>> Leitlinien können auf verschiedene Arten die Versorgungsqualität beeinflussen. Eine Möglichkeit ist die Entwicklung von Qualitätsindikatoren (QI) basierend auf Leitlinien, Expert*innenmeinungen oder wissenschaftlicher Evidenz (Kötter et al. 2011). Diese helfen im Rahmen des „Deming-Zyklus“ (Plan-Do-Check-Act) Qualität zu messen, darzustellen und zu vergleichen (Taylor et al. 2014). Hierfür werden QI als definierte, messbare Items entwickelt oder aus Leitlinien übernommen (Plan) (Kötter et al. 2011) – ein Indikator kann beispielsweise das Erfragen von Vorsorgedokumenten innerhalb der ersten 24 Stunden nach der Aufnahme in eine Einrichtung sein. Wird nun Gesundheitsversorgung durchgeführt (Do), so wird geprüft, wie viele der behandelten Patient*innen in einer Einrichtung (mit einem bestimmten Krankheitsbild) in den 24 Stunden nach der Aufnahme um ihre Vorsorgedokumente gebeten wurden (Check). Dies wird mit der Zahl aller Patient*innen, die in der Einrichtung aufgenommen wurden verglichen. Ein QI ist somit kein direktes Maß der Qualität, sondern ein Werkzeug zur Leistungsüberwachung (Cohen and Leemans 2014). So kann dargestellt werden, ob die derzeitige Qualität der Versorgung ausreichend ist oder angepasst werden muss (Act). Für die PC bestehen lediglich vereinzelte QI, die jedoch Schwächen aufweisen, wie etwa eine geringe Qualität (Roo et al. 2013). Als eine große Herausforderung wurde in einem Artikel die Integration der QI in die tägliche Arbeit benannt (Cohen and Leemans 2014).
Eine Möglichkeit, QI in die tägliche Arbeit zu integrieren, bieten elektronische Gesundheitsakten. So wurde in einer Studie festgestellt, dass Daten aus einem Krebsregister, die mit elektronischen Gesundheitsakten verknüpft sind, genutzt werden können, um mittels QI die Qualität der Versorgung zu bewerten (Caldarella et al. 2012). Ein ähnlicher Ansatz zur Messung der Qualität im Bereich der PC in Deutschland ist das nationale Hospiz- und Palliativregister. Hierbei werden elektronische Gesundheitsakten in der PC genutzt, um einen patient*innenbezogenen Kerndatensatz auszufüllen und in das nationale Register zu überführen (Radbruch et al. 2014). Derzeit besteht in zwei Softwaresystemen der ambulanten PC (PalliDoc, ISPC) und zwei Dokumentationssystemen der Regelversorgung (Agfa Orbis, ID DIACOS) eine Schnittstelle zum Datenversand in das Register (Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin/Nationales Hospiz- und Palliativregister 2019). Diese Daten wurden bereits genutzt, um die Umsetzung von AAPV in zwei Projektregionen zu untersuchen und zu vergleichen (Mühlensiepen et al. 2019).
Wurde mittels QI eine geringe Versorgungsqualität festgestellt, so ist es notwendig in diesen Bereichen zu handeln (Act). In vielen Bereichen (Kommunikation, Entscheidungsfindung, Symptommanagement) bieten auch hier elektronische Gesundheitsakten eine gute Unterstützung, etwa durch die Integration von Erinnerungsfunktionen für ein Assessment (Finucane et al. 2021). Diese Potenziale werden derzeit in Deutschland nur eingeschränkt genutzt, da die Dokumentation häufig noch analog erfolgt (Gonçalves et al. 2018) oder bestehende Systeme noch nicht an die speziellen Anforderungen der PC angepasst sind (Krüger-Brand 2015). Zudem besteht die Dokumentation für die PC in Deutschland lediglich für die ambulante Versorgung oder als Insellösung für den Austausch zwischen ambulantem und stationärem Bereich (Krumm et al. 2014). Erfolgt die Planung und Dokumentation der Behandlung in der PC in Vorlagen der Regelversorgung, so sind Informationen häufig nicht an einem dafür vorgesehenen Ort hinterlegt und Präferenzen oder Entscheidungen von Patient*innen nicht ohne weiteres auffindbar (Tai-Seale et al. 2012). Dies macht deutlich, dass die Entwicklung spezifischer elektronischer Gesundheitsakten für die PC notwendig ist, die die Definitionen und Konzepte der PC beinhalten, um Evidenzbasierung in der Praxis voranzutreiben und die Versorgungsqualität zu verbessern.
Das Ziel dieses Artikels ist es zu verdeutlichen, wie elektronische Patient*innenakten (EPAs) im Bereich PC zur Messung und Steigerung der Versorgungsqualität beitragen können. Zunächst werden die Grundlagen elektronischer Gesundheitsakten betrachtet. Daran schließt sich die Betrachtung der von der NCP benannten Domänen und die hierfür verfügbaren QI zur Messung der Qualität an. Nachfolgend werden die Bereiche eingehender betrachtet, deren Qualität durch elektronische Gesundheitsakten aktiv beeinflusst werden kann. Hierfür werden die Anforderungen einer palliativ-spezifischen Dokumentation und ihrer Inhalte basierend auf den Bedürfnissen von erwachsenen Palliativpatient*innen und ihren Zugehörigen betrachtet.
Elektronische Gesundheitsakten
Vor dem Hintergrund der nachfolgenden Ausführungen ist es wichtig, definitorische Abgrenzungen in Bezug auf die verschiedenen Typen von elektronischen Gesundheitsakten durchzuführen. In Deutschland wird zwischen drei Typen unterschieden (Deiters/Houta 2015; Haas 2017; Meister/Houta 2020): Elektronische Patient*innenakten (EPA), elektronische Gesundheitsakten (EGA) und Elektronische Fall-akten (EFA). Diese Typen lassen sich entlang der zwei Kerneigenschaften „Zugriffsberechtigung“ und „Daten“ unterscheiden.
Eine EPA ist patient*innengeführt, d.h., Patient*innen entscheiden, welche Daten für welche Akteur*innen sichtbar sind. Der Einsatzzweck von EPAs ist medizinisch intendiert und zielt auf einen Austausch mit Akteur*innen der Primärversorgung ab. Abgrenzend zur EPA besitzt eine EGA einen breiteren Einsatzzweck zur Sammlung gesundheitsbezogener Daten. Zugriffsberechtigt sind Bürger*innen in der Rolle der Krankenversicherten oder Patient*innen. Die Qualität der Daten kann sowohl bei der EPA als auch bei der EGA nicht sichergestellt werden. Ebenso kann keine Vollständigkeit der Akte garantiert werden. Im Unterschied zu EPA und EGA ist die EFA eine ärzt*innengeführte Akte, d.h., Patient*innen berechtigen Ärzt*innen für den Zugriff. Hierbei dürfen (a) Daten zur Sicherstellung der Qualität nur durch diese eingestellt werden und (b) alle Dokumente müssen immer allen Ärzt*innen zur Verfügung stehen. Es gilt das „Alles oder Nichts“ Prinzip in Bezug auf die erteilten Zugriffsberechtigungen.
Eine Erhebung der Stiftung Münch aus dem Jahr 2018 zeigte auf, dass Deutschland sich bei der Umsetzung der EPA im europäischen Vergleich auf Platz 13 von 20 untersuchten Ländern befindet und in den letzten zwei Jahren somit um zwei Plätze gefallen ist (Gonçalves et al. 2018). Mit Beginn des Jahres 2021 wurde jedoch auf Basis des EPA Konzepts die elektronische Patientenakte (ePA) als Anwendung der Telematikinfrastruktur nach §291 a SGB V eingeführt, welche patient*innengeführt fallübergreifende Informationen sammelt und auch durch Ärzt*innen befüllt werden kann (PDSG, SGB V). Neben diesen digitalen Aktenordnern stellt sich jedoch die Frage, welche Inhalte für spezifische Versorgungszwecke benötigt werden. Medizinische Informationsobjekte (MIO) repräsentieren eben solche (technisch) standardisierten Informationen und sind Teil der gesetzlichen Vorgaben. Diese universell verwend- und kombinierbaren Informationsbausteine können in elektronischen Gesundheitsakten zur Dokumentation genutzt werden (z. B. in Form des Impfpasses). Im Sinne der Interoperabilität sind MIOs für jedes System lesbar und erleichtern somit den Informationsaustausch zwischen verschiedenen Versorger*innen mit unterschiedlichen Systemen (Krüger-Brand 2020).
Im Rahmen dieses Artikels wird die Bezeichnung EPA als Entsprechung für die in der internationalen Literatur häufig synonym verwandten Begriffe der Electronic Health Records und Electronic Medical Records verwendet.
Qualitätsindikatoren für Palliative Care
Durch QI sollen die Qualität in einem bestimmten Bereich gemessen, darstellt und verglichen werden. Doch wie können EPAs zur Messung der Versorgungsqualität in der PC beitragen? Essenziell ist es hierfür festzulegen, welche Bereiche einer besonderen Qualitäts-überprüfung bedürfen. Da diese sogenannten Domänen in der PC von denen der Regelversorgung abweichen, wurde im Rahmen des NCP überprüft, welche Domänen in der PC besonders bedeutsam sind: (1) Struktur und Prozess der Versorgung (Aus- und Weiterbildung, Kontinuität der Versorgung), (2) Physikalische Aspekte (Messen, Dokumentieren und Management von physikalischen Symptomen und Nebenwirkungen), (3) Psychologische und psychiatrische Aspekte (Messen, Dokumentieren und Management von psychologischen Symptomen, Beurteilung und Management der psychologischen Reaktionen von Patient*innen und Zugehörigen), (4) Soziale Aspekte (Pflegeziele besprechen, Patient*innen und Zugehörigen Unterstützung anbieten), (5) Spirituelle, religiöse und existenzielle Aspekte (Bereitstellung von Informationen über spirituelle Dienste), (6) Kulturelle Aspekte (Einbezug kultureller Einschätzungen, Präferenzen berücksichtigen, Sprache und Rituale), (7) Pflege des unmittelbar sterbenden Menschen (Erkennen und Dokumentation des Eintritts in die aktive Sterbephase, Erfassen und Dokumentieren der Wünsche bezüglich des Sterbeorts), (8) Ethische und rechtliche Aspekte (Dokumentation von Patient*innenpräferenzen, Erstellen von Patient*innenverfügungen, Vorausplanung der Versorgung stärken) (Ferrell 2005; Ferrell et al. 2018). Darauf basierend wurden in einem Review von De Roo et al. (2013) bestehende QI gesammelt, die den jeweiligen Domänen zuzuordnen sind (Roo et al. 2013). Es ergaben sich 17 Sets mit insgesamt 326 QI in allen durch den NCP benannten Domänen, die häufig bestimmte Patient*innengruppen (z.B. ältere Personen), Settings (z.B. Hospize) oder nationale Besonderheiten (z.B. alle Settings in den Niederlanden) fokussierten. Ein QI war beispielweise die Dokumentation des Angebots psychosozialer Unterstützung innerhalb der ersten 72 Stunden nach der Aufnahme auf einer Intensivstation. Für die Berechnung wurden hierbei die Gesamtzahl der Patient*innen, die oder deren Zugehörige innerhalb von 72 Stunden nach der Aufnahme das Angebot einer psychosozialen Unterstützung durch ein Teammitglied erhielten, durch alle Patient*innen geteilt, die 72 Stunden auf der Station aufgenommen waren. Ausgeschlossen wurden hiervon Patient*innen, die auf der Glasgow Koma Skala einen Wert von 2 oder 3 aufwiesen und keine (identifizierten) Zugehörigen hatten. Die Mehrheit der QI bezog sich auf den Prozess oder das Ergebnis der Versorgung. Lediglich drei der Sets betrachteten sowohl Prozess, Ergebnis als auch Struktur, wenngleich dies aus Sicht der Autor*innen empfehlenswert erschien, um eine umfassende Bewertung der Versorgung vorzunehmen. Vermehrt wurden QI mit Blick auf die Domänen (1) Struktur und Prozess, (2) Physikalische Aspekte, (3) Psychologische und psychiatrische Aspekte, (7) Pflege des unmittelbar sterbenden Menschen und (8) Ethische und rechtliche Aspekte identifiziert. Für die Domäne (6) Kulturelle Aspekte wurde lediglich ein Qualitätsindikator gefunden (Roo et al. 2013).
Die Autor*innen kamen zu dem Schluss, dass die bestehenden Sets weiterentwickelt und in der Praxis getestet werden müssen. Zudem ist eine Anpassung an verschiedene Länder, Gesundheitssysteme und Settings für eine erfolgreiche Nutzung erforderlich (Roo et al. 2013).
Die Erfassung der zugrundeliegenden Daten für die Anwendung von QI kann unter anderem mithilfe von EPAs erfolgen. Doch diese Integrierung von QI in EPAs kann herausfordernd sein. Campbell et al. entwickelten daher ein Modell, was hierbei unterstützt, um so eine Verbesserung der Versorgung voranzutreiben: (1) Auswahl der Maßnahme, (2) Definition der Messkriterien, (3) Validierung der Kriterien und Validierung des Mess-Prozesses, (4) Verbesserung der Aufzeichnung auf Maßnahmen bezogenen Aktivitäten, (5) Einleitung von Qualitätsverbesserungsprozessen (Campbell et al. 2021). QI können so hilfreich sein, um Bereiche aufzudecken, in denen die Versorgungsqualität nicht zufriedenstellend ist.
Möglichkeiten der Qualitätsverbesserung
durch EPAs
Wurden in einem bestimmten Bereich Qualitätsmängel festgestellt – etwa mithilfe von QI – oder möchte eine Einrichtung präventiv handeln, so sind Ansätze zur Qualitätsverbesserung sinnvoll. Auch hier ist es hilfreich EPAs zu nutzen, weil sie ein fester Bestandteil der Versorgung sind. Doch wie können EPAs zur Verbesserung der Versorgungsqualität beitragen? In EPAs lassen sich beispielsweise Leitlinien integrieren (z.B. Hinweise auf notwendige Erfassung bestimmter Daten oder Überschreitung von Grenzwerten), die eine Unterstützung der Nutzer*innen zur Anwendung einer evidenzbasierten Versorgung dienen können (Shah et al. 2021). Zudem können klinische Entscheidungshilfen in EPAs integriert werden, die Nutzer*innen bei der Entscheidungsfindung unterstützen können, etwa bei der Verschreibung von Medikamenten (Sutton et al. 2020). Neben den hier beschriebenen Vorteilen, werden im Folgenden exemplarisch einige Schwerpunkte der PC benannt, die durch die Inhalte oder Funktionen von EPAs positiv beeinflusst werden können.
Koordination
Die komplexen Strukturen der Versorgung in der PC sowie die zunehmend vielschichtigen Leistungsanforderungen führen zu der Erhebung von Informationen in verschiedenen Sektoren durch verschiedene Berufsgruppen, deren Weitergabe unter den Versorger*innen essenziell für eine patient*innenzentrierte Versorgung ist. Dennoch ergab eine Studie, dass derartige Informationen häufig unter anderem per Mail oder Fax ausgetauscht werden und so nicht stetig aktuell und sektorenübergreifend in elektronischer Form vorliegen (Pringle et al. 2014).
Versorger*innen der PC benannten den rechtzeitigen und ausreichenden Informationsfluss zwischen allen Beteiligten als entscheidende Herausforderung beim Wechsel von Palliativpatient*innen zwischen verschiedenen Sektoren. Hierfür empfanden die Versorger*innen die Bereitstellung einer einrichtungsübergreifenden EPA zum Austausch von Informationen und zur Koordination der Versorgung als sinnvoll (Mertens et al. 2018).
In Großbritannien wird hierfür das webbasierte Electronic Palliative Care Coordination System (EPaCCS) genutzt. So können Versorger*innen (u.a. Hausärzt*innen, Notrufdienste, Krankenhäuser, Pflegedienste, spezialisierte Palliativdienste, Hospize) Informationen zu Palliativpatient*innen sammeln, austauschen oder einsehen (Petrova et al. 2018). Dies umfasst Stammdaten, Vorsorgedokumente, den gewünschten Ort des Versterbens und der Versorgung, die Krankheitsprognose, Daten der hauptverantwortlichen Versorger*innen, Assessments und Medikationspläne (Allsop et al. 2017). In Leeds konnte bei 21% aller Verstorbenen (n=1229) ein EPaCCS Datensatz nachgewiesen werden, der durchschnittlich einen Monat vor dem Versterben angelegt wurde (Allsop et al. 2017). Patient*innen mit einem EPaCCS Datensatz besuchten seltener die Notaufnahme, wurden seltener ins Krankenhaus eingewiesen und verstarben dort seltener als Personen ohne EPaCCS Datensatz. Zudem war der Anteil von Patient*innen mit einem EPaCCS Datensatz, die an ihrem bevorzugten Sterbeort starben, überdurchschnittlich hoch (55% – 79%). Bei der Bewertung dieser Ergebnisse ist jedoch zu berücksichtigen, dass Patient*innen, die EPaCCS nutzen, gegebenenfalls Personen sind, die sich aktiv dafür einsetzen, zuhause zu versterben (Leniz et al. 2020) und EPaCCS fast ausschließlich von Hausärzt*innen und ambulanten Krankenpflegediensten verwendet werden, was ebenfalls in einem Zusammenhang mit dem Tod im eigenen Zuhause stehen könnte (Wye et al. 2016).
Advance Care Planning
Planung der Behandlung im Voraus, die auch als Advance Care Planning (ACP) bezeichnet wird, ist ein Gesprächsprozess zwischen Patient*innen und Versorger*innen über Werte, Wünsche und Behandlungsoptionen, der in der EPA dokumentiert wird. Hierbei können Patient*innen eigene Präferenzen für ihre zukünftige Behandlung und Begleitung entwickeln und Bevollmächtigte benennen (Cheung et al. 2020). ACP hilft die Lebensqualität zu verbessern, unnötige Behandlungen zu verringern, Kosten zu reduzieren und die Zufriedenheit der Zugehörigen zu erhöhen (Turley et al. 2016).
Problematisch ist hierbei, dass diese Gespräche häufig zu spät, nicht fortlaufend oder gar nicht geführt werden (Cheung et al. 2020). In einem Review konnten 16 Studien benannt werden, die in der EPA automatisiert Patient*innen für ACP mithilfe der Kriterien Alter (n=3), Diagnosen mit einer begrenzten Lebenserwartung (n=2), erfolgter Einweisung in eine stationäre Pflegeeinrichtung (n=1) oder der Angabe, dass eine Person Wiederbelebung ablehnt (n=1), identifizierten. Dies führte zu einer Aufforderung der Versorger*innen mit den Patient*innen über ACP zu sprechen und dies zu dokumentieren (Huber et al. 2018).
Entscheidend ist zudem, in welcher Form die Gespräche dokumentiert werden. In einem Review konnte aufgezeigt werden, dass (Vorsorge-)Dokumente von Versorger*innen als hilfreicher empfunden werden als reine Gesprächsnotizen (Bush et al. 2018). Doch das Führen und Dokumentieren der Gespräche ist nicht ausreichend, um die Berücksichtigung der Wünsche der Patient*innen sicherzustellen. Ein weiteres Review zeigte auf, dass Versorger*innen nicht wissen, wo die Dokumentation über ACP in der EPA aufzufinden ist, oder ob diese Informationen valide sind. Ein zentraler Ort für ACP in der EPA könne hierbei unterstützen (Bush et al. 2018). Entscheidend ist hierfür das Vorliegen dieser Informationen für alle Versorger*innen und eine Koordination der Versorgung entsprechend der Behandlungsziele.
Symptomkontrolle
Die Versorger*innen der verschiedenen Professionen und Sektoren arbeiten bei der Betreuung und Behandlung der Symptome zusammen (Radbruch et al. 2020). Die Symptome sind häufig komplex (z. B. refraktäre Schmerzen) und können nur durch multimodale Kontrollansätze gelindert werden, die die Ganzheitlichkeit mit psychischen, physischen, sozialen und spirituellen Anteilen der Symptom-entstehung berücksichtigen (Quill/Abernethy 2013). Entscheidend ist hierfür das Engagement aller Versorger*innen in Bezug auf Beratung, Konsultation und persönliche Unterstützung der Patient*innen (Doody et al. 2018). Hieraus ergibt sich eine weitere Anforderung an die EPA: In existierenden EPAs besteht häufig lediglich die Möglichkeit der Dokumentation physischer Symptome (Stewart et al. 2017).
Im Rahmen einer Studie wurde eine bestehende Pflegedokumentation angepasst, die lediglich auf das Management körperlicher Symptome fokussierte. Während zuvor vermehrt körperliche Symptome dokumentiert wurden, konnte nach der Anpassung ein umfassender Ansatz der Dokumentation und Erfassung der Perspektive der Patient*innen festgestellt werden. Die Studie berichtet zudem von einem verbesserten Austausch der Informationen innerhalb des Teams durch die gesteigerte Übersichtlichkeit der Dokumentation (Stewart et al. 2017).
Doch auch wenn die Symptome ganzheitlich dokumentiert werden können: Die Symptomkontrolle ist, selbst bei Patient*innen die leitlinienkonform behandelt werden könnten, häufig unzureichend (Rutten et al. 2020). In einer Studie zeigte sich die Alarmierung von Versorger*innen bei dem Überschreiten eines vorgegebenen Schweregrads als hilfreich. Es konnte festgestellt werden, dass schwere Symptome mit größerer Wahrscheinlichkeit in der Folge gelindert wurden, wenn die Versorger*innen alarmiert wurden, als wenn dies nicht erfolgte (Gustafson et al. 2017). Zudem wird die Symptomkontrolle dadurch erschwert, dass Versorger*innen die Dokumentation der Symptome vornehmen und nicht Patient*innen selbst. In einer Studie wurden die Angaben von onkologischen Patient*innen zu ihrer Symptomlast mit der Dokumentation der Versorger*innen verglichen. Bei neun der betrachteten Symptome wurde eine schwache bis leichte Übereinstimmung festgestellt, bei drei weiteren war die Übereinstimmung mittelmäßig. Waren für die Symptome keine Medikamente verfügbar, war die Übereinstimmung deutlich schlechter (Sikorskii et al. 2012). Neben der Möglichkeit Versorger*innen zu schulen, um diesen Bias zu minimieren, kann eine weitere Option das Einpflegen der Dokumentation der Symptome durch Patient*innen oder ihrer Zugehörigen sein. So bestehen im Bereich mHealth diverse Apps für Palliativpatient*innen, die leider nur selten die Möglichkeit beinhalten, die erhobenen Informationen in bestehende EPAs zu integrieren. Im Rahmen eines Reviews wurde festgestellt, dass 48% (n=15) der Apps aus dem Bereich PC sich auf das Management von Symptomen konzentrieren. Neben der generellen Erfassung von Symptomen beziehen sich viele Apps auf die Schmerzerfassung für verschiedene Zielgruppen, wie etwa Patient*innen mit Krebserkrankung, Herzinsuffizienz oder COPD sowie unter der Einnahme oraler Onkologika (Portz et al. 2020). Die Daten aus derartigen Apps ermöglichen ein verbessertes Management der Erkrankung durch das Erkennen möglicher Zusammenhänge zwischen Aktivitäten und Symptomen oder weiteren Variablen (Slev et al. 2017).
Diskussion
Das Ziel dieses Artikels war es zu verdeutlichen, wie EPAs im Bereich PC zur Messung und Steigerung der Versorgungsqualität beitragen können. Hierbei war es von Bedeutung, dass bestehende QI für die PC häufig eine geringe Qualität aufweisen, nicht für alle Bereiche nutzbar sind und ihre Integration mit Schwierigkeiten verbunden sein kann. Es bestehen bereits internationale Ansätze zur Integration von Inhalten und Funktionen in EPAs, die zur Verbesserung der Versorgung beitragen können.
Es konnte aufgezeigt werden, dass eine ganzheitliche Symptombetrachtung und -kontrolle sowie die Möglichkeit, ACP strukturiert in einer EPA eintragen zu können, positive Auswirkungen auf die Qualität der PC haben. Für Deutschland besteht hierdurch die Notwendigkeit der verstärkten Förderung zur Standardisierung der inhaltlichen Dokumentation durch die Entwicklung PC-relevanter MIOs. Dies ermöglicht allen Versorger*innen das Lesen, Bearbeiten und Austauschen relevanter Informationen in der PC, auch zwischen verschiedenen EPAs.
Es besteht zudem der Bedarf der Entwicklung einer einrichtungs-übergreifenden EPA für die PC in Deutschland. Der berufsgruppen- und sektorenübergreifende Austausch ist für die Sicherung einer qualitativ hochwertigen Behandlung unerlässlich.
Doch nicht nur der Austausch zwischen den Versorger*innen ist entscheidend; auch die Erfassung der subjektiven Perspektive der Patient*innen ist in der PC unter anderem bei ACP entscheidend und muss in der EPA bedacht und nachvollzogen werden. Dies deckt sich mit der Forderung, dass in der PC die gängigen Qualitätsdimensionen (Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität), um eine subjektive Perspektive der Beziehungsqualität erweitert wird. Beziehungsqualität beinhaltet hierbei eine Fokussierung auf Respekt, Würde, den Kontakt auf Augenhöhe sowie Wechselseitigkeit und Hilfsbereitschaft und beeinflusst hierbei auch die Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität (Dirkschnieder et al. 2016). Durch das Erheben der Bedürfnisse von Patient*innen bezüglich ACP werden die Anforderungen zu der Beziehungsqualität erfüllt, indem ein Austausch zwischen Versorger*innen und Patient*innen stattfindet und die Behandlung den Wünschen der Patient*innen entsprechend geplant und durchgeführt wird.
Die Nutzung von EPAs durch Versorger*innen ist jedoch nicht ausschließlich positiv besetzt. Durch Akten, die über eine geringe Usability verfügen, kann es zu Unterbrechungen im Arbeitsablauf und starken kognitiven Beanspruchungen für die Nutzer*innen kommen (Sieck et al. 2019). Es ist daher entscheidend, EPAs zu entwickeln, die an die Versorgungsrealität und Arbeitsabläufe der Nutzer*innen angepasst sind. In der Technologieentwicklung werden hierfür häufig Ansätze des partizipativen Designs genutzt. Es entsteht hierbei ein bidirektionaler Lernprozess zwischen Entwickler*innen und Nutzer*innen, bei denen die notwendigen Inhalte aller Professionen für die gemeinsame Entwicklung ausgetauscht, aber spezifisches Wissen durch die Akteur*innen eingebracht wird (Vandekerckhove et al. 2020). Im Bereich der Entwicklung von EPAs konnte festgestellt werden, dass dieser Ansatz die User Experience stark verbessert (Sieck et al. 2019).
Zudem ist es entscheidend, die EPAs sinnvoll in die Versorgung einzubinden. Nutzer*innen müssen geschult werden, um bei Konsultationen beispielsweise darauf zu achten, dass Patient*innen den Bildschirm sehen können, auf dem die EPA angezeigt wird. In einem Review konnte festgestellt werden, dass dies zu einer deutlich positiveren Bewertung gegenüber dem Einsatz von EPAs führt (Alkureishi et al. 2016). <<