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Aktuell steht das AMNOG mit seinen Auswirkungen auf die Versorgung von Patienten mit innovativen Präparaten im Fokus des Arzneimittelmarktes. Am Ende des Lebenszyklus einer pharmazeutischen Innovation finden sich allerdings ebenfalls aktuelle Themen von hoher Relevanz für die Patientenversorgung, die vielleicht etwas weniger im Rampenlicht stehen. Gemeint ist der Ablauf des Patents und dessen Folgen.

> Mit dem Ablauf der Schutzrechte für einen Wirkstoff kommt es in der Regel zum Markteintritt von Generika. Der generische Wettbewerb kann dabei rasch Marktanteile zugunsten der Nachahmer-Präparate verschieben, welche hierdurch wiederum eine bedeutende Rolle in der Patientenversorgung übernehmen. Die generischen Präparate stehen dabei quasi mit Patentablauf zur Verfügung. Binnen weniger Wochen werden hier signifikante Mengen über den pharmazeutischen Großhandel in die Apotheken distribuiert.

Patentablauf sorgt für  Marktverschiebungen
Im Jahr 2011 sind die Patente für zahlreiche Wirkstoffe abgelaufen, darunter u. a. Valsartan und Olanzapin (Quelle: SHARK, INSIGHT Health; vgl. Tabelle 1). Damit wurde ein signifikantes Marktvolumen dem Wettbewerb um die Patientenversorgung zugeführt. Alleinig bezogen auf die in Tabelle 1 aufgeführten sechs Wirkstoffe sind dies im Jahr 2010 GKV-Ausgaben in Höhe von knapp 900 Mio. Euro bewertet zu Apothekenverkaufspreisen (Quelle: NVI, INSIGHT Health).

Beispiel Valsartan (mono):
Hier waren 2010 GKV-Ausgaben bewertet zu Listenpreisen in Höhe von 116 Mio. Euro zu verzeichnen. Die Kosten je Tagestherapiedosis (DDD) betrugen rund 52 Cent (NVI, INSIGHT Health). Zum 13. November 2011 lief der Patentschutz aus. Dies führte unmittelbar zu einer umfangreichen Belieferung der Apotheken mit den generischen Präparaten durch den Großhandel (vgl. Abb. 1). Insgesamt wurden bereits im Dezember 2011, also im Folgemonat des Patentablaufs, mehr als die Hälfte der Valsartan-Patienten mit den kostengünstigeren Generika therapiert. Dies bedeutet, dass zahlreiche Patienten unmittelbar mit Markteintritt der Generika auch eine entsprechende Umstellung erfahren haben. Im März 2012 erreichte die Generika-Quote bezogen auf die mit Valsartan versorgten GKV-Patienten rund 80 Prozent. Bei den Neueinstellungen liegt der Anteil der Generika sogar deutlich über 90 Prozent (Patienten Tracking, INSIGHT Health).
Die durchschnittlichen Kosten je Tagestherapiedosis sanken in der Zwischenzeit auf ca. 22 Cent (vgl. Abb. 2). Krankenkassen können demnach erhebliche Einsparungen durch die niedrigeren Preise der Generika realisieren.

Rabattverträge nach Patentablauf
Rabattverträge über Arzneimittel nach § 130a (8) SGB V sind nach Zahlen von INSIGHT Health mit einem aktuellen Anteil von 54,1 Prozent der Verordnungen (März 2012, vgl. Abb. 3) ein zentraler Kostendämpfungsbaustein innerhalb der Gesetzlichen Krankenversicherung. Im Jahr 2011 kamen so Einsparungen in Höhe von über 1,6 Mrd. Euro zustande (vgl. BMG, KV 45 - Vorläufige Rechnungsergebnisse 1.-4. Quartal 2011).
Nicht selten werden die gerade erst generisch gewordenen Wirkstoffe kurz nach Patentablauf in eine Rabattausschreibung nach § 130a (8) SGB V aufgenommen. So erfolgte die erste europaweite Rabattausschreibung zu Valsartan bereits am 21. Dezember 2011 durch spectrum|K, also nur ein paar Wochen nach dem generischen Marktzugang. Rabattverträge wie diese greifen damit kurz nach Patentablauf bereits in den geöffneten Markt ein. Unter den neun Bewerbern gingen drei Gewinner hervor, welche ab dem 1. Mai 2012, also ca. sechs Monate nach Patentablauf, den wesentlichen Teil der Valsartan-Versorgung der Patienten der ausschreibenden Kassen übernehmen.
Sechs weitere Tender zu dem Wirkstoff sind bereits veröffentlicht, so dass die Versorgung spätestens zum Inkrafttreten der TK-Ausschreibung am 1. November 2012 und damit ein Jahr nach Patentablauf nahezu vollumfänglich über Tender geregelt sein wird.
Für die Patienten bedeutet dies, dass sie sich gegebenenfalls erneut mit einer Umstellung beschäftigen müssen. Was aus einer kurzfristigen kostenorientierten Perspektive der GKV heraus ggf. Sinn macht, kann im Einzelfall problematisch sein. So wird etwa in dem Kontext von Umstellungen auch über den möglichen negativen Einfluss auf die Therapiecompliance diskutiert. Die Relevanz dieses Themas variiert allerdings von Indikation zu Indikation.

Bridging-Verträge vor Patentablauf
Etwas anders fällt der Blick auf solche Rabattverträge aus, die unmittelbar vor Patentablauf geschlossen werden. Originalhersteller reagierten in jüngster Vergangenheit vermehrt mit sogenannten Bridging-Verträgen auf die von ihnen antizipierten, drastischen Marktverschiebungen.
Dies bedeutet, dass vor dem Ablauf des Patentschutzes ein Rabattvertrag mit einer Kasse abgeschlossen wird, der sich zeitlich über den Patentschutz hinaus erstreckt. Damit ist eine Substitution des Originalproduktes in der versorgenden Apotheke nicht mehr ohne weiteres möglich, was unter anderem zu Beschwerden der Generikaindustrie führte. Beispiel hierfür ist der Wirkstoff Candesartan, für den im letzten Quartal 2011, also kurz vor dem Patentablauf am 29. April 2012, Rabattverträge mit 124 gesetzlichen Krankenkassen abgeschlossen wurden. Der Wirkstoff steht für GKV-Ausgaben (AVP) von rund 214 Mio. Euro im Jahr 2011 (NVI, INSIGHT Health). Für den Patienten bedeutet dies, dass er bis auf weiteres mit seinem gewohnten Präparat weiterversorgt wird. Für den Wettbewerb bedeutet dies allerdings, dass der Marktzugang zumindest partiell beschränkt bleibt. <<
von:
Christian Bensing
Dr. André Kleinfeld*