top

Überwindung von „Schnittstellenproblemen“ in der medizinischen Rehabilitation

Erstveröffentlichungsdatum: 23.09.2012

Abstrakt: Überwindung von „Schnittstellenproblemen“ in der medizinischen Rehabilitation

Die segmentierte Gesundheitsversorgung in Deutschland führt an verschiedenen Stellen zu Kooperations- und Koordinationsproblemen. Auch und besonders davon betroffen ist das System der medizinischen Rehabilitation. Mit Hilfe von Gruppengesprächen (Fokusgruppen) mit Vertretern der einzelnen Berufs- und Institutionengruppen und unter Berücksichtigung der Betroffenenperspektive werden die Barrieren einer effizienten und konfliktfreien Kooperation und Kommunikation sowie deren Ursachen identifiziert und Lösungsmöglichkeiten diskutiert. Aus einer schriftlichen Zusammenfassung der genannten Probleme und potentiellen Lösungsmöglichkeiten aus den verschiedenen Diskussionsrunden werden konkrete Handlungsempfehlungen für die zukünftige Zusammenarbeit abgeleitet.

Abstract: Overcoming interface problems in medical rehabilitation

Germany’s segmentation of health care yields coordination and co-operation problems at different sites. This also and especially applies to the system of medical rehabilitation. By means of focus groups with members of different professions and institutions and with rehabilitation patients, barriers to an efficient and conflict-free cooperation and communication, possible reasons and solutions will be discussed. Recommendations for prospective co-operation will be derived from a written synopsis of all problems and possible solutions mentioned during the focus-groups.

Literatur

Barth, M. / Hoffmann-Markwald, A / Koch, U / Potreck-Rose, F / Wittmann, WW (1989): Die Inanspruchnahme medizinischer Maßnahmen zur Rehabilitation - Die Sichtweise der Experten. In: Deutsche Rentenversicherung 1989, 8-9: 514-529 Brandt, C. (1989): Die medizinische Rehabilitation aus der Sicht des niedergelassenen Arztes. In: Rehabilitation 1989, 28: 67-73 Braun, B. (2009): Die Rehabilitation im System des Sozialleistungsrechts aus sozialpolitischer Sicht unter besonderer Berücksichtigung der Probleme der trägerübergreifenden Kooperation und Koordination. In: Rehabilitation 2009, 48: 174-181 Deck, R. / Heinrichs, K. / Koch, H. / Kohlmann, T. /Mittag, O. / Peschel, U. / Ratschko, K.W. / Welk, H. / Zimmermann, M. (2000): „Schnittstellenprobleme“ in der medizinischen Rehabilitation: die Entwicklung eines Kurzfragebogens zur Ermittlung des Informations- und Kommunikationsbedarfs bei Hausärzten. Gesundheitswesen 2000, 62: 431-436 Deck, R. (2003): Welche Reha-Informationen erhalten Patienten mit unspezifischen Rücken­schmerzen und welchen Einfluss haben diese auf die rehabilitationsbezogenen Erwartungen bzw. die Rehabilitationsergebnisse? DRV-Schriften 2003, 40: 359-361 Deck, R. / Glaser-Möller, N. / Mittag, O. (Hrsg.) (2004): Rehabilitation und Nachsorge. Lage: Hans Jacobs Deck, R. / Träder, J.-M. / Raspe, H. (2009a): Identifikation von potenziellem Reha-Bedarf in der Hausarztpraxis: Idee und Wirklichkeit. Rehabilitation 2009, 48: 73-83. Deck, R. / Hüppe, A. / Arlt, A.C. (2009b): Optimierung der Rehabilitationsnachsorge durch eine längerfristige Begleitung der Rehabilitanden – Ergebnisse einer Pilotstudie. Rehabilitation 2009, 48: 39 – 46 Deck, R. / Glaser-Möller, N. / Remé, T. (Hrsg.) (2009c): Brücken bauen. Schnittstellenprobleme der medizinischen Rehabilitation. Lage: Hans Jacobs Krischke, N.R. / Schmidt, S. / Petermann, F. / Seger, W (1997): Einfluss niedergelassener Ärzte auf den Zugang zur medizinischen Rehabilitation. Münchner Medizinische Wochenschrift 1997, 139: 425-428 Mayring, Philipp (2010): Qualitative Inhaltsanalyse. Grundlagen und Techniken. Weinheim: Deutscher Studien Verlag Muschalla, B. / Vilain, M. / Lawall, C. / Lewerenz, M. / Linden, M. (2009): Berufliche und soziale Partizipationsstörungen bei Patienten in der vertragsärztlichen Versorgung. Rehabilitation 2009, 48: 84-90 Petermann F. / Pöschke A. / Deuchert M. / Vogel, H. / Seger, W. (1994): Verbesserung des Zugangs zur medizinischen Rehabilitation. Prävention und Rehabilitation 1994, 6: 47 -55 Schliffke, M. (1999): Zusammenarbeit zwischen niedergelassenen Ärzten und Rehabilitationskliniken. Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt 1999, 6: 8-10 Träder, J.-M. (2007): Rehabedarf aus Hausarztsicht. Praxis Klinische Verhaltensmedizin und Rehabilitation 2007, 78: 184-186

Zusätzliches

Plain-Text

Überwindung von „Schnittstellenproblemen“ in der medizinischen Rehabilitation

Ein Pilotprojekt zur Optimierung der Zusammenarbeit von Reha-Kostenträgern, Reha-Einrichtungen und ambulanter Versorgung*

Der Wunsch nach stärkerer Verzahnung von rehabilitativen Maßnahmen mit der ambulanten Versorgung ist nicht neu. Eine politische Umsetzung einer integrierten Rehabilitation wurde durch das SGB IX in Angriff genommen. Die praktische Umsetzung hingegen verläuft schleppend bzw. gar nicht (Braun 2009). Insbesondere die schon vor längerem beschriebenen Schnittstellenprobleme zwischen kassenärztlicher Versorgung und Rehabilitation, vor allem die Einbindung von niedergelassenen Hausärzten in das Rehabilitationsgeschehen (Brandt 1989; Barth et al. 1989; Schliffke 1999; Petermann et al. 1994; Krischke et al. 1997; Deck et al. 2000), haben nichts an ihrer Aktualität verloren. Neuere Versuche, das Problem in Angriff zu nehmen oder zu lösen, sind rar (Deck et al. 2009c; Muschalla et al. 2009; Träder 2007). Trotz vielfältiger Anstrengungen zur Überwindung dieser „Schnittstellen“ (vgl. Schliffke 1999; Deck et al. 2000; Träder 2007) in der medizinischen Rehabilitation ist eine optimale Verzahnung rehabilitativer Maßnahmen und ambulanter Versorgung noch nicht erreicht (Deck et al. 2009c). Verschiedene Faktoren können dafür verantwortlich gemacht werden, allen voran Kommunikations- und Informationsdefizite sowie institutionenspezifische Einstellungen und Vorurteile.

>> Zu allen Zeitpunkten, also vor, während und nach der Rehabilitation, können Schwachstellen identifiziert werden: Vor einer Reha stellt sich das Problem des frühzeitigen Erkennens eines Reha-Bedarfs, der Motivationslage von Arzt und Patient und daraus resultierend der Beantragung einer Leistung zur medizinischen Rehabilitation. Als kritische Schnittstellen sind hier die Kommunikation und Kooperation zwischen niedergelassenem (Haus-) Arzt und Reha-Kostenträger bekannt. Während und nach der Rehabilitation sind der Transfer der Reha-Inhalte und die nachfolgende Weiterbehandlung problematisch. Von besonderer Bedeutung ist in diesem Zusammenhang die Schnittstelle Rehabilitation und ambulante Versorgung durch den Hausarzt. Er entscheidet in der Regel (mit), ob die Empfehlungen der Rehabilitation nach der Maßnahme vom Patienten umgesetzt werden. Aus hausärztlicher Sicht stellen sich mehrere Probleme: vor der Reha wird zum Beispiel der wahrgenommene vermeintliche Aufwand einer Reha-Antragstellung und fehlende Informationen über den Fortgang und das Ergebnis eines gestellten Antrags durch die Reha-Kostenträger kritisiert, nach der Reha sind es nicht nachvollziehbare Therapieempfehlungen oder Therapieumstellungen, die eine positive Zusammenarbeit mit der Reha-Einrichtung erschweren (Träder 2007; Deck et al. 2009a; Deck et al. 2009b). Auf der Seite der Reha-Kostenträger wird den Hausärzten u. a. mangelndes Interesse und fehlende Kooperationsbereitschaft unterstellt, Reha-Einrichtungen beklagen ihrerseits die Ignoranz ihrer niedergelassenen Kollegen.
Bisherige Erfahrungen zeigen, dass es sich um ein bislang relativ undurchschaubares Geflecht aus vermuteten oder falschen Informationen, Meinungen, Einstellungen und nicht zuletzt Befindlichkeiten handelt, welches naht- und reibungslose Übergänge zwischen den unterschiedlichen Systemen erschwert. Leidtragende sind die Patienten bzw. Rehabilitanden.
Bereits 1993 zeigte eine eigene Studie, dass niedergelassene (Haus-) Ärzte in der Mehrzahl zwar eine positive Einstellung gegenüber medizinischen Rehabilitationsmaßnahmen haben, dass die Zusammenarbeit der verschiedenen Akteure jedoch als optimierungsbedürftig betrachtet wird und dass eine stärkere Kooperation und Kommunikation mit den Kollegen aus den Reha-Einrichtungen gewünscht wird (Deck et al. 2000).
Zehn Jahre später, im Jahr 2003 konstituierte sich eine Arbeitsgruppe „Stärkung der Zusammenarbeit zwischen Hausärzten und Trägern der Rehabilitation in Schleswig-Holstein“ u. a. mit dem Ziel, den Zugang zur ambulanten / stationären Rehabilitation über den Hausarzt zu optimieren. Trotz positiver inhaltlicher Ergebnisse war die Beteiligung der niedergelassenen Ärzte enttäuschend gering. Dahinter liegende Gründe machen auf einige generelle Probleme und Vorurteile aufmerksam: zusätzlicher „Bürokratismus“, ein gewisses Negativ-Image von Rehabilitation und Kostenträgern, das sich insbesondere auf (immer noch) mangelnde Kommunikation beider Seiten zurückführen lässt. Erfahrungen einzelner Ärzte, dass es Differenzen zwischen den im Reha-Entlassungsbericht und den vom Patienten berichteten Therapien gibt und unbegründete Therapieumstellungen in der Reha-Einrichtung verstärken dieses noch. Defizitäres Wissen über Inhalte und Ziele der medizinischen Rehabilitation seitens der niedergelassenen Ärzte tun das Übrige (Deck et al. 2009a).
Schnittstellenprobleme haben auch unerwünschte Folgen für die Patienten:
1. Patienten, die einer Reha bedürfen erreichen diese nicht, oder zu spät (Deck et al. 2009a).
2. Mangelnde Aufklärung und fehlende Informationen verhindern die Ausbildung von Reha-Motivation und Reha-Zielen seitens des Patienten mit möglichen Adhärenzproblemen als Folge (Deck 2003).
3. Die Umsetzung der Nachsorge ist gefährdet und dies kann zu einem Verlust eines länger anhaltenden Reha-Erfolgs führen (Deck et al. 2004).
Methode
Im Rahmen einer explorativen qualitativen Pilotstudie werden insgesamt 13 Fokusgruppen mit je 5-7 Vertretern verschiedener Institutionen (Hausärzte, niedergelassene Fachärzte, Kostenträger, leitende und Stationsärzte von Reha-Kliniken und Rehabilitanden) durchgeführt, drei davon mit einer interdisziplinären Zusammensetzung. Die offenen Diskussionen erfolgen leitfadengestützt. Die Fokusgruppen werden digital aufgezeichnet, die Aufnahmen transkribiert und die Transkripte inhaltsanalytisch (Mayring 2010) ausgewertet. Dabei soll ein möglichst umfassendes Bild der gegenwärtigen Probleme, aber auch der Ressourcen und Lösungsansätze gezeichnet werden. Es werden zunächst Informationsdefizite, Meinungen und Einstellungen sowie Vorurteile der einzelnen am Reha-Prozeß beteiligten Institutionen und Personen erfasst. Bezugspunkt ist sowohl das System der Reha selbst als auch die jeweiligen beteiligten Institutionen. In einem zweiten Schritt sollen Strategien zur Überwindung der Schnittstellenprobleme thematisiert werden.
Resultierende Probleme und Lösungsvorschläge werden synoptisch aufbereitet, in einer institutionsübergreifenden Abschlusskonferenz, bei der Vertreter aller Bereiche beteiligt sind, vorgestellt und die Praktikabilität der einzelnen potentiellen Ansätze diskutiert. Hieraus werden konkrete Handlungsempfehlungen abgeleitet, die Machbarkeit in den verschiedenen Institutionen überprüft und Umsetzungspläne schriftlich festgelegt. Vorschläge zur Evaluation erfolgversprechender Strategien werden ausgearbeitet.
Erste Ergebnisse
Zum aktuellen Zeitpunkt sind die drei Fokusgruppen mit den Reha-Klinikern (N jeweils 5-7) abgeschlossen. Es wurden zwei Gruppen von Klinikern aus Reha-Einrichtungen mit dem Schwerpunkt auf der Behandlung von muskuloskelettalen Erkrankungen und eine Klinikergruppe aus einer psychosomatisch ausgerichteten Klinik befragt. Die Ergebnisse zeichnen ein heterogenes Bild von der Zusammenarbeit der Rehabilitationskliniken mit der ambulanten Versorgung und den Kostenträgern. Dies scheint zum einen an den verschiedenen Indikationen (Orthopädie vs. Psychosomatik) und den damit einhergehenden unterschiedlichen Zuweisungs-, Rehabilitations- und Nachsorgestrategien, zum anderen an den in den verschiedenen Kliniken bestehenden Strukturen zu liegen. In den folgenden Abschnitten sollen dennoch die Ergebnisse einer ersten Auswertung der Fokusgruppen für alle 3 Fokusgruppen gemeinsam präsentiert werden, da sie das breite Spektrum der Probleme und möglichen Lösungsansätze gerade aufgrund ihrer Unterschiedlichkeit gut repräsentieren. Einen Überblick über die wichtigsten genannten Probleme bei der Zusammenarbeit mit niedergelassenen Ärzten und Kostenträgern gibt Tabelle 1.

Zusammenarbeit mit den niedergelassenen Ärzten
Die Zusammenarbeit mit den niedergelassenen Ärzten scheitert aus der Sicht der Reha-Kliniker oft daran, dass zu wenig Zeit zur Verfügung steht, um (vor allem) telefonische Kontaktpflege zu betreiben, was auch an dem großem Einzugsgebiet der Kliniken und der schlechten Erreichbarkeit der Hausärzte liegt. Regelmäßige Kontakte mit den niedergelassenen Ärzten wären prinzipiell erwünscht, lassen sich aber aus der Sicht der Rehabilitationskliniker unter den momentan bestehenden Bedingungen kaum realisieren. Im Grunde würde die Kommunikation zwischen Rehabilitationsklinik und niedergelassenen Ärzten „eigentlich ausschließlich per Brief“ (FG 1) erfolgen. „Stammtische“ (FG 1) oder Weiterbildungsveranstaltungen werden als gute Gelegenheit zum Austausch mit niedergelassenen Kollegen gesehen, können aber nicht den Raum für die Zusammenarbeit bezüglich konkreter Patienten bieten.
Viele Probleme bei der Zusammenarbeit zwischen niedergelassenen Ärzten und der Rehabilitationsklinik haben ihre Ursache in den bürokratischen Zwängen, die die Rehabilitationskette prägen. Den niedergelassenen Ärzten wird vorgeworfen, oftmals nur unzureichende Befunde oder Dokumentationen über erfolgte Behandlungen und die aktuelle Medikation zu liefern. Dies wird von den Medizinischen Diensten der Krankenkassen und Rentenversicherungen auch nicht in ausreichendem Maß im Antragsprozess korrigiert. Als Ursache für die unzureichende Dokumentation von Vorbehandlungen werden unter anderem die vom niedergelassenen Arzt für den Rehabilitationsantrag auszufüllenden Formulare gesehen. Sie bieten offensichtlich nicht genug Raum und Anlass die Vorbehandlung des Patienten ausführlich zu beschreiben. In der Orthopädie erschöpft sich diese Beschreibung oft darin, dass die „ambulant konservative(n) Therapien erschöpft (seien)“ (FG 1). Die psychosomatischen Rehabilitationskliniker berichteten solche Probleme eher nicht.
Die Rehabilitationskliniker wiederum müssen, um den Qualitätssicherungsanforderungen der Kostenträger genüge zu tun, sehr ausführliche Entlassungsbriefe schreiben, die sie erstens viel Zeit kosten, zweitens oft aus Textbausteinen zusammengesetzt seien und drittens für den niedergelassen Arzt nur in Teilen (z. B. Empfehlungen) relevant sind. Im Grunde würde der niedergelassene Arzt nur einen kleinen Teil des sehr ausführlichen Entlassungsbriefs rezipieren (können), wobei wichtige Informationen (z. B. Gründe von Therapieumstellungen) Gefahr laufen unterzugehen.
Die niedergelassenen Ärzte werden von den Reha-Klinikern immer noch nicht zwingend als Ansprechpartner (des Rehabilitanden) für die Nachsorge angesehen. Die Nachsorge für die Zeit nach der Rehabilitation wird von den Reha-Klinikern verordnet bzw. im Fall der ambulanten psychosomatischen Weiterbehandlung angebahnt und der niedergelassene Arzt lediglich informiert, aber nicht eingebunden.
Auch hier gibt es systemimmanente Gründe: „[…] Also ich glaub, das ist eher ´n, ´n Systemfehler. Weil, weil das ja […], am Hausarzt vorbeigeht. […], der Hausarzt wird ja zu dem-eh-jenigen degradiert, der jetzt grad mal die Info kriegt, ne: Wir haben das und das gemacht. Ne. Aber, aber er sitzt nicht wirklich im Boot. […] Der Kostenträger hat ´n Inten, Interesse dran, die Nachsorge zu forcieren, und die Reha-Klinik hat ´n Interesse quasi, eh, dieser Forderung, eh, nachzukommen, und, aber der, der Hausarzt ist erst mal außen vor.“ (FG 1). Eine Möglichkeit bzw. den Sinn einer stärkeren Einbindung des niedergelassenen Arztes in die Nachsorge können sich die meisten Rehabilitationskliniker nicht vorstellen: „Weil, der Hausarzt, oder insgesamt so der Hausarztstand ist in Deutschland, die sind so überlastet tatsächlich, dass, dass es glaub ich keine Aufgabe ist, des Hausarztes da weiter zu kontrollieren oder den Patienten, was das angeht zu begleiten. Übergangsweise, bis ´n ambulanter Therapieplatz da ist.“ (FG 2).

Zusammenarbeit mit Kostenträgern
Bei der Zusammenarbeit mit den Rehabilitationsträgern wünschen sich die Rehabilitationskliniker mehr Transparenz bezüglich der Zuständigkeiten einzelner Stellen beim Kostenträger. Die Fahndung nach zuständigen Abteilungen oder Empfängern von Formularen (z. B. zur Wiedereingliederung) kostet Zeit, die die Rehabilitationskliniker nicht haben oder für Behandlungen besser einsetzen könnten. Dem könnte leicht dadurch Abhilfe geschaffen werden, dass die zuständigen Personen mit Kontaktdaten z. B. auf den Formularen bzw. in Listen oder einer Datenbank genannt werden. Auch an den Formularen selbst sehen Reha-Kliniker Überarbeitungsbedarf, z. B. sind diese wenig geeignet um die Beeinträchtigungen psychosomatischer Rehabilitanden angemessen darzustellen. Auch der Umfang der auszufüllenden Formulare und ihre Form wurden bemängelt und negative Folgen aufgezeigt: „[…], das da gerne das versucht wird, in den Hausarzt, Hausarztbereich, zu verschieben, das Formulare ausfüllen, auch die, die stufenweise Wiedereingliederung, oder so etwas, das ja alles Formularwesen, was laufen muss. Ehm. Und es ist sicherlich denk ich nicht sinnvoll, das in den, in den ambulanten Bereich zu verschieben, weil ´s eben eigentlich nur dann ein Verschieben eines Problems ist, da sind wir nicht so für. Sondern dann wär ´s eben genau die Frage ist, kann man das nicht verkürzen. Kann man da nicht weniger machen.“ (FG2)
In Hinblick auf die Zuweisung von Rehabilitanden zur Rehabilitation wurden u. a. strengere Bewilligungskriterien für Rehabilitationsmaßnahmen (z. B. starke sozialmedizinische Belastung) vorgeschlagen. Sie würden eine intensivere Beschäftigung mit dem Einzelfall erlauben, was zu einem besseren Outcome führen könnte. Der gesamte Rehabilitationsbetrieb würde dadurch entlastet. Auch die Zuweisung nicht-rehafähiger Patienten stellt für die Orthopädie ein Problem dar. Eine Herausforderung für die Psychosomatik sind die Patienten, die aufgrund der Schwere ihrer Erkrankung nicht für einen Rehaaufenthalt in Frage kommen, während die Orthopädie eher mit anscheinend austherapierten Patienten oder Patienten, die eher psychosomatisch behandelt werden müssten, zu kämpfen hat. Bei der letztgenannten Art der „Fehlzuweisung“ sind Verlegungen allerdings nicht immer konfliktfrei möglich. Des Weiteren werden Aufnahmen ohne Kostenzusagen und Zuweisungen mit Kostenzusagen für zu kurze Zeiträume beklagt.
Bezüglich der von der Deutschen Rentenversicherung vorgegebenen Therapiestandards gibt es aus den beiden Klinikergruppen der Orthopädie unterschiedliche Rückmeldungen. Während die einen die Therapiestandards als „entlastend“ und „hilfreich“ ansehen, weil sie eine „Struktur“ (alle FG 2) vermitteln, können die anderen zwar anerkennen, dass durch Therapiestandards die „Qualität hoch(ge)halten“ (FG 1) wird, bemängeln aber auch die Lücke, die zwischen den geforderten Therapieleistungen und der Vergütung klafft. Hier wird eine „saubere Kostenrechnung“ (FG 1) gefordert. In der Psychosomatik liegen außer einer Pilotversion für die Behandlung Depressiver Störungen noch keine Therapiestandards der Deutschen Rentenversicherung vor.
Hinsichtlich der Nachsorge wünscht sich vor allem die orthopädische Klinikergruppe (Patienten-) „Lotse(n)“ (FG 1) i. S. von Fallmanagern, die nicht nur die Nachsorge und die beruflichen Wiedereingliederung unterstützen, sondern auch insgesamt als Ansprechpartner für besonders betroffene Rehabilitanden in der Zeit nach der Rehabilitation (12 Monate oder länger) zur Verfügung steht. Eine ähnliche Funktion übernehmen die Rehabilitationsberater der DRV, deren regelmäßige und vor allem häufigere Präsenz in den Rehabilitationskliniken von den Klinikern stärker eingefordert wurde. „Und wenn´s so ´ne Sprechstunde vom Reha-Berater geben würde, fänd’ ich das super.“ (FG 2).
Diskussion
Ziel des Beitrags war es, einen ersten Überblick über Probleme bei der Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Akteuren im Zusammenhang mit medizinischen Rehabilitationsmaßnahmen zu geben. Im ersten Schritt wurden die Gruppe der Reha-Kliniker befragt. Ohne Kontrastierung und Ergänzung durch die Ergebnisse der weiteren Diskussionen mit niedergelassenen Ärzten, Kostenträgervertretern und Rehabilitanden ist das Bild noch unvollständig. Es zeichnet sich jedoch schon aus der Sicht der Reha-Kliniker ein facettenreiches Bild der bestehenden Schnittstellenprobleme ab. Uns begegnen dabei „alte Bekannte“, wie die mangelnde Einbindung des niedergelassen Arztes in das Rehabilitationsgeschehen (Brandt 1989; Barth et al. 1989; Schliffke 1999; Petermann et al. 1994; Krischke et al. 1997; Deck et al. 2000), aber auch „neue Gesichter“ wie die Kritik an der Zuweisungssteuerung der Kostenträger, unzureichende Kostenübernahmezusagen oder der Wunsch nach Patientenlotsen und einer häufigeren Anwesenheit von Reha-Beratern in der Rehabilitationsklinik. Durch die Befragung von Experten aus drei Rehabilitationskliniken mit zwei verschiedenen Behandlungsschwerpunkten ließen sich Probleme und Lösungsvorschläge erkennen, die wahrscheinlich auch für Kliniken mit anderen Behandlungsschwerpunkten von Bedeutung sein werden. Diese gilt es nun auch in den Fokusgruppen mit den Mitgliedern anderer Professionen und den Rehabilitanden sowie in den späteren interdisziplinären Gruppen aufzugreifen und zu diskutieren.
Ausblick
Wir erwarten, dass die institutionenübergreifende Problematisierung und Konkretisierung der Schnittstellenprobleme und die gemeinsame Erarbeitung von konkreten Handlungsstrategien zu einer Optimierung der formalen Abläufe, der inhaltlichen Transparenz und des praktischen Transfers führt. Auf dem Boden der unterschiedlichen Perspektiven der Akteure soll das Potential für ein gemeinsames Arbeitsbündnis ausgelotet werden (‚common ground’). Wesentlich hierfür wird die Etablierung neuer Begegnungs- und Kommunikationsformen sein. Hier könnten regelmäßige (z.B. einmal im Quartal stattfindende) hausärztlich-rehabilitative Kolloquien ein mögliches Format darstellen. Des Weiteren könnten im Nachgang des Projekts gezielt hausärztliche Qualitätszirkel kontaktiert und mit Klinikern aus dem Reha-Bereich zusammengebracht werden. Auf hausärztlichen Fortbildungsveranstaltungen könnten in regelmäßigen Zeitabständen Vertreter der Reha-Medizin zu einem Expertenreferat eingeladen werden. Ebenso sollten hausärztliche Experten bei reha-internen Veranstaltungen vertreten sein. Die Ausgestaltung und Auswahl der jeweiligen Begegnungs- und Kommunikationsformen ist ein wesentliches Produkt des geplanten Projekts. <<

* Deck R, Träder J-M, Scherer M. Optimierung der Zusammenarbeit von Reha-Kostenträgern, Reha-Einrichtungen und ambulanter Versorgung. Projekt 146, gefördert vom Verein zur Förderung der Rehabilitationsforschung in Schleswig-Holstein, Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern (vffr).