Unter welchen Voraussetzungen telemedizinische Angebote medizinisch, wirtschaftlich und technisch sinnvoll sind und wie sie in den Leistungskatalog der Kassen aufgenommen werden können, war Thema der 14. TELEMED-Fachtagung.
>> Blutdruck, EKG, Puls – mit speziellen Sensoren ausgestattete Messgeräte ermitteln beim Telemonitoring die Gesundheitswerte der Patienten in ihrem häuslichen Umfeld. Rund um die Uhr werden diese Vitalparameter dann drahtlos an ein durchgehend besetztes Telemedizinisches Zentrum übertragen. Gibt es einen auffälligen Messwert, können die Ärzte von dort aus sofort handeln: Sie kontaktieren den Patienten, überweisen ihn an den Haus- oder Facharzt oder rufen im Notfall einen Rettungswagen.
Auf diese Weise können eHealth und Telemedizin die ärztliche Betreuung von Patienten verbessern. Sie unterstützen die Vorbeugung, Diagnose, Behandlung und Überwachung von Krankheiten, können den Zugang zur ärztlichen Versorgung verbessern und Kosten reduzieren helfen. In den vergangenen Jahren haben solche Verfahren deshalb an Bedeutung gewonnen.
In Deutschland haben telemedizinische Angebote wie Telekonsil, Telemonitoring und TeleHomeCare bislang jedoch vielfach das Stadium von Pilotprojekten und singulären Anwendungen noch nicht überwunden.
Zwar arbeitet mittlerweile fast jedes zweite Krankenhaus in Deutschland mit Teleradiologie, wie Dr. Carl Dujat, Geschäftsführer des Bundesverbandes für Medizininformatiker (BVMI) und Mitveranstalter der TELEMED, erläutert. Auch die Fernabfrage von Schrittmachern und Defibrillatoren setzt sich immer mehr durch. Doch in vielen anderen Bereichen und vor allem im ambulanten Sektor ist man noch weit davon entfernt, telemedizinische Anwendungen als Teil der Regelversorgung zu nutzen. „Derzeit gibt es noch zu viele technologieverliebte Einzelprojekte und Individualverträge mit den einzelnen Krankenkassen“, analysiert Sebastian C. Semler, wissenschaftlicher Geschäftsführer der Telematikplattform für medizinische Forschungsnetze (TMF) e.V. und ebenfalls im Veranstaltungsteam der TELEMED. „Von einer regulären Vergütung telemedizinischer Dienste sind wir noch weit entfernt.“
Die diesjährige TELEMED fragte deshalb unter dem Motto „Telemedizinische Zentren und Services – steht der Einstieg in die Regelversorgung bevor?“, wie die Telemedizin zu einem festen Bestandteil der ärztlichen Kassenleistungen werden kann. Auf dem Programm standen Vorträge über Erfahrungen und Evaluationen bisheriger Projekte sowie über neue Studien der Versorgungsforschung. So wird zum Beispiel seit Januar 2008 an der Charité Berlin im Rahmen der vom Bundeswirtschaftsministerium geförderten „Partnership for the Heart“-Studie untersucht, ob Telemedizin für Herzpatienten eine nennenswerte Verbesserung gegenüber etablierten Therapieverfahren darstellt. Dr. Friedrich Köhler, Oberarzt an der Charité, präsentierte einige Ergebnisse dieser Studie, von denen Sebastian C. Semler hofft, „dass sie den Weg zeigen werden, wie wir beim Thema Herzinsuffizienz-Telemonitoring aus der Projektphase in die Regelversorgung kommen“.
Laut dieser Studie sind erhebliche Einsparpotenziale durch Verringerung von Krankenhausaufenthalten erkennbar, sowie eine deutlich bessere Lebensqualität teilnehmender Patienten. Das Projekt bezieht neben ländlichen Regionen bewusst auch dicht besiedeltes Stadtgebiet mit ein.
Dennoch steht die Telemedizin aktuell noch zahlreichen Barrieren gegenüber, wie etwa der unzureichenden Akzeptanz durch die Ärzte, rechtlichen Unsicherheiten, Finanzierungsfragen, fehlenden Standards und unzureichender Evidenz. Die Beteiligung niedergelassener Ärzte an telemedizinischen Projekten, so wurde deutlich, hängt von der Vergütung, nachgewiesenen Therapievorteilen und der nahtlosen Einbindung der telemedizinischen Anwendung in den Praxisalltag ab. Bislang durchgeführte Studien zu Wirtschaftlichkeits- und Wirksamkeitsnachweisen belegen sowohl medizinische Qualitätsverbesserungen als auch ökonomisches Einsparpotenzial. Die Krankenkassen bewerten bestehende Telemedizinprojekte daher als überwiegend sinnvoll. Bislang werden telemedizinische Leistungen entweder über öffentliche Förderung oder über individuelle Verträge zwischen den Krankenkassen, den jeweiligen Telemedizin-Anbietern und den niedergelassenen Ärzten vergütet. Von einer Verschreibung telemedizinischer Leistungen „auf Rezept“ ist man in Deutschland noch weit entfernt. Eine Aufnahme in den Katalog der Kassenleistungen scheitert derzeit schon an der Frage, welches Gremium überhaupt für eine solche rechtliche Regelung zuständig wäre.
Dies wurde im Rahmen der Podiumsdiskussion zwischen Kassen- und Ärztevertretern, Industrie und dem Vertreter des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) deutlich. Trotz allem, darüber waren sich die Experten einig, wird sich die Telemedizin weiter etablieren mit erheblichen Konsequenzen für die Weiterentwicklung unseres Gesundheitswesens. Zukünftig wird es zunehmend Bedarf an speziell ausgebildetem Personal für „health telematics“ geben. So wird beispielsweise technisch sehr hoch qualifiziertes Pflegepersonal benötigt, das im derzeit gültigen rechtlichen Rahmen auch ärztliche Aufgaben mit wahrnimmt.
Mit Spannung verfolgten die Teilnehmer auch den Vortrag von Wilhelm Schraeder, dem Geschäftsführer des Beratungsunternehmens AGENON GmbH. Er berichtete über die Ergebnisse der vom Land Brandenburg im Sommer 2008 initiierten Telemedizin-Studie. Gesundheitsministerin Dagmar Ziegler will in Brandenburg die Telemedizin weiter voranbringen, da hier in vielen Gebieten ärztliche Versorgungsdefizite drohen: „Zur Sicherung und Verbesserung der medizinischen Versorgung der Bevölkerung müssen wir alle Möglichkeiten und Chancen ausloten. Einen wichtigen Beitrag dazu könnte die Telemedizin leisten“, sagte Ziegler bei der Präsentation des Gutachtens im Februar dieses Jahres.
In weiteren Vorträgen und Foren wurden Projekte aus der Gesundheitstelematik sowie Anwendungen für die Routineversorgung vorgestellt und die Voraussetzungen für deren flächendeckenden Einsatz diskutiert. Auch die Auswirkungen der jüngsten Novellierung des Medizinproduktegesetzes (MPG) auf die Entwicklung von Medizinprodukten für telemedizinische Anwendungen waren ein Thema der Tagung.
Damit, so das Fazit der Tagung, ist die Telemedizin zwar technisch so weit, dass man operative Vergütungsmethoden erproben könnte, dies scheitert derzeit aber noch an zu vielen ungeklärten Fragen. <<
von Beate Achilles*