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Accountable Care Organizations als Neuerung im US-Gesundheitssystem

Die schwerwiegende Krise im amerikanischen Gesundheitssystem mit einer deutlichen Zunahme chronischer Erkrankungen, massiv steigenden Kosten bei unsicherer Finanzierung, fehlender Koordination mit Unter- bzw. Fehlversorgung sowie mangelnder Qualität bei falschem Anreizsystem ist eine große Herausforderung für die beteiligten Akteure und die Politik. Auf der anderen Seite bietet sie eine einmalige Chance, grundlegende Änderungen zu vollziehen, deren dringende Notwendigkeit von allen Beteiligten anerkannt wird. Der am 23. März 2010 im Rahmen der Healthcare Reform von Präsident Obama verabschiedete Patient Protection and Affordable Care Act (PPACA) stellt die gesetzliche Grundlage für eine performance- und ergebnis-orientierte Neuausrichtung dar, zu deren Elementen auch die Gründung von Accountable Care Organizations (ACOs) gehört.

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Erstveröffentlichungsdatum: 02.10.2012

Abstrakt: Accountable Care Organizations als Neuerung im US-Gesundheitssystem

Eine deutliche Zunahme chronischer Erkrankungen, massiv steigende Kosten bei unsicherer Finanzierung, fehlende Koordination mit Unter- bzw. Fehlversorgung sowie mangelnde Qualität bei falschem Anreizsystem sind eine große Herausforderung für die beteiligten Akteure und die Politik des amerikanischen Gesundheitswesens. Um diesem Trend entgegen zu wirken, hat Präsident Obama im Rahmen seiner Healthcare Reform den Patient Protection and Affordable Care Act (PPACA) verabschiedet. Er stellt die gesetzliche Grundlage für eine performance- und ergebnisoriente Neuausrichtung dar, zu deren Elementen auch die Gründung von Accountable Care Organizations (ACO) gehört. Eine ACO ist ein Zusammenschluss von Hausärzten und anderen Leistungserbringern wie z.B. Fachärzten und Krankenhäusern unter geteilter Verantwortung. Dabei übernehmen die ACOs gestaffelt das finanzielle Risiko und die Verantwortung für den Gesundheitszustand einer definierten Population, was auch die Zuständigkeit für die Qualität und die Kosten der Versorgung entlang des gesamten Versorgungsprozesses beinhaltet. Ziel ist eine leitlinienorientierte Verbesserung der Versorgung mit weniger Ressourcen unter Einsatz von u.a. Versorgungssteuerung und Prävention. Dabei verpflichtet sich eine ACO, die Versorgung qualitativ hochwertig, patientenzentriert und evidenzbasiert durchzuführen. Eine robuste IT-Infrastruktur stellt einen der Schlüsselfaktoren für die erfolgreiche Umsetzung einer ACO dar. Nur auf dem Boden aggregierter administrativer, finanzieller und medizinischer Daten ist eine genaue Analyse und Planung der zu erwartenden Kosten und der zu unternehmenden Versorgungsschritte möglich.

Abstract: Accountable Care Organizations: Innovation in American Healthcare

The dramatic rise in chronic disease, exploding costs with doubtful financial underpinning, lack of coordination resulting in inadequate or inappropriate care delivery, and poor quality due to false incentives all represent major challenges to American healthcare policy and to the healthcare system overall. To counter this trend, President Obama has implemented the Patient Protection and Affordable Care Act (PPACA). It lays the legal groundwork for a performance and results-oriented change of direction, among whose elements is the creation of Accountable Care Organizations. ACOs are combinations of family doctors and other healthcare providers including independent medical specialists and hospitals. ACOs accept the structured financial risk along with responsibility for the health status of a defined population, including responsibility for both the quality of care and costs along the entire process of care delivery. The goal is to achieve a guideline-based improvement of healthcare using fewer resources by applying the tools of care management and prevention. ACOs commit themselves  to deliver high-quality, patient-centric and evidence-based medical care. A robust IT infrastructure is a key factor for implementing the ACO concept. Only on the basis of aggregated administrative, financial and medical data is exact analysis and programming for the anticipated costs for each step of the care delivery process possible.

Zusätzliches

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Accountable Care Organizations als Neuerung im US-Gesundheitssystem

Die schwerwiegende Krise im amerikanischen Gesundheitssystem mit einer deutlichen Zunahme chronischer Erkrankungen, massiv steigenden Kosten bei unsicherer Finanzierung, fehlender Koordination mit Unter- bzw. Fehlversorgung sowie mangelnder Qualität bei falschem Anreizsystem ist eine große Herausforderung für die beteiligten Akteure und die Politik. Auf der anderen Seite bietet sie eine einmalige Chance, grundlegende Änderungen zu vollziehen, deren dringende Notwendigkeit von allen Beteiligten anerkannt wird. Der am 23. März 2010 im Rahmen der Healthcare Reform von Präsident Obama verabschiedete Patient Protection and Affordable Care Act (PPACA) stellt die gesetzliche Grundlage für eine performance- und ergebnis-orientierte Neuausrichtung dar, zu deren Elementen auch die Gründung von Accountable Care Organizations (ACOs) gehört.

>> Der zugehörige Vorschlag der Regularien für das Medicare Shared Savings Program and Accountable Care Organizations wurde von den staatlichen Centers for Medicare & Medicaid (CMS) am 31. März 2011 zur dringend benötigten Kommentierung bis zum 6. Juni 2011 freigegeben. Die am 19. Oktober freigegebene finalisierte Version stellt das Rahmenwerk für Pilotierungen ab Anfang des Jahres 2012 dar, gemäß derer ACOs als regionale Netzwerke und Vertragspartner des CMS getestet werden. Medicare ist als bundesstaatliche Krankenversicherung für die Gesundheitsversorgung von Behinderten bzw. älteren Bürgern ab dem 65. Lebensjahr zuständig und somit von der Krise des Gesundheitssystems unter anderem durch die demographische Entwicklung und die Zunahme chronischer Erkrankungen besonders betroffen. Die möglichen Einsparpotenziale von ACOs für Medicare werden dabei von den Human Health Services auf etwa 960 Millionen US Dollar in den ersten drei Jahren geschätzt. Das gesamte Einsparpotenzial des PPACA wird dabei in den nächsten zehn Jahren auf etwa 143 Mrd. US-Dollar geschätzt.
Auch private Kostenträger greifen aktuell diese Initiative auf, da der Wechsel zu einem performance- und ergebnisorientierten Versorgungsmodell mit daran gekoppelten finanziellen Anreizen auch in dieser Gruppe von großer Bedeutung ist.
Definition einer ACO
Es gibt zahlreiche und unterschiedliche Definitionen einer ACO. Übereinstimmend auf oberster Ebene kann man eine ACO als eine leistungserbringerzentrierte Organisation beschreiben. Eine ACO kann durch Krankenhäuser, Ärzte sowie spezialisierte Krankenpfleger und -schwestern gegründet werden. Ebenso können auch staatlich anerkannte Gesundheitszentren und so genannte Rural Health Clinics (RHCs) Teil einer ACO sein. In diesem Fall stellen die CMS weitere finanzielle Anreize zur Verfügung. Bei einer ACO muss es sich um eine juristische Person handeln, die strengen Verwaltungsrichtlinien und Qualitätsprogrammen folgen muss. Gleichzeitig müssen die Patienten aktiv in die Abläufe einbezogen werden. Grundsätzlich ist die Teilnahme an einer ACO sowohl für die Ärzte als auch für die Patienten freiwillig, die freie Arztwahl bleibt für Patienten erhalten. Die Qualifikation für die Teilnahme ist an bestimmte Kriterien gebunden, u.a. sind ACOs verpflichtet, Vertreter von Medicare-Patienten in ihrem Aufsichtsgremium zu haben und sich bezüglich der Gesamtverantwortung für mindestens 5.000 Leistungsempfänger des Medicare-Programms über den Zeitraum von drei Jahren zu verpflichten. Auch müssen mindestens 50 % der teilnehmenden Ärzte den Kriterien der HITECH Act’s Definition von „Meaningful Use“ entsprechen, welche u.a. über die Nutzung einer entsprechend zertifizierten Arztsoftware eine elektronische Verwendung der erzeugten medizinischen Daten für Qualitätssicherungszwecke sicherstellt.
Gemäß der Beschreibung des ACO Learning Network von Elliott Fisher und Mark McAllen vom Engelberg Center for Health Care Reform und Dartmouth Institute for Health Policy Research definiert sich eine ACO als Zusammenschluss von Hausärzten und anderen Leistungserbringern wie z.B. Fachärzten und Krankenhäusern unter geteilter Verantwortung mit dem Ziel, ihren Patienten die bestmögliche Versorgung zukommen zu lassen. Organisationsbasis ist dabei die Fähigkeit, Behandlungsergebnisse und Behandlungsqualität zu verbessern und parallel dazu das Wachstum der Gesamtkosten für eine definierte Patientenpopulation im Rahmen einer festgelegten Hausarztgruppe zu verlangsamen. Voraussetzung ist dabei die Fähigkeit, Verbesserungen in der Performance messen und daran gekoppelte Zahlungen von den teilnehmenden Kostenträgern empfangen und verteilen zu können.
Deloitte definiert eine ACO als eine lokale Gesundheitsorganisation, die verantwortlich ist für 100 % der Ausgaben und für die Versorgung einer definierten Patientenpopulation. Abhängig von der finanzierenden Organisation und der daran anhängigen Intention kann eine ACO sowohl Hausärzte als auch Fachärzte und Krankenhäuser einschließen, die unter Anwendung evidenzbasierter Versorgungsmodelle in einem koordinierten Modell zusammenarbeiten. Dabei liegen die Schwerpunkte auf der Organisation aller Aktivitäten und der Übernahme der Gesamtverantwortung auf lokaler Ebene, dem Messen von longitudinalen Outcomes und der Kosten sowie der Verteilung der Einsparungen an die ACO-Mitglieder.
Ziele einer Accountable Care Organization
Die drei Hauptziele einer ACO richten sich gemäß der Einschätzung der Healtcare Strategy Group auf eine fest definierte Population, für die sie auf lokaler Ebene die Gesamtverantwortung übernimmt:
• Kostenreduktion: Mittels Versorgungs- und Disease Management sowie verbesserter Präventivmedizin werden vermeidbare Wiedereinweisungen bzw. die Notwendigkeit der Nutzung stationärer oder ambulanter Einrichtungen reduziert. Steigerung der Wirtschaftlichkeit und Vermeidung von Doppelversorgung bzw. -untersuchung
• Qualitätsverbesserung: Koordinierung der Versorgung und Existenz von qualitätsabhängiger Vergütung (im Gegensatz zu volumenorientierter Vergütung), Definition von „best-practice“-Beispielen und Nutzung evidenzbasierter Behandlungspfade
• Entwicklung von Fähigkeiten und Aufbau von Ressourcen: Ausgerichtet auf die aktuellen und zukünftigen Qualitäts- und Kostenziele

Dabei übernehmen die ACOs gestaffelt das finanzielle Risiko und die Verantwortung für den Gesundheitszustand einer definierten Population, was auch die Zuständigkeit für die Qualität und die Kosten der Versorgung entlang des gesamten Versorgungsprozesses beinhaltet. Ziel ist eine leitlinienorientierte Verbesserung der Versorgung mit weniger Ressourcen unter Einsatz von u.a. Versorgungssteuerung und Prävention. Dabei verpflichtet sich eine ACO, die Versorgung qualitativ hochwertig, patientenzentriert und evidenzbasiert durchzuführen.
Eingesparte Kosten - finanzieller Anreiz für ACOs
Eine plötzliche und komplette Übernahme der finanziellen Verantwortung für eine definierte Population von Leistungsempfängern stellt für viele potenzielle ACO-Kandidaten ein großes Risiko dar. Daher hat sich die CMS entschlossen, auch unter den neuen Regeln zunächst an dem ursprünglichen Vergütungssystem für Medicare-Patienten festzuhalten. Parallel dazu entwickeln die CMS für jede ACO einen Katalog von Qualitätskriterien, der als Vergleichsmaßstab für die jeweilige Performance dient. Die Ergebnisse dieses Vergleichs sind Grundlage für die Zuteilung von „Shared Savings“ durch die CMS oder aber die Verpflichtung der ACO, erwirtschaftete Verluste selbst auszugleichen. Die Größe des finanziellen Rückflusses an die ACO ist davon abhängig, ob eine ACO die mit den CMS vereinbarten Ziele erreicht oder sogar übertrifft.
Um die Flexibilität im Rahmen des Aufsetzens einer ACO zu erhöhen, bietet die CMS zwei unterschiedliche Risikomodelle an. Im ersten „einseitigen“ Risikomodell werden in den ersten drei Jahren die eingesparten Kosten anteilig an die ACO zurückgegeben, während die Verluste die CMS tragen. Im zweiten Risikomodell, einem „zweiseitigen“ Ansatz, werden sofort und über alle drei Jahre Einsparungen und Verluste geteilt.
Das einseitige Modell erlaubt insbesondere solchen Organisationen, die bisher wenig oder keine Erfahrungen mit der Übernahme von Risiken haben, sich im Rahmen einer Übergangsphase an die neuen risikobasierten Regularien im Rahmen der Betreuung von Populationen zu gewöhnen. Dabei wird es sich vorwiegend um arztgetriebene oder kleinere ACOs handeln. Das zweiseitige Modell spricht erfahrenere Organisationen an, die bereits Erfahrungen mit der Übernahme von Risiken haben und dafür ggf. von Anfang an einen höheren Anteil an den Einsparungen für sich erwirtschaften können. Die finalisierten Regeln des Medicare Shared Savings Program vom Oktober 2011 haben dabei durch die Festlegung der Gewinnteilung ab dem Erreichen der festgelegten minimalen Einsparungsrate die Eintrittsbarriere für Organisationen ohne Erfahrung mit der Übernahme von Risiken deutlich reduziert.
Qualitätsindikatoren und Performance Messungen
Von Seiten der CMS gab es initial Vorschläge für insgesamt 65 Messparameter zur Qualitätsmessung in 5 Schlüsselbereichen, die die Patientenversorgung beeinflussen sowie für die Bewertungsmethode. In der finalisierten Version, die am 19. Oktober 2011 vom CMS veröffentlicht wurde, finden noch 33 Messparameter Berücksichtigung. Dabei ist ge-plant, in der Gesamtbetrachtung der Performance einer ACO jeden dieser Bereiche gleich zu gewichten. Dies ist unabhängig vom gewählten Risikomodell. Die fünf primär definierten Schlüsselbereiche sind:
1. Erfahrungen der Patienten/Leistungserbringer im Versorgungsprozess
2. Koordination des Versorgungsprozesses
3. Patientensicherheit
4. Prävention
5. Risikopopulation/Ältere, durch Krankheit gefährdete Menschen

Organisationen wie das ACO Learning Network des Engelberg Centers for Health Care Reform at Brookings bzw. dem Dartmouth Institute for Health Policy unterstützen die Erarbeitung der Qualitätsindikatoren dabei mit ihrer Arbeit im Rahmen der Brookings-Dartmouth ACO-Piloten. Ziel dieser Piloten ist die Erarbeitung eines konsistenten Datensatzes als Basis für kontinuierliche Verbesserungen bzgl. Qualität und Nutzung von Versorgungsleistungen und Kosten sowie der Dokumentation der Qualitätsziele sowohl für Leistungserbringer als auch für Patienten. Die gewonnenen Ergebnisse sollen die Basis für ein landesweit nutzbares Performance-Rahmenwerk darstellen, das neben dem Medicare Programm auch privaten Kostenträgern zur Nutzung zur Verfügung steht. So wurden bereits eine Vielzahl von Empfehlungen an die CMS übermittelt, die die Implementierung von Performance-Messungen in das Medicare Shared Savings Program (MSSP) betreffen. Innerhalb der Pilotierung ist ein stufenweises Vorgehen geplant, das von mehr administrativ ausgerichteten Messparametern, die bereits heute umgesetzt werden können, bis zu zunehmend komplexeren und fortgeschritteneren Messungen von klinischem Outcome bis zu patientenerhobenen Validierungen gehen.
Kostenziele als Grundlage für die angenommenen Kosteneinsparungen werden von den CMS auf dem Boden von aggregierten retrospektiven Daten für die behandelte Population ermittelt. Ausgabenziele werden mit den aktuellen Ausgaben abgeglichen, alle Einsparungen über der allgemein angenommenen minimalen Einsparungsrate von zwei Prozent werden zwischen den CMS und der ACO aufgeteilt. Die Vergleichsdaten für das Benchmark-Rahmenwerk basieren auf dem Zeitraum der letzten drei Jahre. Dabei wird das letzte Jahr im Vergleich zu den beiden Vorjahren gemäß der Vorgaben der CMS stärker gewichtet.
Herausforderungen und Hürden
Die bisherigen Erfahrungen im Rahmen von ergebnisorientierten Vergütungsmodellen bzw. der Übernahme von Risiken durch Leistungserbringer hat deulich gezeigt, in welchen Bereichen die Hauptschwierigkeiten bzw. Hürden bei der Einführung von ACOs liegen werden.
Als eine der wichtigsten Hürden ist die Unterstützung durch die Ärzteschaft zu bewerten. Ist für die niedergelassenen Hausärzte ein solches Modell noch sehr attraktiv, da ihre Position im Sinne der Koordination der Behandlungsprozesse deutlich verbessert wird und sie finanziell am ehesten von der Neu- bzw. Umverteilung profitieren, so ist bei den niedergelassenen Fachärzten eher Zurückhaltung vorhanden. Sie werden bisher mit dem aktuellen „Fee for Service“-Modell für alle erbrachten Leistungen vergütet und kritisieren die kommenden Einschränkungen und die gemeinsame ergebnisorientierte Abrechnung. Auch betrifft das Ziel des neuen Gesundheitsgesetzes, unnötige bzw. redundante Untersuchungen zu reduzieren, am meisten den ambulanten Facharztsektor.
Krankenhäuser begegnen der Bildung von ACOs ebenfalls mit Zurückhaltung, da hier insbesondere in städtischen Regionen Überkapazitäten vorhanden sind. Deren Abbau, unterstützt durch das Ziel einer ACO, unnötige Krankenhauseinweisungen mit verbesserter Steuerung des Patienten zu verhindern, führt zu einer sehr zögerlichen Unterstützung des neuen Modells durch den stationären Sektor. Dieses wird verstärkt durch die Unklarheit in Bezug auf die Aufteilung der erarbeiteten Einsparungen, da eine ACO vorwiegend hausarztzentriert gesteuert wird.
Manche Krankenhäuser gehen inzwischen in die Offensive und versuchen sich als Gründer einer ACO in eine für sie bessere Position zu bringen, die ihnen eine direktere Einflussnahme auf die Vertragsmodalitäten erlaubt und ihnen die notwendige Zuweiserbindung sichert.
Auch die wechselnden und zum Teil noch unklaren gesetzlichen und regulatorischen Hürden werden als ernstzunehmende Herausforderung wahrgenommen. So führen kartellrechtliche Fragen und die Vorgaben für den notwendigen gesetzlichen Rahmen zu Verunsicherung bei den potenziellen Kandidaten. Diese Fragen sind im Vorfeld zu klären, damit sich auch eine freie Preisbildung im Rahmen von Wettbewerb entwickeln kann. Als möglicher denkbarer Auswuchs könnten sich örtlich Gruppen von Fachärzten/Spezialisten organisieren, um über Preisabsprachen ihre potenziellen finanziellen Einbußen zu kompensieren.
Als erfolgskritischer Faktor wird auch die bisher häufig fehlende IT-Infrastruktur und deren Finanzierung genannt. Dabei geht es neben der Ausstattung in der einzelnen Praxis auf dem Boden der „Meaningful Use“-Kriterien auch um Vernetzungslösungen, Möglichkeiten der Risikobetrachtung bzgl. der Patientenpopulation sowie der Finanzen sowie um die Möglichkeit zur Versorgungssteuerung. Hier sind fertige Gesamtlösungen im Markt nicht erhältlich, da die Ausgangsbedingungen bei den verschiedenen interessierten Gruppen stark differieren und die Integration der bisher vorwiegend als „stand alone“-Lösungen erhältlichen Softwarekomponenten entlang der gesamten Versorgungskette unter der Führung einer Management-Gesellschaft so umfassend bisher nicht gefordert war. Daher stellt eine klare IT-Strategie zum Aufbau einer effektiven IT-Infrastruktur eine Grundvoraussetzung für den Gesamterfolg dar
Einbindung der Patienten als
Instrument zur individuellen
Versorgungssteuerung
Ein Kernpunkt bei der individuellen Versorgungssteuerung ist die Einbeziehung des Patienten. Das kann unter Zuhilfenahme von speziellen Self-Assessment-Tools passieren, beinhaltet aber auch die Kommunikationskanäle zum Patienten über Internet und sichere E-Mail- Kommunikation. An vielen Stellen kommt hierzu bei den bereits existierenden Versorgungsstrukturen ein Patientenportal zum Einsatz. Dieses Patientenportal gewährt sicheren Zugriff auf den Versorgungsvertrag des Patienten und die in diesem Zusammenhang erfassten Daten. Die Herausforderung für eine IT-Lösung einer Accountable Care Organization ist in diesem Zusammenhang die Integration der Care Management Lösung mit dem bestehenden Patientenportal und umgekehrt die Integration der vom Patienten selbst erfassten Daten in die Care Management Applikation. Wesentlich ist hierbei nicht, dass die vom Patienten erfassten und bereitgestellten Daten von nun an Basis für die Entscheidung medizinisch notwendiger Leistungen sein wird. Vielmehr ist die Einbeziehung des Patienten und dessen bewusster Umgang mit chronischen Erkrankungen das Ziel eines Patientenportals. In diesem Zuge muss die Care Management-Lösung auch in der Lage sein, individuelle Informationen zu spezifischen Indikationen, Symptomen aber auch nicht verschreibungspflichtigen Medikamenten im Portal zur Verfügung zu stellen. Die Summe an Informationen rundet für einen Case Manager das Bild zu einem Patienten ab. Weiter wird das Patientenportal als Möglichkeit genutzt, proaktiv Risiken in der bestehenden Population über sogenannte Health Risk Assessments (HRA) aufzudecken. Die Daten eines HRAs sollten in der Analytics-Komponente zur Risikostratifizierung berücksichtigt werden und erlauben ein besseres Risikomanagement für die zu betreuende Patientenpopulation und frühzeitige Interventionen.
Zusammenfassung
Die aktuelle Entwicklung des amerikanischen Gesundheitswesens macht eine echte Gesundheitsreform nötig, die in der Lage ist, die Kostenentwicklung positiv zu beeeinflussen und die Qualität der Versorgung zu verbessern. Dieses beinhaltet eine Veränderung der Anreizmodelle hin zu einer qualitäts- und ergebnisorientierten Vergütung und eine Verschiebung des Fokus zu mehr Koordination und Prävention, Zielen die bisher nicht konsequent verfolgt wurden.
Wesentlicher Baustein der amerikanischen Gesundheitsreform sind ACOs, hausarztzentrierte Gesundheitsorganisationen mit den von den CMS auch „Three Part Aim“ genannten Zielen einer optimierten Gesundheitsversorgung definierter Populationen, verbesserter Qualität und der Senkung der abhängigen Gesundheitskosten. Die ersten Piloten sollen ab Anfang 2012 in die Umsetzung gehen, wobei die zu erwartenden Widerstände erheblich sind, da viele Beteiligte von der Gesundheitsreform keine positive Veränderung ihrer Einkommenssituation zu erwarten haben bzw. in ihrer Existenz bedroht sein könnten. Der allgemeine Erfolg des Konzeptes wird abhängig sein von kontinuierlicher politischer Unterstützung durch den amerikanischen Kongress und die CMS. Auf Ebene der individuellen ACOs werden die Rückendeckung durch Kostenträger, die Entwicklung einer tragfähigen und partnerschaftlichen Beziehung zwischen niedergelassenen Haus- und Fachärzten sowie Krankenhäusern, die Klärung der finanziellen Unterstützung beim Aufbau der Organisation und der vorgegebene Zeitplan zur Produktivsetzung maßgeblich über den Erfolg oder Misserfolg entscheiden, wobei eine Rückkehr zum alten System ausgeschlossen ist und ein Scheitern weitreichende Folgen für alle Teilnehmer des Systems hätte. Insofern kann auch bei einem eventuellen Regierungswechsel im November 2012 von einer Fortführung des neuen Ansatzes ausgegangen werden. <<

Erfolgsfaktoren für die Bildung einer ACO
Achtzehn Monate nach Verabschiedung der gesetzlichen Grundlage und sechs Monate nach Veröffentlichung des CMS-Vorschlags für das regulatorische Rahmenwerk der zukünftigen ACOs, haben sich einige Themen in der Diskussion in den Vordergrund gedrängt, die für die erfolgreiche Umsetzung von ACOs als besonders kritisch betrachtet werden. Dabei sind auch die bisherigen Erfahrungen des ACO Learning Networks sowie von Initiativen privater Kostenträger von großer Bedeutung, da hier bereits das Prinzip der teilweisen oder gänzlichen Verlagerung des finanziellen Risikos auf dem Boden verbesserter Qualität und Prozessoptimierung in Richtung der Leistungserbringer umgesetzt wurde.

• Starke Führungsfähigkeiten und betriebswirtschaftliche Kenntnisse: Um die unterschiedlichen Beteiligten auf Seiten der ACO auf ein gemeinsames Ziel einzustimmen, bedarf es innovativer Führungspersonen mit betriebswirtschaftlichen und fachlichen Kenntnissen, die es schaffen, die verschiedenen Arztgruppen (Hausärzte, Fachärzte, Krankenhäuser) und andere Beteiligte mit ihren heterogenen Zielen und unterschiedlichen Motivationen zu integrieren. Hierbei stehen die Abstimmung von finanziellen Anreizen, die Vergütung der Teilnehmer, die Priorisierung im Rahmen der Umsetzung und Konfliktmanagement im Vordergrund. Nur bei einer engagierten Beteiligung und Unterstützung durch die teilnehmenden Leistungserbringer kann das Modell ACO zum Erfolg werden.
• Tragfähige Beziehung zwischen Kostenträger und Leistungserbringern: Ein vertrauensvolles Verhältnis und Wille zu Transparenz sind Grundlage für die Zusammenarbeit zwischen Kostenträgern und Leistungserbringern unter den sich ändernden Rahmenbedingungen und für beide Partner häufig neues Terrain. Gab es bisher eine strenge Trennung der existierenden finanziellen, administrativen und medizinischen Daten zwischen den Beteiligten, so kann im Rahmen der Zusammenarbeit im ACO-Kontext nur eine gemeinsame Verfügbarkeit und Analyse der oben genannten Daten die Grundlage für Benchmark und daran anhängiger Vergütung darstellen, auf die man sich in den zu erarbeitenden Verträgen einigen muß.
• Patientenunterstützung: Um die Skalierungseffekte nutzen zu können, bedarf es einer Mindestgröße der zu versorgenden Population. Dabei verlangt das CMS pro ACO mindestens 5000 Patienten, die berechtigt sind, im Rahmen von Medicare Leistungen zu empfangen. Aussagen privater Kostenträger zeigen aber, daß erst ab einer Populationsgröße von ca. 10.000 bis 15.000 Patienten wirkliche Effekte zu erwarten sind. Dabei spielt es eine große Rolle, ob Patienten das Modell einer ACO mit unterstützen und den Mehrwert im Sinne einer für sie greifbaren Beteiligung an Entscheidungsprozesses und Transparenz sowie einer besseren Qualität und Koordination erleben. Dieses ist umso wichtiger, da Patienten vertraglich nicht an eine ACO gebunden sind.
• Ausgeprägte Fähigkeiten und Strategie für Versorgungsmanagement: Die Existenz von validen und vergleichbaren Messparametern und Infrastruktur zur Durchführung von Populationsmanagement sowie Wille und Fähigkeit zur kontinuierlichen Verbesserung der Behandlungs- und Prozessqualität auf dem Boden evidenzbasierter Versorgunsgprogramme stellen eine wichtige Erfolgsgrundlage beim Aufbau einer ACO dar. Dabei sind Organisationen von Vorteil, die bereits Erfahrung mit Versorgungsmanagement und den dazugehörigen Performance Messungen und qualitätsbasierten Vergütungsmodellen haben. Diese finden sich eher als Partner von privaten Kostenträgern, die im Rahmen der ihnen verfügbaren Freiheit bei der Gestaltung von neuen Versorgungsverträgen und Vergütungsstrukturen gegenüber dem CMS schon in der Vergangenheit im Vorteil waren.
• Zuverlässige und skalierbare IT-Infrastruktur als Schlüsselelement: Grundlage für die Fähigkeit einer ACO, die gesteckten Ziele im Sinne Qualitätsverbesserung, Kostenersparnis und Patientenbeteiligung zu erreichen, stellt eine eine robuste IT-Infrastruktur dar, die in der Lage sein muß, die im Versorgungsprozess anfallenden Schritte abzubilden. Basierend auf der Existenz von elektronischen Praxisverwaltungssystemen, die den Kriterien des „Meaningful Use“ entsprechen (s.o.) erfolgt am Anfang die Zusammenführung und Aggregation der administrativen und medizinischen Daten der einzuschließenden Patientenpopulation sowie der daran geknüpften Daten der Nutzung von Versorgungsangeboten und Kosten über ein sogenannten „Health Information Exchange“, kurz HIE. Die hieraus zu gewinnenden Informationen sind essentiell für die Identifikation von Risikopopulationen, denen auf Grund ihrer medizinischen oder finanziellen Charakteristika im Rahmen der weiteren Betreuung durch die ACO eine besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden muß. Die Betreuung dieser Risikopopulationen erfolgt mittels Softwarelösungen für Versorgungsmanagement, die neben den administrativen Aspekten von Versorgungsprogrammen wie z.B. Einschreibung der Patienten auch die Steuerung über Versorgungsprogramme beinhaltet, die evidenzbasiert erstellt werden. Die Ergebnisse der Versorgungssteuerung werden als Report mit dem vorgegebenen Zielkorridor bzgl. Versorgungsqualität und Kosten abgeglichen, um eventuell vorzunehmende Anpassungen frühzeitig erkennen zu können. Zuletzt spielen Komponenten wie Befragungstools zur Messung der Ergebnis- und Behandlungsqualität auf Patientenseite eine Rolle.