozentuale Abweichung von den deutschen Werten darstellen.
Aus dem OECD-Ranking der unbereinigten Fallzahlen bzw. Gesundheitsausgaben kann abgelesen werden, um wie viel Prozent die Werte der anderen Länder von den deutschen abweichen. Die Höhe der Fallzahl oder der Gesundheitsausgaben wird also jeweils in Relation zum deutschen Wert ausgedrückt.
Diesem unbereinigten Ranking wird ein durch die indirekte Standardisierung bereinigtes Ranking gegenübergestellt. Die Länder werden hier nach dem standardisierten Fallzahlratenverhältnis (SFV) bzw. dem standardisierten Gesundheitsausgabenverhältnis (SGV) geordnet. So wird für jedes Land sichtbar gemacht, welche prozentuale Abweichung es zu den mit deutschen Profilen erwarteten Werten aufweist. Dieses neue Ranking zeigt nun die um Alters- und Geschlechtseffekte berei-nigte Position Deutschlands im Ländervergleich an.
Ergebnisse
Abbildung 5 zeigt am Beispiel der Hüftersatz-Operation die Gegenüberstellung der hypothetischen Fallzahlen je 100.000 Einwohner (die sich aus der indirekten Altersstandardisierung anhand der in Abbildung 4 dargestellten deutschen Alters- und Geschlechtsprofile ergeben) und der rohen OECD-Daten.
Die Abbildung 5 ist wie folgt zu interpretieren: Der dunkle Balken („OECD-Daten“) gibt die unbereinigten Fallzahlen pro 100.000 Einwohner an. Der helle Balken („Anwendung deutscher Profile“) unterstellt, dass die deutschen Fallzahlen bei Hüft-OPs je Alter und Geschlecht jeweils in den übrigen Ländern gelten. Beispielsweise werden in Norwegen laut OECD-Statistik 250 Hüft-OPs pro 100.000 Einwohner durchgeführt und somit weniger als in Deutschland. Der alters- und geschlechtsstandardisierte Vergleichswert beläuft sich auf nur 223 pro 100.000 Einwohner. Dies ist der eigentlich richtige Wert für einen Vergleich mit der norwegischen Fallzahl laut OECD. Das standardisierte Fallzahlverhältnis (250/223) beträgt 1,12. Das heißt, Norwegen führt das 1,12-fache an Hüft-OPs durch (und somit 12 % mehr), als bei Anwendung deutscher Profile zu erwarten wäre. Tabelle 1 zeigt am Beispiel der Hüftersatz-Operation das neue Länderranking, in dem das Fallzahlverhältnis aus Vereinfachungsgründen in Prozentwerten dargestellt ist. Zum Vergleich ist auf der linken Seite das alte Ranking mit unbereinigten OECD-Zahlen dargestellt.
Durch die indirekte Altersstandardisierung wandert Deutschland von Rang 2 auf Platz 5 nach hinten. Die Schweiz bleibt weiter auf Platz 1. Ihr Abstand zu Deutschland vergrößert sich aber. In den OECD-Daten liegt die Schweizer Fallzahl 6,8 % vor der deutschen. Die Berücksichtigung der relativ jungen Schweizer Bevölkerung macht deutlich, dass in der Schweiz – mit 24,2 % mehr Eingriffe im Verhältnis zu Deutschland – altersbereinigt der Abstand noch deutlicher ausfällt, als die OECD-Daten suggerieren. Die Altersadjustierung führt zudem dazu, dass Deutschland von Österreich, Norwegen und Luxemburg überholt wird. In Norwegen werden altersbereinigt 12 % mehr Hüft-Operationen durchgeführt als in Deutschland – und nicht 13 % weniger wie in den Rohdaten. Tabelle 3 zeigt für jeden Eingriff die berechnete Altersabhängigkeit anhand der deutschen Profile.
Werden alle Eingriffe nach Größe der Rangverschiebung in Folge der indirekten Altersstandardisierung sortiert, ergibt sich das in Tabelle 4 dargestellte Bild.2
Die indirekte Altersstandardisierung ändert bei jedem betrachteten Eingriff – bis auf die Nierentransplantation – die Rangfolge der Länder. Deutschland rutscht bei allen Eingriffen, die ihren Schwerpunkt im Alter haben, im Länderranking nach hinten. Bei den Eingriffen, die vorwiegend in der Jugend durchgeführt werden (Entfernung der Gaumenmandeln und Blinddarmoperation), ist es dagegen umgekehrt und Deutschland liegt altersadjustiert im Ranking weiter vorne, als es die rohen OECD-Daten vermuten lassen.
Auch für die Gesundheitsausgaben wird ein standardisiertes Verhältnis der OECD-Gesundheitsausgaben (SVG) im Vergleich zum mit deutschen Profilen berechneten Vergleichswert berechnet. Wie bei den Fallzahlen lässt sich hieraus ein neues Länderranking bilden, in dem das Gesundheitsausgabenverhältnis aus Vereinfachungsgründen in Prozentwerten dargestellt ist (Tabelle 2). Auf der linken Seite ist das alte Ranking mit unbereinigten OECD-Zahlen dargestellt.
Durch die indirekte Altersstandardisierung verändert Deutschland seinen Platz im Länderranking von 6 auf 9. Die USA, Norwegen, die Schweiz, die Niederlande und Österreich liegen weiterhin auf den vorderen 5 Plätzen, wobei sich jedoch ihr prozentualer Abstand zu Deutschland deutlich vergrößert. In den USA sind die altersstandardisierten Ausgaben um rund 107 % höher als in Deutschland, in Norwegen rund 40 % und in der Schweiz um 34 % höher. Für Deutschland ergibt sich der Wert 0 %, da die deutschen Profile als Referenz dienen und der sich ergebende Wert auf den OECD-Wert normiert ist. Zudem wird Deutschland von Luxemburg, Dänemark und Kanada überholt, die im OECD-Ranking hinter Deutschland liegen. Bei Anwendung der deutschen Profile sind somit die Gesundheitsausgaben von 8 Ländern höher als die deutschen.
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass neben den beschriebenen methodischen Problemen die Berücksichtigung der Altersstruktur in den Ländern – anders als von McPherson et al. und Kumar/Schönstein dargestellt – sehr wohl einen Einfluss auf Länderrankings im Gesundheitsbereich hat. Auch wenn sich durch Altersstandardisierung nicht alle Probleme eines Ländervergleichs lösen lassen, ist eine Standardisierung bei der Interpretation der unterschiedlichen Fallzahlen und Gesundheitsausgaben zwischen Ländern unabdingbar. <<