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Patients‘ Experience Questionnaire (PEQ)

Wie sucht Frau W. aus Düsseldorf die Klinik aus, wenn sie ein neues Hüftgelenk braucht? Bis vor einiger Zeit gab es auf diese Frage nur eine Antwort. Sie wurde von ihrem niedergelassenen Orthopäden überwiesen und hat sich vielleicht noch auf Informationen verlassen, die sie vom Hörensagen kannte. Die Frage, auf welche Informationen sich der behandelnde Arzt stützt, blieb offen. Wie kann man die Qualität einer Klinik einschätzen? Wie kann sich Frau W. informieren, außer dass sie Verwandte, Freunde und Bekannte fragt? Gelegentlich gibt es Sonderhefte einschlägiger Magazine, die Rankinglisten der angeblich „besten Krankenhäuser Deutschlands“ publizieren. Die diesen Listen zugrundeliegenden Methoden sind jedoch meistens nicht nachvollziehbar und wer weiß schon, welches das beste Krankenhaus für Frau W. mit ihren persönlichen Erfahrungen und Präferenzen ist?

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Erstveröffentlichungsdatum: 01.10.2009

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Wie sucht Frau W. aus Düsseldorf die Klinik aus, wenn sie ein neues Hüftgelenk braucht? Bis vor einiger Zeit gab es auf diese Frage nur eine Antwort. Sie wurde von ihrem niedergelassenen Orthopäden überwiesen und hat sich vielleicht noch auf Informationen verlassen, die sie vom Hörensagen kannte. Die Frage, auf welche Informationen sich der behandelnde Arzt stützt, blieb offen. Wie kann man die Qualität einer Klinik einschätzen? Wie kann sich Frau W. informieren, außer dass sie Verwandte, Freunde und Bekannte fragt? Gelegentlich gibt es Sonderhefte einschlägiger Magazine, die Rankinglisten der angeblich „besten Krankenhäuser Deutschlands“ publizieren. Die diesen Listen zugrundeliegenden Methoden sind jedoch meistens nicht nachvollziehbar und wer weiß schon, welches das beste Krankenhaus für Frau W. mit ihren persönlichen Erfahrungen und Präferenzen ist?

> Eine Orientierungshilfe bietet seit Juni 2008 die Internetplattform www.weisse-liste.de. Zusammen mit den Fachverbänden der größten Verbraucher- und Patientenorganisationen bietet die Bertelsmann Stiftung mit dem Internetportal Weisse Liste unabhängige Informationen über Krankenhäuser. Informationsbasis sind die gesetzlich vorgegebenen strukturierten Qualitätsberichte. Ergänzt werden diese durch Patientenerfahrungen. Denn Empfehlungen und Beurteilungen von Patienten können die Entscheidung für oder gegen ein Krankenhaus stärker beeinflussen als Daten zu Fallzahlen und Behandlungsergebnissen.
Alle Kliniken Deutschlands befragen ihre Patienten mit einem einheitlichen, messsicheren und validierten Instrument in regelmäßigen Abständen und mit einem gleichen Verfahren. Die Ergebnisse werden durch eine zentrale und unabhängige Stelle zusammengeführt und veröffentlicht. Patienten können sich schnell, übersichtlich und bequem ein Bild davon machen, welche Erfahrungen andere Patienten mit ähnlichen Erkrankungen in den verschiedenen Häusern und in den Fachabteilungen gemacht haben.
Bedeutung nimmt zu
Neben klinischen Kennzahlen wie Fallzahlen, Betreuungsschlüssel, Infektionsraten oder Kennzahlen aus der Qualitätssicherung (BQS) werden Patientenerfahrungen immer wichtiger. Der Kampf zwischen vermeintlich „objektiven“ klinischen Endpunkten und „subjektiven“, „weichen“ Befragungsdaten ist mittlerweile beigelegt. Niemand denkt mehr ernsthaft darüber nach, dass medizinische Versorgungseinrichtungen nur mit einer Datenart valide erfasst und eingeschätzt werden können. Beispielsweise ist die Zahl unnötiger Operationen genauso wichtig und relevant wie die Tatsache, dass das medizinische Personal die Patienten gut aufklärt und Patienten an zentralen Entscheidungen teilhaben lässt.
Ist die Vision realisierbar?
Patientenberichtete Endpunkte – sogenannte Patient reported outcomes – gewinnen in jüngerer Zeit selbst in klinischen Studien eine immer wichtigere Rolle. Sie dienen der Ermittlung des Nutzens neuer Behandlungsverfahren oder der Zulassung von Medikamenten. Aber patienten- und nutzerfreundlich sind sie kaum, da sie wenig verständlich und auch nicht vergleichbar sind. Die Fülle verschiedener Instrumente, die häufig mangelhafte methodische Qualität, uneinheitliche Befragungsstandards und die Weigerung vieler Häuser, die Ergebnisse zu veröffentlichen, stellen derzeit unüberwindlich erscheinende Hürden dar.
Die Betreiber der Weissen Liste haben zusammen mit verschiedenen Organisationen wie dem Schweizer Verein Outcome den Patients‘ Experience Questionnaire (PEQ) entwickelt und damit die Frage nach der Realisierung der Vision mit „ja“ beantwortet. Mit nur 15 Fragen (bzw. drei zusätzlichen Fragen für Frauen, die entbunden haben) erfasst der Kurzfragebogen Erfahrungen von Patienten in der akutstationären Versorgung und bildet alle aus Patientensicht relevanten Inhalte zur Beurteilung der Versorgungsqualität ab. Abgefragt werden folgende Merkmale:
• Beziehung zum Arzt/Pflegepersonal
• Information durch Arzt/Pflegepersonal
• Organisation und Management
• Service
• Fachliche Expertise des Arztes bzw. Pflegepersonals
• Behandlungserfolg
• Weiterempfehlungsbereitschaft

Es wäre vermessen, zu meinen, man könnte allen Kliniken von heute auf morgen ihre eigenen Befragungen verbieten und sie dazu zwingen, ein einheitliches Instrument wie PEQ zu verwenden. Dies würde nicht nur das jähe Ende oft jahrelang aufgebauter Trenddaten bedeuten, es wäre auch ein empfindlicher Eingriff in den Markt der Anbieter von Patientenbefragungen. Daher war den Initiatoren von PEQ schnell klar, dass es sich nur um ein Instrument handeln kann, das als „Huckepacklösung“ auf die bestehenden Befragungen aufgesetzt werden kann.
Daraus ergaben sich die wichtigsten methodischen Anforderungen an PEQ, wie die, dass er
• indikationsübergreifend (generisch) einsetzbar,
• kurz,
• als add-on zu bestehenden Instrumenten einsetzbar,
• relevant für das Qualitätsmanagement sowie
• psychometrisch getestet, differenzierungsfähig und änderungssensitiv ist und
• eine hohe Akzeptanz bei Nutzern haben soll.

Eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe hat den Patients´ Experience Questionnaire (PEQ) seit 2006 entwickelt. Seit Anfang 2008 sind alle Messungen und Validierungen abgeschlossen. PEQ wird für Messungen in der Schweiz bereits eingesetzt und seit Februar 2009 ist klar, dass PEQ im Rahmen der Messungen des Vereins Outcome in der Schweiz regelhaft eingesetzt wird.
In Deutschland gibt es noch keine nationale Organisation, die den PEQ in ihren Messungen regelhaft einsetzt. Die methodischen Voraussetzungen sind aber bereits geschaffen. PEQ wird von vielen Krankenhäusern im Rahmen ihres internen Qualitätsmanagements schon genutzt. Für die Veröffentlichung der PEQ-Ergebnisse müssen die Kliniken mit einem akkreditierten Befragungsinstitut zusammenarbeiten (siehe www.weisse-liste.de/PEQ). Denn nur wenn die methodischen Standards eingehalten werden, ist ein fairer, unverzerrter Vergleich der Ergebnisse auch möglich. Und die öffentliche Vergleichbarkeit der Patientenerfahrungen ist das Ziel, das mit PEQ angestrebt wird. Deshalb können die Ergebnisse auch nicht nur in der Weissen Liste, sondern auch in allen anderen Portalen oder Publikationen veröffentlicht werden.
Erste Ergebnisse sind bereits in der Weissen Liste zu sehen. Empfehlungen, PEQ in Kliniken einzusetzen und Ergebnisse zu veröffentlichen, wurden bereits vom Evangelischen Krankenhausverband Deutschland sowie vom Katholischen Krankenhausverband ausgesprochen.
Der PEQ wurde in einem zweijährigen Verfahren von einer interdisziplinären Arbeitsgruppe mit schweizer und deutschen Teilnehmern entwickelt und validiert. Der detaillierte Ablauf der Entwicklung und Validierung wird in dem Buch „Patientenerfahrungen vergleichbar machen“ (in Druck) beschrieben. In jeder Entwicklungsphase wurden Patienten eingebunden, um die Verständlichkeit, Relevanz und Eindeutigkeit der Fragen sicherzustellen. Hier sollen lediglich die wesentlichen Schritte dargestellt werden.
Ergebnis der Validierung
Mit dem PEQ liegt ein Instrument vor, das an bestehende Befragungen angehängt werden kann, ohne dass die Ergebnisse dieser Befragung beeinflusst werden. Durch die integrierten Items, die mehrere Fragen aus einem Bereich zusammenfassen, entsteht bei add-on-Verfahren auch nicht der Eindruck der Redundanz. Die Tests ergaben außerdem, dass der jeweils vorgeschaltete Fragebogen keinen (messbaren) Effekt auf die Ergebnisse des PEQ hat. D.h. unabhängig davon, welcher Fragebogen als Basis genommen wird, oder auch bei alleiniger Nutzung, liefert der PEQ vergleichbare Ergebnisse.
Durch seine 15 Fragen (siehe www.m-vf.de) beansprucht das Ausfüllen nur wenig Zeit. Mit der einzigen Weiterentwicklung, PEQ-Geburt, wird mit drei zusätzlichen Fragen die Betreuung durch Hebammen abgefragt. Auch hier handelt es sich im Vergleich zu anderen Instrumenten um einen Kurzfragebogen.
PEQ ist in vielen klinischen Bereichen einsetzbar und für Patienten leicht verständlich. Der PEQ zeigt sehr sensitiv Unterschiede zwischen Einrichtungen auf. Diese beziehen sich allerdings auf größere Dimensionen („Tracer“; z.B. Interaktion Patient-Pflege). Die Ziele und Ergebnisse der unterschiedlichen Entwicklungs- und Validierungsschritte sind in einer unter www.m-vf.de einsehbaren Tabelle zusammengefasst.
Aktueller Stand
Der PEQ steht interessierten Versorgungseinrichtungen in Deutschland kostenlos zur Verfügung. Die Lizenzrechte für die Schweizer Version liegen beim Verein Outcome. Statt einer Lizenzgebühr verpflichten sich die Nutzer in Deutschland, die Befragungen nach klar festgelegten methodischen Regeln durchzuführen (Sicherstellung der Durchführungsobjektivität). Für die Veröffentlichung können die Daten in aggregierter und anonymisierter Form über ein Befragungsinstitut an die Datenannahmestelle der Weissen Liste geliefert werden. Die Veröffentlichung möglichst vieler Patientenerfahrungen und eine flächendeckende Vergleichbarkeit und Transparenz der Ergebnisse – insbesondere für die Nutzer – ist das erklärte Ziel des PEQ. Aktuell haben bereits 50 Krankenhäuser in Deutschland und 24 in der Schweiz an einer PEQ-Befragung mit verschiedenen Abteilungen teilgenommen. Neben der hochdeutschen sind eine schweizerdeutsche, eine französische und eine italienische Fassung des Instruments im Einsatz. Die anfängliche Skepsis weicht der zunehmenden Überzeugung, mit PEQ auf ein Verfahren zu setzen, das sich durchsetzen wird.
Wer im Krankenhaus gut informiert, behandelt und versorgt worden ist, gibt seine positiven Erfahrungen gerne an andere weiter. <<
von: Dr. Fülöp Scheibler/
Gaby Schütte*