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Die unbekannte Größe der Gesundheitsversorgung: Arztnetze

Arztnetze verfügen über eine Reihe von betriebswirtschaftlichen Vorteilen gegenüber Einzelpraxen. Die aktuelle Verfasstheit von Arztnetzen ist aber im Durchschnitt noch weit entfernt von Professionalität. Die Zahl der Arztnetze, die ihre Vorteile auch umsetzen können, steigt zunehmend an. Mit steigender Bedeutung der Arztnetze steigt ebenfalls das Risiko einer Monopolversorgung an. Für dieses Risiko müssen adäquate Antworten erst gefunden werden. Managementkenntnisse sind und bleiben in Aufbau und Leitung von Arztnetzen weiterhin essenziell.

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Erstveröffentlichungsdatum: 23.09.2012

Abstrakt: Die unbekannte Größe der Gesundheitsversorgung: Arztnetze

Arztnetze verfügen über eine Reihe von betriebswirtschaftlichen Vorteilen gegenüber Einzelpraxen. Die aktuelle Verfasstheit von Arztnetzen ist aber im Durchschnitt noch weit entfernt von Professionalität. Die Zahl der Arztnetze, die ihre Vorteile auch umsetzen können, steigt zunehmend an. Mit steigender Bedeutung der Arztnetze steigt ebenfalls das Risiko einer Monopolversorgung an. Für dieses Risiko müssen adäquate Antworten erst gefunden werden. Managementkenntnisse sind und bleiben in Aufbau und Leitung von Arztnetzen weiterhin essenziell.

Abstract: Physician networks - a covert major resource in medical care

Physician networks are gaining ground in Germany´s medical care. Yet they lack full professionalisation keeping them from turning their considerable business advantages into performance. While growing in numbers and influence, the risk of monopolization and failure must not be overlooked. Management skills are essential for a successful startup and growth

Schlüsselbegriffe

Arztnetze, Gesundheitsversorgung

Literatur

Amelung, Volker Eric: „Integrierte Versorgung und Medizinische Versorgungszentren: Von der Idee zur Umsetzung. Schriftenreihe des Bundesverbandes Managed Care“, MWV Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, 2. Auflage, 2008, ISBN-10: 3939069574 Amelung, Volker Eric: “Managed Care in Europa“, MWV Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, 2008), ISBN-10: 3939069647 Asum, Heiko; Kerth, Klaus: “Die besten Strategietools in der Praxis. : Welche Werkzeuge brauche ich wann? Wie wende ich sie an? Wo liegen die Grenzen?“, Hanser Wirtschaft, 3. erw. Auflage, 2008, ISBN-10: 3446414533 Busse, Reinhard; Schreyögg, Jonas; Tiemann, Oliver: „Management im Gesundheitswesen“ Springer Verlag, Berlin; 2. Auflage (November 2009) ISBN-10: 364201335X Deimel; Dominik et al.: „Das Gesundheitsunternehmen als Versorger der Zukunft: Perspektiven erkennen - Chancen ergreifen - Strategien umsetzen“ Mwv Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, 2009, ISBN-10: 3939069787 Lägel, Ralph (Hrsg.): „Neue Versorgungsansätze in Psychiatrie, Neurologie, Psychosomatik“ MWV Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, 2009,ISBN 978-3-939069-67-6 Schicker, Günter: „Koordination und Controlling in Praxisnetzen mithilfe einer prozessbasierten E-Service-Logistik“ Gabler Verlag, 1. Auflage 2008 ISBN-10: 3834909270 Schreyögg, Georg: „Organisation: Grundlagen moderner Organisationsgestaltung. Mit Fallstudien“, Gabler Verlag, 2008, ISBN-10: 3834907030 Weatherly, John N.: „Handbuch Systemisches Management: Eine Anleitung für Praktiker“ MWV Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, 2009 ISBN-10: 3939069531 Weatherly, John N. et al.: „Leuchtturmprojekte Integrierter Versorgung und Medizinischer Versorgungszentren: Innovative Modelle der Praxis. Schriftenreihe des Bundesverbandes Managed Care“, MWV Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, 1., Auflage, 2006, ISBN-10: 3939069205

Zusätzliches

Plain-Text

Die unbekannte Größe der Gesundheitsversorgung: ArztnetzeDie Gründungen von Arztnetzen nehmen ein Ausmaß an, dass die ärztliche Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland deutlich verändern könnte. Die heute etablierten Arztnetze wurden in den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts gegründet und haben sich teilweise fest in der Versorgung ihrer Region etabliert. Mit teilnehmenden Arztpraxiszahlen zwischen 20 und 150 Arztpraxen ist die Netzlandschaft verhältnismäßig vielfältig. Die Eigenschaften von Arztnetzen als Kooperationen bergen Vorteile und Mechanismen, die wir nachfolgend aus betriebswirtschaftlicher Sicht aufzeigen wollen. Arztnetze können eine Antwort auf viele Fragen und Probleme der Gesundheitsversorgung zu Beginn des 21. Jahrhunderts darstellen, sie bergen jedoch auch Risiken, die es ebenfalls zu bedenken gilt. Insbesondere aus der Monopol- bzw. Quasimonopolstellung erwachsen Risiken sowohl für die Versorgungsqualität als auch für die Versorgungssicherheit der Patienten. Ein Blick auf die Arztnetze offenbart einige zu prüfende Aspekte für alle Beteiligten, die in Bestand, und noch viel mehr in den Aufbau solcher Netze Ressourcen investieren wollen.

>> Ein angestrebtes Ziel von Kooperation sind die vielzitierten Synergieeffekte. In der Betriebswirtschaft werden dabei Dichtevorteile, Verbund- bzw. Verkettungseffekte und Skalenerträge unterschieden. Dieses ist zwar betriebswissenschaftliches „Allgemeingut“, ein Blick in die Praxis zeigt aber, dass die angestrebten Effekte einer geplanten Kooperation von Initiatoren und Betreibern eher selten klar klassifiziert, exakt beschrieben und in ihre jeweilige Unternehmens- bzw. Organisationsstrategie eingepasst werden. Auf diese Weise werden bei Arztnetzgründung und -aufbau jedoch potenziell Chancen von Kooperationen verpasst, sich ergebende Probleme wie auch Risiken für das Arztnetz bzw. für die eigene Praxis übersehen.
Dichtevorteile
Dichtevorteile entstehen dadurch, dass die Abnehmer einer Dienstleistung räumlich stark konzentriert sind. Ein Beispiel von Dichtevorteilen ist, dass Patienten in einem Medizinischen Versorgungszentrum mehrere Ärzte mit einer Fahrt aufsuchen können. Ein wichtiger Aspekt ist für Arztnetze, wenn Abstimmungsfragen innerhalb der im Netz vertretenen Ärzte und nichtärztlichen Berufsgruppen (Therapeuten, Pflegepersonal, etc.) untereinander – ohne Wartezeit - sofort geklärt werden können.
In Kooperationsverträgen des Gesundheitswesens spielen die Dichtevorteile noch keine hervorgehobene Rolle.
Skalenerträge
Skalenerträge, ergeben sich, indem ein Arztnetz die Anzahl seiner Patienten und Leistungen im Verhältnis zur Einzelpraxis erhöhen kann und sich dadurch Einsparungen ergeben.
Wenn mehrere Praxen beispielsweise ihre Geräteanschaffung aufeinander abstimmen und die wechselseitige Nutzung der Geräte vereinbaren, steigt für jeden Netzteilnehmer der Nutzungsgrad dieser Geräte, womit sich (im Allgemeinen) eine höhere Rentabilität der Geräte ergibt. Ähnliche Effekte können sich auch in der gemeinsamen Nutzung eines Personalpools ergeben oder durch ein gemeinsames Termin- und Wiedervorstellungsmanagement, den gemeinsamen Einkauf von Materialien und bessere Preis- und Rabattkonditionen bei den Lieferanten.
Skaleneffekte und -erträge waren ursprünglich mal der Anlass, die Gründung von Arztgemeinschaften (Netze und Genossenschaften) überhaupt voranzutreiben.
Verbundeffekte
Während Skaleneffekte die bessere Ausnutzung vorhandener Ressourcen bei bestehenden Konzepten gewährleisten, ermöglichen die Verbundeffekte den Aufbau neuer Dienstleistungs- bzw. Versorgungsformen. Diese entstehen durch die Integration und Verbindung der Versorgungsleistungen zweier oder mehrerer Partner. Die Effekte wirken umso stärker, je höher der Bedarf der gemeinsamen Patienten für die Gesamtpalette des Angebotes ist.
Ein Beispiel dafür sind Brückenteams in der Palliativmedizin, in denen Ärzte und Palliativpflegeschwestern ihre jeweiligen Aspekte der Pflege, Medikation und Behandlung von Patienten in die Beratung von Hausärzten und Angehörigen sowie in die Arbeit mit Patienten in häuslicher Umgebung mit einbringen.
Die zurzeit bedeutendsten Effekte unter den Verbundeffekten sind die Verkettungseffekte. Diese entstehen dadurch, dass in einer Prozesskette (Behandlungskette) mehrere Kettenglieder miteinander stärker verbunden werden. Verkettungseffekte entstehen in der Praxis beispielsweise durch die Zusammenarbeit von Haus- und Fachärzten, eines Krankenhauses mit einem Rehabilitationsanbieter. Dabei ist der indikationsbezogene Gesamtbehandlungsprozess die sachlich verbindende Einheit, die Versorgungsregion mit den dort vorhandenen Anbietern beschränkt allerdings, solange keine volle Niederlassungsfreiheit besteht, die Auswahl an möglichen Kooperationspartnern. Problematisch an solchen Kooperationen ist die sehr starke Bindung und Verantwortung der Kooperationspartner aneinander sowie gute Einblickmöglichkeiten in Organisation und Abläufe der jeweiligen Kooperationspartner untereinander. Diese Form der Transparenz ist nicht jedem willkommen.
Informationsbrüche
Informationsbrüche tauchen dort auf, wo Informationen gar nicht, verfälscht oder nicht zur rechten Zeit in der Prozesskette weitergegeben werden. Der Informationsaustausch wird meistens auf das absolut notwendigste Minimum an Aufwand und Informationsinhalt reduziert. Die Patienten sind selbst nicht willens oder in der Lage, relevante Informationen aufzunehmen oder sie weiterzugeben.
In vielen Fällen wissen die Prozessbeteiligten (ohne Absprachen) also schon nicht, welche Informationen in welcher Hinsicht hilfreich (ärztlich, pflegerisch, soziales Umfeld) sein können. Der Prozessnachfolger weiß nicht, welche Informationen bereits beim Vorgänger vorhanden sind.
Informationsbrüche bergen hohe Risiken, fehlende und verfälschte Informationen wirken sich negativ auf die Prozess- und Ergebnisqualität aus, die entsprechenden Maßnahmen müssen häufig zur Unzeit nachgeholt und/oder wiederholt werden, entsprechende deutliche Mehrkosten fallen im Gesamtbehandlungsprozess an.
Realisierung von Verkettungseffekten
und Vermeidung von Brüchen
Durch Eliminierung dieser Brüche in der Prozesskette wird eine Fülle positiver Effekte erreicht. Zum einen wird der Wert der Arbeit von Prozessvorgängern erhalten, indem deren Arbeitsergebnisse genutzt werden, solange sie Gültigkeit haben. Zum Zweiten muss kein zusätzlicher Aufwand betrieben werden, um solche Ergebnisse verfügbar zu halten (Medienbruch). Der zusätzliche Aufwand für die Wiederholung von Maßnahmen und die Gefahr von Kopierfehlern und Daten-/Informationsverlust entfällt. Der Gesamtprozessaufwand verringert sich erheblich. Der jeweilige Beitrag eines Leistungserbringers in der Wertschöpfungskette bleibt für alle transparent und ersichtlich, womit sich zwangsläufig auch die Qualität erhöht. Schlussendlich ist die Zufriedenheit von Leistungserbringern und Patienten höher, weil nicht mehr Aufwand erbracht werden muss als individuell nötig ist. Diese Effekte betreffen insbesondere die indikationsbezogenen Projekte integrierter kooperativer Versorgung.
Risiken von Arztnetzen
Arztnetze beginnen mit steigendem Umfang der mitarbeitenden Ärzte, ein Monopol darzustellen, indem die am Arztnetz beteiligten Ärzte früher oder später die in einer Region überwiegende Masse der Patientenversorgung leisten. Diese Monopolstellung kann in Teildisziplinen bereits sehr früh erreicht sein, in Disziplinen mit hoher Anzahl von Praxen entsprechend später.
Monopole werden in der Volkswirtschaft mit Recht kritisch beurteilt. Da der Wettbewerb im Allgemeinen als treibende Kraft für Innovationen und Wohlstandsteigerungen gilt und Monopole naturgemäß den Wettbewerb beeinträchtigen, gilt es, solche Entwicklungen genau zu verfolgen, um die Vorteile der Vernetzung nicht durch aufkommende Nachteile zu gefährden. Mögliche Nachteile beruhen auf zwei Faktoren: Der Verhandlungs- und Gestaltungsmacht von Monopolen und dem Risiko des wirtschaftlichen Scheiterns einer Organisation mit Monopolcharakter.
Die Verhandlungsmacht eines Arztnetzes ist insbesondere in ländlichen Regionen, in denen keine Alternativen zur Versorgung der Bevölkerung bestehen, sehr groß. Denn für die Kostenträger als Träger des Sicherstellungsauftrages besteht keine Alternative für die Übertragung des Versorgungsauftrages als die Teilnehmer des entsprechenden Arztnetzes. Die Alternative, eine neue oder eigene Versorgungsstruktur aufzubauen, besteht aus rechtlichen und zeitlichen Gründen nicht, da die Patientenversorgung in der Zeit eines solchen Aufbaus nicht ausgesetzt werden kann. Zwar ist auch das Arztnetz auf die Kostenträger als Vertragspartner angewiesen, in einer Monopolstellung steht das Arztnetz jedoch einer Vielzahl von Krankenkassen gegenüber, die es seinen Patienten empfehlen kann, während die Krankenkasse diese Option nicht besitzt. Das bedeutet letztlich, dass das Arztnetz die Konditionen der Patientenbehandlung im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen selbst festlegen kann. Hat das Netz bzw. die teilnehmenden Ärzte ihre Verhandlungsmacht erst einmal verinnerlicht (diese stellt immerhin ein Novum seit Einführung des Krankenversicherungswesens dar), ist nicht auszuschließen, dass Parameter wie Behandlungsqualität und Entgelte den Intentionen der Ärzte entsprechend angepasst werden und zwar zu Lasten mindestens der Kostenträger.
Ein weiteres Risiko besteht darin, dass Arztnetze eine wirtschaftliche Eigendynamik entwickeln können, die die teilnehmenden Praxen in eine Abhängigkeit bringen. Mit steigender Praxenzahl, zunehmender Vernetzung und wirtschaftlicher Verflechtung (Gerätepools etc.) steigt auch die Abhängigkeit der Einzelpraxis vom Funktionieren des Arztnetzes an. Die Insolvenz des Arztnetzes bzw. seiner Betreibergemeinschaft kann dann mit dem Zusammenbruch der Infrastruktur als Kettenreaktion zum Zusammenbruch der ärztlichen Versorgung ganz oder in Teilbereichen führen.
Das Risiko des Zusammenbruchs steigt rapide an, wenn das Arztnetz einen substanziellen Anteil an Erlösen aus Direktverträgen erwirtschaftet und bei Wegfall dieser Verträge nicht mehr kostendeckend arbeiten könnte. Im Rahmen des Risikomanagements der Einzelpraxen würde man einem solchen Risiko vorbeugen, indem man sicherstellen würde, dass auch beim Zusammenbruch eines Netzes die Einzelpraxis weiterhin überlebensfähig wäre. Leider überfordert ein solches Risikomanagement erstens viele Praxisinhaber, zweitens könnten sich viele Inhaber auch auf das Prinzip des „too big to fail“ verlassen, zumal die Gesundheitsversorgung ein politisch stets hochrelevantes Thema ist.
Zur Sicherung der eigenen Praxis sollten Arztnetzteilnehmer genau darauf sehen, dass die durch einen Selektivvertrag zusätzlich aufzuwendenden Ressourcen in einem exakten Zusammenhang mit den Entgelten stehen und dass eine Ausstiegsmöglichkeit besteht, sich von unrentablen Verträgen zu trennen. Im Sinne der Versorgungssicherheit wäre anzustreben, dass sich der Mehraufwand für den Arztnetzbetrieb auch ohne Selektivverträge aus den Einsparungen im Rahmen der Regelversorgung vollständig finanziert.
Da, wie schon angedeutet, eine Monopolisierung der ärztlichen Leistungserbringer erstmalig in der deutschen Geschichte auftreten könnte, ist auch nicht abzusehen, welche Methoden staatlicherseits zur Sicherung des Gesundheitswesens zum Einsatz gebracht werden. Spätestens nach den ersten gravierenden Fällen von Monopolisierung und Missbrauch sind hier Reaktionen zu erwarten, die die Gesundheitsversorgung wiederum stark verändern werden.
Gängige Konzeptraster, Rollen und Muster
in Netzwerken des Gesundheitswesens
Einige Rollen und Muster in den Arztnetzen und den durch sie geschlossenen Selektivverträgen begegnen einem wiederkehrend, so dass hier schon fast von Geschäftsmodellen gesprochen werden kann.
„Manufaktur-Modell“
Das Modell ist ausgerichtet an dem neuzeitlichen Konzept einer Manufaktur, also der fabrikmäßigen, arbeitsteiligen Erbringung von Leistungen. Gegenüber der „handwerklichen“ Einzelleistungserbringung zeichnet sich das Manufakturmodell aus durch eine Kostenersparnis bei der Leistungserbringung und eine Steigerung der Behandlungsqualität durch höhere Spezialisierung der einzelnen Teilnehmer und Übernahme der Verantwortung für das Gesamtbehandlungsergebnis.
Typisch ist die operative Leistungserbringung entlang eines Behandlungsstranges für eine bestimmte Indikation, bspw. bei der Prothetik (Knieendoprothese) oder auch bei der Palliativversorgung.

„Feuerwehr-Modell“
Das „Feuerwehr-Modell“ bedeutet die kooperative Vernetzung der Leistungserbringer zur Überwachung und Verhütung von kostenträchtigen Entwicklungen bei bestimmten Indikationen, bspw. Herznetze oder Diabetesprogramme. Der Vorteil für die Kostenträger liegt in der Reduzierung des Risikoeintritts im Verhältnis zur Regelversorgung. Vor- und Nachteile sind ähnlich gelagert wie beim „Manufaktur-Modell“. Grundsätzlich ist ein Nachteil des „Feuerwehr-Modells“, dass der konkrete Erfolg nur langfristig messbar ist.

„Marktplatz-Modell“
Das „Marktplatz-Modell“ stellt als Vorteile die kooperative Vernetzung und räumliche Schwerpunktbildung mit kurzen Informationswegen und guter Transparenz zwischen den Leistungserbringern dar. Es eignet sich für die Versorgung von räumlich klar abgrenzbaren Gebieten, innerhalb derer die Patienten beim Anbieter (wie auf einem Marktplatz) alle für sie wesentlichen Leistungen abrufen können.

„Genossenschaftsmodell“
Ein „Genossenschaftsmodell“ stellt Dichtevorteile in den Vordergrund, vorrangig die gemeinsame Finanzierung und Nutzung von Dienstleistungen und Investitionsgütern. Das Genossenschaftsmodell ist somit unabhängig von Selektivverträgen.
Parameter professioneller Arztnetze
Die Professionalität von Arztnetzen liegt unabhängig von der Größe des Netzes in der Einhaltung einiger Parameter, die für den Nutzen des Arztnetzes in der Versorgung wichtig und bedeutend sind:
Ziele
Das Arztnetz sollte mit seiner Gründung definierte Ziele verfolgen, die verknüpft sind mit konkreten Vorgaben, welche Effekte genutzt werden sollen, wie diese Effekte gemessen werden können und welche Faktoren hier hemmend und verstärkend wirken.

Netzaufbau
Die geplante/angestrebte Netzstruktur und Kommunikationsstruktur sollte die Ziele des Netzwerkes erkennen lassen. Für die teilnehmenden Praxen sollte die Teilnahme vertraglich geregelt sein. In den Verträgen sind die Ziele soweit aufzunehmen, dass aus dem Vertrag Vorteile und Pflichten der Netzpraxen hervorgehen. Ein professionelles Netzmanagement sollte für jede Netzpraxis über eine abgestimmte Planung verfügen, wie diese Praxis im Verbund des Arztnetzes entwickelt werden kann.

Regionsbezug/Patientenbezug
Das Praxisnetz sollte so regional bezogen sein, dass die Versorgungsregion des Arztnetzes in Bezug auf die Abdeckung der Gesundheitsversorgung und die Patientenbelange überprüft und geplant wird.

Behandlungspfade
Für die Analyse der ärztlichen Tätigkeiten und die weitere Planung des Arztnetzes ist es unabdingbar, Behandlungspfade zu definieren und zu beobachten. Erst mit der Beobachtung der Behandlungspfade ist es möglich, die Synergieeffekte auch in Bezug auf die Patientenversorgung zu messen und Nachweise darüber zu erbringen. Ebenso in Verbindung mit den Patientenpfaden steht die Berechnung der tatsächlichen Kosten, die für die Behandlung entstehen, sowohl innerhalb der Netzpraxen, als auch im Gesamtnetz.

Controlling von Benefits
Die Umsetzung von Zielen des Gesamtnetzes in greifbare Ergebnisse und belastbare Vorhersagen ist Sache des Controllings dieser Ziele auf Basis der im Netz verfügbaren Daten. Die sorgfältige Kontrolle in dieser Sache ermöglicht erst die überzeugende Formulierung von Vorteilen des Netzes im Verhältnis zur Regelversorgung. Controlling bedeutet in diesem Zusammenhang nicht zwingend den Einsatz kostenträchtiger Mitarbeiter und Software, sondern je nach Entwicklungsstand des Netzes eine kontinuierliche und ergebnisorientierte, angemessene Identifikation und Beobachtung von Parametern.
Anforderungen an das Management in unterschiedlichen Gründungs- und Aufbaustadien
Gründung und Aufbau eines Arztnetzes bedeutet kontinuierliche Arbeit, die insbesondere in der Gründungsphase durch eine professionelle Organisationsberatung mit einer Frequenz von 2 bis 3 Terminen pro Quartal begleitet werden sollte. Inhalt der Begleitung sind Koordination und Supervision sowie, wo nötig, auch eine Korrektur in Planung oder Management.
Bei bestehenden Netzen müssen im nächsten Schritt erste Synergieeffekte hergestellt werden und einzelne auf jeweilige Diseases spezialisierte Arbeitsgemeinschaften gegründet werden, die sich im Sinne evidenzbasierter Qualitätssteigerung um neue Behandlungskonzepte kümmern. Ziel ist es hier, Synergieeffekte im Sinne von Benefits zu finden, so dass eine Verhandlungsmasse von Netzärzten und Kostenträgern entsteht, auf deren Basis Selektivverträge abgeschlossen werden können.
Diese Selektivverträge werden auch in Zukunft kein Automatismus für Budgetsteigerungen sein können. Vielmehr ist bei gedeckelten Gesamtbudgets und wachsenden Qualitätsansprüchen davon auszugehen, dass eine höhere Leistung der Arztnetze im Vordergrund stehen wird.
Neben einigen Studien über Arztnetze und ihre Professionalität haben auch Unternehmen der Pharmabranche Arztnetze als eigene Zielgruppe und Faktor im Gesundheitswesen identifiziert und Analysen angefertigt, die ein in den Grundlinien übereinstimmendes Bild ergeben:
Von den etwa 700 bestehenden Arztnetzen werden durch verschiedene deutsche und internationale Pharmafirmen weniger als ein Zehntel als professionell aufgestellt eingestuft, die sich auch bereits durch den Abschluss von Selektivverträgen und sichtbare Synergieeffekte auszeichnen.
Weitere 50 bis 70 Netze sieht man auf einem guten Weg in diese Richtung, wobei für diese Netze Hilfsbedarf für die weitere Entwicklung zu ersehen ist, der insbesondere in die punktuelle Weiterentwicklung der Konzepte und Methoden des Managements zu investieren sein wird.
Etwa ein Drittel der Netze befindet sich erst in der Anfangsphase, in der auf eine vage Idee der Netzgründung ein ebenso vages Konzept über die Erreichung der Ziele aufgesetzt ist. In diesem Konzept sind Sinn und Zweck, Ziele und das ganze „warum?“ nicht klar. Problematisch ist hier, dass das Ziel der Netzgründung häufig eher mit der Aussicht auf die Erfüllung persönlicher Ziele verbunden wird als mit der Netzgründung an sich, weshalb mehr Zeit und Ressourcen in Imagination und Aktionismus verwendet wird als für eine konsequente Zielerreichung. Der Aktionismus richtet sich bevorzugt auf Selektivverträge, Büroeinrichtungen, Missions-Statements, Logos und Rechtsformen, wozu auch professionelle Hilfe notwendig und willkommen ist, vorausgesetzt dass sie kostenfrei ist und der Imagination keinesfalls schadet.
Hier sind wesentliche Grundvoraussetzungen von Management, nämlich Vermeidung von Komplexität, Zielstrebigkeit und ein sicheres Auge dafür, was die Zielerreichung hemmt oder fördert, wenig ausgeprägt. Verkannt wird durch solche Netzgründer, dass ein Arztnetz zu gründen und zu führen, grundsätzlich andere Voraussetzungen fordert als die Führung einer Arztpraxis und dass das erfolgreiche Führen auch einer kooperativen Arztpraxis nicht bedeutet, dass dieses auf ein Arztnetz 1:1 übertragbar ist.
Arztnetze in diesem Stadium benötigen eine Kombination aus Coaching der gründenden Netzärzte, Fachberatung über Gründerwissen und Methoden sowie Organisationsberatung für das schnelle Überwinden von Hindernissen und Problemen auf dem Weg zu einem stabilen und professionell aufgestellten Netzwerk. Dass die damit verbundenen Kosten gut angelegt sind, sehen auch kommunale Stellen so, die die Gründungsberatung in einem substanziellen Anteil fördern. Auch weitere Kooperationspartner aus dem Gesundheitswesen sehen in dem Aufbau eines verlässlichen Partners der ambulanten Versorgung einen förderungswürdigen Aspekt und beteiligen sich an den entsprechenden Kosten. Die Umlage von Beratungskosten von vielleicht 100 Euro pro Monat (vor Steuer) pro beteiligter Praxis spart eine Menge Zeit, Geld und Kraft. Die dauerhafte Begleitung eines Arztnetzes lässt sich dauerhaft mit wenigen tausend Euro per anno realisieren. Eine solche Investition muss für den Aufbau eines Arztnetzes mit mittelständischem Anspruch selbstverständlich sein.
Arztnetze mit geringem Praxisumfang
Als Arztnetze mit geringem Praxenumfang definieren wir Arztnetze mit 15 bis 50 teilnehmenden Praxen. Diese „Mini-Netze“ zeichnen sich zumeist durch ein eigenes oder eingekauftes Fachmanagement aus. Die Situation in solchen Arztnetzen ist stark unterschiedlich. Idealerweise sind die Informations- und Kommunikationswege kurz, entsprechend effektiv ist auch die Netzführung strukturiert.
Vorhandene Chancen können aufgrund des kleineren Umfanges des Netzes nicht in vollem Ausmaß genutzt werden, allerdings sind auch die Risiken des Netzes noch beherrschbar.
Es begegnet einem jedoch auch das andere Extrem: Das Management bemüht sich, seine eigene Praxis zusätzlich zum Netz zu betreiben und verzettelt sich zwischen operativen Aufgaben und strategischer Ausrichtung, für Innovationen fehlt es an einer angemessenen Entlohnung, es gibt keine klare Ausrichtung und der glänzende Blick auf die mögliche Bedeutung des Arztnetzes verhindert eine pragmatische und zielführende Herangehensweise an die sich stellenden Anforderungen und Aufgaben. Wichtig sind hier die konsequente Ablösung des Managements von Aufgaben in der Praxisführung und die Ermöglichung von zielführenden Investitionen.
Große Arztnetze
Große Arztnetze sind gekennzeichnet durch eine Praxenanzahl jenseits der Grenze von 100 Praxen. Positiv ist zu bewerten, dass die Führung des Arztnetzes im Allgemeinen professionell aufgestellt ist. Bei dieser Menge von Einzelpraxen ist zumeist eine straffe Führung etabliert, weil das Arztnetz auch gegenüber seinen Einzelpraxen eine Monopolstellung einnimmt. Hier treten die angesprochenen Risiken der Monopolbildung auf, wobei jedoch ein professionelles Management den Risikoeintritt entsprechend mindert.
Arztnetze mit größerem Praxenumfang
Größere Arztnetze (50-100 Praxen) besitzen bereits feste Strukturen in Bezug auf Selektivverträge, Rechtsformen der Gesellschaft(en) und EDV. Professionelles Management ist Pflicht. Problematisch ist die Struktur der teilnehmenden Praxen, die häufig zu facharztlastig ist und die Versorgung in der Fläche zugunsten vielfacher indikationsorientierter Modelle vernachlässigt. Im Verhältnis zu kleineren Arztnetzen fehlt durch die höhere Anzahl von Praxen die Flexibilität bei der Führung der Einzelpraxen, im Verhältnis zu großen Arztnetzen die Verhandlungsmacht gegenüber den Kassen und die Fähigkeit zum Abschluss auch spezieller Versorgungsverträge. Die Situation dieser Praxen ist eine typische „stuck-in-the-middle“-Situation, in der diese Netze gefährdet sind durch Überforderung des Managements und Überschätzung der eigenen Situation. Die Größe des Netzes begünstigt Auseinandersetzungen und „Grabenkämpfe“ zwischen teilnehmenden Ärzten untereinander und dem Management über Positionen und strategische Vorgehensweisen. Wichtig ist in dieser Situation eine klare Ausrichtung des Managements, Offenheit der Führung und Kommunikation sowie die Bildung bzw. Pflege eines Kerns von Praxisinhabern, die bei aller notwendigen Auseinandersetzung die Stabilität des Netzes in dieser Phase bewahren.
Fazit
Arztnetze sind ein erheblicher Faktor in der ambulanten Gesundheitsversorgung und können sich durch regionale Konzentration schnell zu einem Monopol entwickeln, dass sowohl die klinische Versorgung als auch die Kostenträger in problematische Situationen bringen kann. Darum ist es angebracht, eine unreflektierte Förderung der Praxisnetze zu überdenken und von den Praxisnetzen Professionalität des Managements und die Einhaltung klarer Vorgaben zu fordern. Ein großer Teil der rund 700 Praxisnetze wird sich im Bereich zwischen 5 und 50 angeschlossenen Arztpraxen befinden. Insbesondere Netze mit einer Größe von 50 bis 100 Praxen befinden sich in einem schwierigen Stadium. Aber erst hier beginnt das Stadium, in dem regionale Konzepte beginnen, sinnvoll zu sein, um einerseits Potenzial für umfassende Synergien und auch Marktmacht aufbauen zu können. Beim Aufbau eines Arztnetzes ist eine beratende Begleitung insbesondere des Managements sinnvoll, bei der Gründung bis zum Erreichen eines Umfanges von 50 Praxen zwingend notwendig. <<

Synergieeffekte
• Dichtevorteile
• Skalenerträge
• Verkettungseffekte
• Verbundeffekte
• Vermeidung von Brüchen