Big Data und Digitalisierung: Handlungsbedarf für Versorgungsforschung
Dr. Dominik Graf von Stillfried
Die Gesundheitssysteme der Industrieländer sind extrem komplex. Wer sie verstehen, steuern oder verbessern will, braucht dazu zwingend eine funktionsfähige Versorgungsforschung. Wer außerdem Innovationen im Kontext von Alltagssituationen bewerten will, kommt an einer leistungsfähigen Versorgungsforschung nicht vorbei. Darüber gibt es keinen Dissens in Deutschland. Förderprogramme des BMBF in den Aufbau von Forschungsstrukturen und für die Zusammenführung von Daten sowie die Verankerung des Innovationsfonds im Sozialgesetzbuch zeugen auch von der Bereitschaft, in die Entwicklung der Versorgungsforschung in Deutschland zu investieren. Allein, es fehlt an den notwendigen Rechtsgrundlagen, aufgrund derer Finanzinvestitionen in die Versorgungsforschung zur Entwicklung einer nachhaltigen und leistungsfähigen Forschungsinfrastruktur heranreifen können. Ohne Daten gibt es keine Forschung, und ohne geeignete Rechtsgrundlage fehlt der deutschen Versorgungsforschung der notwendige Datenzugang. Der formale Anlass, um dieses „heiße Eisen“ anzupacken ist gegeben: Die anstehende Umsetzung der europäischen Datenschutzverordnung in deutsches Recht. Der Zeitrahmen dafür ist begrenzt, nämlich bis Ende 2018. Allzu lange sollte die (alte und die neue) Bundesregierung auch aus anderen Gründen nicht warten. Andere Parlamente, etwa im Vereinigten Königreich, haben den internationalen Wettbewerbsdruck längst erkannt und bereits gehandelt. In den nächsten Jahren wird sich entscheiden, ob Deutschland bei ‚Big Data‘ in der Versorgungsforschung führend oder langfristig ein internationales Nischendasein in der Versorgungsforschung führen wird. An dieser Frage wird sich auch entscheiden, ob Deutschland perspektivisch weiter ein Exportland von Gesundheitstechnologie sein oder zu einem Importland werden wird. Wer den Forschungsstandort Deutschland auch im Bereich der Versorgungsforschung an der Weltspitze halten will, muss jetzt die Ressorts Forschung, Gesundheit, Wirtschaft und Inneres dazu verpflichten, ein gemeinsames Aktionsprogramm Versorgungsforschung aufzulegen, welches baldmöglichst vom Bundestag beschlossen werden müsste.
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Erstveröffentlichungsdatum: 02.12.2016
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