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Status Quo: Diabetologie in Deutschland

Erstveröffentlichungsdatum: 01.08.2010

Literatur

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Zusätzliches

Plain-Text

Der Diabetes mellitus gilt mit einer Prävalenz von ca. 5 bis 6 % der Bevölkerung als eine Volkskrankheit. Er ist unter anderem eine häufige Ursache für Neuerblindung, hämodialysepflichtige Niereninsuffizienz sowie Amputationen an den unteren Extremitäten. Darüber hinaus ist er mit einem circa zwei- bis dreifach erhöhten Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall assoziiert. Die Diagnose subsumiert verschiedene Störungen des Stoffwechsels, da sie allein auf erhöhten Blutzuckerwerten basiert. Im Folgenden werden wir zunächst auf die häufigsten Formen des Diabetes mellitus eingehen, dann Beispiele für Initiativen der Qualitätssicherung sowie ihre Analysen bei Erwachsenen und Kindern darstellen und mit ein paar Perspektiven enden.

>> Die beiden häufigsten Diabetesformen sind der Typ-1- und Typ-2-Diabetes. Der Diabetes mellitus Typ 1 betrifft circa 5 bis 10 % der Diabetespatienten und manifestiert sich überwiegend im Kindes- und Jugendalter als Folge einer autoimmunen Zerstörung der insulinproduzierenden A-Zellen im Pankreas. Etwa zehnmal häufiger ist der sog. Diabetes mellitus Typ 2. Er tritt eher im Erwachsenenalter auf und geht in 80−90 % der Fälle mit Übergewicht und Insulinresistenz einher. Übergewicht mit ungünstiger Fettverteilung (viszeral und ektop), reduzierte körperliche Aktivität und Insulinresistenz gelten als Risikofaktoren des Typ-2-Diabetes.
Im Hinblick auf die Inzidenz ist die Dunkelziffer hoch. Im Alter von 35−39 Jahren kommen zu 2,2 % der Patienten mit bekanntem Diabetes nochmals 2 % mit bis dahin unbekannter Erkrankung sowie 11 % mit möglichen Vorstufen des Diabetes (Meisinger et al. 2009). In großen klinischen Studien ist gezeigt worden, dass man Inzidenz und Progression diabetesspezifischer mikroangiopathischer Spätkomplikationen (The DCCT Research Group 1993; UK Prospective Diabetes Study Group 1998) sowie das Risiko für makrovaskuläre Komplikationen durch frühzeitige und effektive Einstellung des Glukosestoffwechsels und der Hypertonie sowie durch Statintherapie reduzieren kann (Gaede et al. 2003). Daher ist die qualitätsgesicherte Umsetzung von Therapiestandards für die Versorgung der Patienten mit Diabetes essenziell.
Initiativen der Qualitätssicherung
Im Folgenden wird beispielhaft auf Initiativen und Analysen der Qualitätssicherung im Erwachsenenalter und anschließend im Kindes- und Jugendalter eingegangen, wobei gesundheitsökonomische und krankheitsbezogene Kohorten- sowie Populationsstudien nicht berücksichtigt werden.

Erwachsene
Die erste Qualitätssicherungsinitiative in der Diabetesbehandlung wurde in der Deutschen Diabetes-Gesellschaft entwickelt und richtete sich an die Versorgungsebenen Akutkrankenhaus, Diabetesfachklinik und Diabetesschwerpunktpraxis (Müller et al. 2008). Später folgten Initiativen in der Primärversorgung von Diabetespatienten wie der Diabetes-TÜV der Deutschen Betriebskrankenkasse (Gruser et al. 2000), Modellversuche in Sachsen und Thüringen (Rothe et al. 2008; Schiel et al. 2009) und das Disease-Management-Programm (DMP) Diabetes mellitus Typ 2 und Typ 1. Im Bereich der internistischen Diabetologie führte die Arbeitsgemeinschaft für strukturierte Diabetestherapie (ASD) in den 1990er Jahren das System der gegenseitigen Hospitation (Peer Supervision System) und die Präsentation der Hospitation und der Ergebnisqualität der Einrichtungen auf der Jahrestagung der ASD ein.
Laut Qualitätssicherungsbericht 2008 des DMP Nordrhein sind 392.384 Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2 und 17.380 Patienten mit Diabetes mellitus Typ 1 im DMP Nordrhein eingeschrieben (Hagen et al. 2008/9). Dies betrifft etwa 77 % aller Patienten mit Diabetes Typ 2 und 31 % aller Patienten mit Diabetes Typ 1 in Nordrhein. Die überwiegende Anzahl der patientenbezogenen, vertraglich definierten Qualitätsziele konnte für Patienten mit Diabetes mellitus sowohl des Typs 1 als auch des Typs 2 erreicht werden.
Die Europäische Diabetesgesellschaft (European Association for the Study of Diabetes, EASD) initiierte 2009 in acht Ländern (Irland, Belgien, Niederlande, Schweden, Italien, England, Deutschland und Frankreich) eine Querschnittstudie über die Behandlungsqualität auf Primärversorgungsebene und die Anwendung von Leitlinien durch Hausärzte (Stone et al. 2010). Die Behandlungsqualität umfasst die Dimensionen Struktur (Raum, Personal, Geräte), Prozess (Diagnose, Behandlungsprogramme) und Ergebnis. Zur Beurteilung sowohl der eigenen als auch der Struktur- und Prozessqualität anderer Einrichtungen dient unter anderem die Hospitation, welche regelmäßig sowohl aktiv als auch passiv erfolgen sollte.
Ein sehr hohes Niveau der Qualitätssicherung stellt der Nachweis der Ergebnisqualität einer nicht-selektierten Patientengruppe dar, die eine vergleichbare Therapie erhalten hat. Das geschieht am besten durch ein systematisches Follow-up einer repräsentativen Stichprobe nach einem bestimmten Zeitraum, z.B. nach 12 bis 15 Monaten. Die wichtigsten Parameter zur Ergebnisqualität in der Diabetologie sind z.B.:
• aktuelles HbA1c unter Angabe des Normbereiches (untere und obere Normgrenze)
• Blutdruck (Mittelwert der letzten 5 bis 10 Messungen)
• schwere Hypoglykämien (Glukose i. v. oder Glukagoninjektion) innerhalb von zwölf Monaten vor und nach Teilnahme am strukturierten Behandlungs- und Schulungsprogramm
• diabetische Ketoazidosen oder Komata mit Notwendigkeit einer stationären Behandlung innerhalb von zwölf Monaten vor und nach Teilnahme am strukturierten Behandlungs- und Schulungsprogramm
- Krankenhaustage innerhalb von zwölf Monaten vor und nach Teilnahme am strukturierten Behandlungsprogramm
- diabetesbezogene Lebensqualität
Daten zur Charakterisierung der Patienten (z.B. Alter, Geschlecht, Diabetesdauer, Sozialstatus, weitere Laborwerte) und zu Details der Behandlung sind zur Interpretation der Daten notwendig.
Wesentlich differenzierter sind Methoden der Qualitätssicherung, bei denen die individuellen Therapieziele berücksichtigt werden. Zum Beispiel ist eine HbA1c-Verbesserung als Indikator für eine erfolgreiche Therapie nur sinnvoll, wenn das Problem die schlechte Stoffwechsel-einstellung war. Bei Patienten mit dem Problem schwerer Hypoglykämien, deren HbA1c oft im Zielbereich liegt, ist die HbA1c-Messung hingegen nicht als Erfolgsindikator geeignet. Völlig unberücksichtigt bleiben bisher die Ziele der Patienten selbst, die nicht immer identisch mit den Zielen ihrer Behandler oder Berater sind.

Die ROSSO-Studie (Retrolective Study Self-Monitoring of Blood Glucose and Outcome in Patients with Type 2 Diabetes; Martin et al. 2008) ist eine retrospektive Longitudinalstudie zur Versorgungsqualität bei Patienten mit Typ-2-Diabetes. Dabei wurden mehr als 3.000 Patienten aus fast 200 Arztpraxen eingeschlossen. Es zeigte sich, dass in den ersten Jahren nach Diagnosestellung bei ca. einem Viertel der Patienten HbA1c-Werte dokumentiert waren, am Ende der Studie, nach ca. sieben Jahren, hingegen bei etwa der Hälfte der Patienten. Interessant ist auch festzustellen, dass bei LDL-Werten (Low Density Lipoprotein) von 200mg/dl nur weniger als ein Drittel der Patienten mit Statinen versorgt worden war. Der Zeitraum der Untersuchungen lag allerdings zwischen 1995 und 1999.

Das sog. DUTY-Register (Diabetes Mellitus Needs Unrestricted Evaluation of Patient Data to Yield Treatment Progress) wurde hingegen 2002−2003 erstellt. Dafür wurden Daten von mehr als 50.000 Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2 in Deutschland analysiert (Berthold et al. 2007). Eine blutzuckersenkende Therapie erhielten 86 % der Patienten, bei 74,1 % wurde medikamentös der Blutdruck gesenkt, und nur etwa ein Viertel der untersuchten Patienten erhielten ein Statin. Ein HbA1c-Zielwert von kleiner 6,5 % hatten 26,7 % der Patienten, einen systolischen Blutdruck von unter 130 mmHg sowie einen diastolischen von unter 80 mmHg hatten 7,5 % der Patienten erreicht, ein LDL-Cholesterin von weniger als 100mg/dl war bei 15,8 % der Patienten zu verzeichnen.
Solche Registerdaten bei der Analyse der Versorgungsqualität sind sehr wichtig und zielen meist auf die Fragen der Umsetzungsqualität von Erkenntnissen aus klinischen Studien ab. Problemfelder bestehen darin, dass z.B. in diesem Fall die in klinischen Studien üblicherweise sehr gut belegte Statintherapie und blutdrucksenkende Medikation deutlich schlechter als die blutzuckersenkende Therapie in der Praxis umgesetzt waren, obgleich der Effekt einer blutzuckersenkende Behandlung bei Patienten mit Typ-2-Diabetes in Bezug auf die kardiovaskuläre Risikoreduktion deutlich schlechter belegt ist.

Kinder und Jugendliche
In Bezug auf die pädiatrische Diabetologie erfassen drei große Inzidenzregister für pädiatrische Diabetespatienten bis zum 14. Lebensjahr (Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg, Sachsen) und das bundesweite Register für Diabetesmanifestationen vor dem fünften Lebensjahr (ESPED-Register) seit vielen Jahren die Häufigkeit von Neuerkrankungen in Deutschland sowie mögliche Einflussfaktoren auf die Häufigkeitszunahme (Rosenbauer et al. 2008). In den letzten Jahren wurde auch die Inzidenz des Typ-2-Diabetes bei Jugendlichen untersucht, wobei die berichteten Zahlen diagnostizierter Patienten ver-glichen mit Berichten aus USA, Mexiko oder Japan übereinstimmend als sehr niedrig berichtet werden.
Zur Qualitätssicherung wurde ab Mitte der 1990er Jahre ein bundesweites Benchmarkingsystem in der pädiatrischen Diabetologie aufgebaut. Qualitätsindikatoren für Prozess- und Ergebnisqualität in der pädiatrischen Diabetologie unterscheiden sich deutlich von Indikatoren in der internistischen Diabetologie.
Manifeste Folgeerkrankungen sind in der pädiatrischen Altersgruppe sehr selten, daher kann deren Rate nicht als Basis eines Qualitätsmanagement-Systems herangezogen werden.
Indikatoren wie normales Längenwachstum und normaler Pubertätsablauf, aber auch manche psychosozialen Indikatoren sind dagegen nur in der pädiatrischen Diabetologie relevant. 1995 veröffentlichte die AG pädiatrische Diabetologie ein Statement zur Qualitätssicherung. Eine standardisierte, elektronische longitudinale Verlaufsdokumentation wurde aufgebaut. Zweimal jährlich werden anonymisierte Verlaufsdaten für die gemeinsamen Benchmarkingauswertungen übermittelt. Unglaubhafte Werte werden in einem Korrekturlauf an die Zentren zurückgeschickt. Die Benchmarkingauswertungen werden automatisch erstellt, wobei die externen Vergleiche des aktuellen Behandlungszeitraums mit Histogrammen verglichen werden. Ausgewertet werden pädiatrisch relevante Indikatoren der Strukturqualität (Personal, Schulungsangebote), der Prozessqualität (Vollständigkeit von Kontrolluntersuchungen, Hospitalisierungsrate und -dauer, Schulungsintensität, Insulintherapie, Begleittherapie für Risikofaktoren) sowie der Ergebnisqualität (erzielte Stoffwechseleinstellung, akute Komplikationen, BMI, Rate von Risikofaktoren etc.). Aktuell beteiligen sich 186 pädiatrisch-diabetologische sowie 92 internistisch-diabetologische Einrichtungen an dieser Qualitätssicherungsinitiative. Für regionale Qualitätszirkel werden entanonymisierte Auswertungen erstellt. Beispielauswertungen sind unter www.peda-qs.de (Bereich DPV, Benchmarking) einsehbar.
Beim Typ-1-Diabetes in der Pädiatrie spielt die Insulintherapie die zentrale Rolle. Untersuchungen zur Wahl von Insulinpräparat und Insulintherapieform sind deshalb ein wichtiger Aspekt der Versorgungsforschung in der pädiatrischen Diabetologie. Die letzten 15 Jahre waren von einem raschen Wechsel von vorwiegend konventioneller Therapie (1−3 Injektionen pro Tag) hin zu intensivierter Therapie (4 oder mehr tägliche Injektionen) und Pumpentherapie geprägt: Mehr als 50 % der Kinder mit Diabetes, die jünger als fünf Jahre sind, werden mittlerweile mit einer Insulinpumpe behandelt. Vor dem Jahr 2000 kam diese Therapieform in dieser Altersgruppe hingegen noch nicht vor (Holder et al. 2007). Sowohl schnellwirkende als auch langwirkende Analoginsuline werden zunehmend auch in der pädiatrischen Diabetologie eingesetzt.
Die Auswirkungen des familiären Umfeldes und von sozialer Ungleichheit auf den Krankheitsverlauf sind wichtige Felder pädiatrisch-diabetologischer Versorgungsforschung. Vor allem betroffene Kinder aus Familien mit Migrationshintergrund unterscheiden sich bezüglich Inanspruchnahme von Versorgung, Wahl der Insulintherapieform sowie metabolischen Ergebnissen erheblich von Kindern mit deutschem Hintergrund (Holterhus et al., 2007).
Perspektiven
Die Optimierung der Versorgung der Patienten mit Diabetes mellitus inklusive der Früherkennung von Risikoindividuen (Prävention) ist extrem wichtig. Durch strukturierte und effektive Umsetzungen von Therapiestrategien können Spätkomplikationen sowie Sterblichkeit reduziert und durch effektive präventive Maßnahmen der Ausbruch der Erkrankung bei einem Teil der Probanden verhindert werden.
Aus diesen Gründen hat die Deutsche Diabetes-Gesellschaft seit vielen Jahren die transsektoral übergreifende Anerkennung von Behandlungszentren anhand inhaltlicher und struktureller Kriterien implementiert, die zum Teil auch Eingang in entsprechende DMP gefunden hat. Beispielsweise wurde ein nationaler Diabetesplan entwickelt, der Prävention, Forschung und Versorgung umfasst. Solche Aktivitäten finden auch Eingang in den neugegründeten Verein diabetesDE, in dem alle Betroffenen, Versorger und Forscher Mitglied werden können. Derartige Strukturen sollten in der Zukunft unbedingt genutzt werden, um Forschungsfragen nicht nur in der Ätiologie und Pathogenese, sondern auch in der Versorgung zu beantworten. Hierzu müssen allerdings Kriterien und Methoden der Datenerhebung (z.B. repräsentative Stichproben, Krankenkassendaten, Registerstudien) vereinheitlicht und validiert werden. Der Versorgungsforschung kommt dabei nicht nur die Aufgabe zu, die Umsetzung, Effizienz und Kosteneffektivität einzelner Maßnahmen oder Konzepte zu evaluieren, sondern auch die Aufgabe, über eine dezidierte Ist-Analyse Problemfelder und wesentliche Stellschrauben für eine effiziente und bessere Versorgungsqualität zu definieren. Zudem sollte sie sich in Zukunft stärker mit bestimmten Patientengruppen (z. B. Kinder, ältere Menschen, Patienten mit Migrationshintergrund) und mit Problemen der ambulanten und stationären Pflege beschäftigen.
Auf dieser Grundlage können dann auch gezielt und effektiv neue Versorgungsprogramme (z.B. Telemedizin, transsektorale krankheits- oder komplikationsorientierte Pfade) entwickelt und evaluiert werden, bei denen die strukturierte Interaktion zwischen Politik, Leistungsträgern, Leistungserbringern und Patienten dringend notwendig ist, denn die Versorgung der Patienten mit Diabetes mellitus und die Verhinderung der Krankheit ist eine gesellschaftliche Gemeinschaftsaufgabe. <<
Ulrich Müller, Reinhard Holl, Nicolle Müller, Dirk Müller-Wieland*