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Rheuma-Versorgung regional unterschiedlich

Medikamentöse Therapie der frühen rheumatoiden Arthritis

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Erstveröffentlichungsdatum: 01.06.2009

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Der Markt für Basistherapeutika zur Therapie der rheumatoiden Arthritis besaß 2008 nach einer Erhebung von INSIGHT Health ein Umsatzvolumen von 739 Mio. Euro. Mit durchschnittlichen jährlichen Wachstumsraten von knapp 21 Prozent hat sich dieser Markt seit 2004 mehr als verdoppelt.

> Die rheumatoide Arthritis (RA) hat eine Prävalenz von 0,5–1 Prozent, wobei Frauen etwa doppelt so häufig betroffen sind wie Männer. In Deutschland rechnet man mit circa 800.000 Erkrankten. Trotz geringer Inzidenz hat RA aufgrund des chronischen Verlaufs sowie der Schwere der Erkrankung eine erhebliche Bedeutung. RA gilt als Systemerkrankung, bei der nicht nur Gelenke, sondern auch Herz, Lunge und Augen in Mitleidenschaft gezogen werden (vgl. Deutsche Rheuma-Liga Bundesverband. e.V.: Rheumatoide Arthritis - Therapie und Lebensperspektiven, 2008 (4. Aufl.), S. 9 ff.).
Bei der Behandlung der RA ist der frühe Beginn einer Therapie mit Basistherapeutika, sog. Remissionsinduktoren bzw. Disease Modifying Anti-Rheumatic Drugs (DMARDs), entscheidend für den weiteren Krankheitsverlauf. Um das „window of opportunity“ einer frühzeitigen Diagnose ausnutzen zu können, sollte bei Vorliegen einer RA-Diagnose innerhalb von drei Monaten eine Therapie begonnen werden. Eine möglichst frühe Diagnose und Therapie ist auch aus gesundheitsökonomischer Perspektive sinnvoll: Während sich die direkten Kosten von RA auf rund 4.700 Euro belaufen, sind die indirekten Kosten für Arbeitsausfälle, Frühverrentung u.a. in etwa doppelt so hoch (vgl. Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie e.V.: Ökonomische Implikationen der RA, S. 12).
Erste Erfolge einer verbesserten Diagnose und Therapie sind bereits zu verzeichnen: So hat sich im Zeitraum zwischen 2001 und 2007 die Dauer der Arbeitsunfähigkeit aufgrund von entzündlich-rheumatischer Erkrankungen halbiert, und auch die Häufigkeit der Arbeitsunfähigkeit ist deutlich gesunken (vgl. Hubert: Rheuma-Patienten jetzt besser versorgt, Ärzte Zeitung, 20./21.03.2009, S. 1f.). Auf der anderen Seite haben sich die Umsätze mit medikamentösen Basistherapeutika in den letzten Jahren erhöht. Dies ist nicht zuletzt dem Einsatz von innovativen Arzneimitteln geschuldet.
DMARDs sollen Krankheits-
verlauf positiv steuern
Die medikamentöse Therapie der frühen RA erfolgt mittels entsprechender Basistherapeutika. Mit dieser Medikamentengruppe soll - im Gegensatz zu einer symptomatischen Therapie, die mittels nichtstereoidaler Antirheumatika (NSAR) oder sog. Coxibe erfolgen kann - eine Beeinflussung des Krankheitsverlaufes erzielt werden. Durch eine kontinuierliche Therapie mit DMARDs soll einer Gelenkzerstörung vorgebeugt bzw. diese verzögert sowie die Funktionsfähigkeit der Gelenke erhalten werden. Die in der Leitlinie zur Therapie der frühen rheumatoiden Arthritis gelisteten Basistherapeutika bilden die Grundlage der nachfolgenden Datenanalysen (vgl. Schneider et al. (2007): DGRh-Leitlinie: Management der frühen rheumatoiden Arthritis, S. 13 ff.).
Umsatz mit Basistherapeu-
tika wächst stetig
Analysiert man die Entwicklung der Umsätze der in der DGRh-Leitlinie (2007) dargestellten Basistherapeutika auf Basis der Daten des Apothekeneinkaufs, ergibt sich für 2008 ein Marktvolumen von 739 Mio. Euro bewertet nach Abgabepreisen des pharmazeutischen Unternehmers (ApU) bzw. 962 Mio. Euro bewertet nach Apothekenverkaufspreisen (AVP). Sowohl die Umsätze (nach ApU) mit den in der Therapie eingesetzten Immunsuppressiva (2008: 388 Mio. Euro) als auch mit den spezifischen Antirheumatika (2008: 351 Mio. Euro) sind in den vergangenen Jahren markant angestiegen. So haben sich beide Umsatzkennziffern im Zeitraum 2004 bis 2008 mehr als verdoppelt, wobei die durchschnittlichen jährlichen Wachstumsraten der beiden Subgruppen knapp 21 Prozent betragen.
Dabei sind die Umsatzanstiege der biotechnisch hergestellten, patentgeschützten Arzneimittel Humira® (Adalimumab) und Enbrel® (Etanercept) mit einem durchschnittlichen jährlichen Wachs­­tum von 56 Prozent bzw. 27 Prozent für die Jahre 2004 bis 2008 die wesentlichen Treiber des Marktes (vgl. Abb. 1).
Beispielsweise beträgt der ApU der DMARDs Etanercept (Enbrel®, 50 mg, 12 Stück, DDD: 7 mg) bzw. Adalimumab (Humira®, 40 mg, 6 St., DDD: 2,9 mg) einheitlich 4.221,30 Euro. Dies entspricht einem Apothekenverkaufspreis (AVP) von 5.271,94 Euro. Der Preis einer Tagestherapiedosis (DDD) dieser beiden DMARDs beträgt damit über 60 Euro. Demgegenüber sind generische Standardmedikamente der Substanzen Sulfasalazin oder Azathioprin mit durchschnittlichen DDD-Kosten (nach AVP) von unter einem bzw. zwei Euro eine deutlich günstigere Therapieoption.
Die dargestellten Unterschiede haben unmittelbare Auswirkungen auf die Finanzierung der Versorgung von RA-Patienten: Je nach gewähltem Therapieansatz können die jährlichen direkten Therapiekosten für Medikamente zwischen einigen Hundert bis hin zu weit über zehn Tausend Euro betragen. Und: Bereits geringe Anstiege auf Seiten der Verordnungen von innovativen DMARDs können für signifikante Umsatz- resp. Ausgabenanstiege sorgen.

Regionale Unterschiede in der Therapie der rheumatoiden Arthritis
Auf Seiten der medikamentösen Therapie mit Basistherapeutika zeigen sich hinsichtlich der Verordnungsumsätze (GKV und PKV) regionale Besonderheiten. So schwanken die Pro-Kopf-Umsätze zwischen den Bundesländern deutlich: Während in Rheinland-Pfalz nur 6,58 Euro pro Bürger mit Basistherapeutika umgesetzt werden, liegt dieser Wert für Mecklenburg-Vorpommern bei 17,35 Euro. Im Bundesdurchschnitt lagen die Pro-Kopf-Umsätze 2008 bei 10,15 Euro (vgl. Abb. 2).
Durchschnittlich 60 Prozent dieser Umsätze gehen im Übrigen auf die Sub­stanzen Etanercept und Adilumimab zurück. Während der Anteil dieser Therapeutika an den Umsätzen in Rheinland-Pfalz lediglich 49 Prozent beträgt, liegt der Wert für Mecklenburg-Vorpommern bei 69 Prozent.
Vergleicht man die Daten der einzelnen Bundesländer, kann man - mit Ausnahme von Bremen und Baden-Württemberg - eine grobe Einteilung in die beiden Gebiete Süd-West und Nord-Ost treffen. Der Nord-Osten zeichnet sich durch überdurchschnittliche Pro-Kopf-Umsätze für Basistherapeutika aus, der Süd-Westen durch unterdurchschnittliche.
Die Betrachtung der Pro-Kopf-Umsätze mit Basistherapeutika auf Basis von rund 3.800 regionalen Zellen zum Ort der Verordnung (ODV: Ort, in dem das Rezept ausgestellt wurde, Quelle: INSIGHT Health) liefert hingegen ein differenzierteres Bild. Es ist eine deutliche regionale Konzentration der Verordnungsumsätze erkennbar (vgl. Abb. 3).
Die jährlichen Pro-Kopf-Umsätze schwanken regional zwischen wenigen Cent und nahezu 700 Euro. Die sehr hohen Pro-Kopf-Umsätze je Einwohner entfallen ganz überwiegend auf Zentren der deutschen Groß­städte, also auf Orte, an denen die (fach)ärztliche Versorgung tendenziell gut ist und in denen rheumatologische Schwerpunktpraxen bzw. Experten auch Patienten aus dem (nahen) Umland anziehen und diese auch eher innovative Therapeutika verordnen. Spitzenreiter sind hier die Zentren der Städte Berlin (693,49 Euro), Freiburg (663,23 Euro) und Mannheim (567,53 Euro). Demgegenüber werden in nahezu 83 Prozent der dargestellten Zellen DMARDs im Wert von weniger als acht Euro je Bürger verordnet. Patienten, die sich in diesen Regionen medikamentös therapieren lassen möchten, erhalten demnach vermutlich weniger leicht Zugang zu innovativen Arzneimitteln. <<
von: Christian Bensing /
Dr. André Kleinfeld*