DRG-induzierte Veränderungen und ihre Auswirkungen
2004 wurden Diagnosis related groups (DRG) als pauschaliertes Entgeltsystem für die stationäre Behandlung eingeführt. Seither werden immer wieder negative Auswirkungen einer stärker an Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkten orientierten Patientenversorgung diskutiert: Sind es die DRG, die Krankenhäuser dazu verleiten, möglichst die lukrativen Behandlungsfälle aufzunehmen? Sind es die DRG, die zu einer drastischen Verkürzung der Verweildauer führen, so dass Patienten nicht zu Ende behandelt und viel zu früh entlassen werden? Oder sind es die DRG, die genau deshalb für häufige Wiederaufnahmen zum gleichen Krankheitsbild verantwortlich sind?
>> Die Schlagworte dazu lauten „Rosinenpickerei“, „blutige Entlassung“ und „Drehtüreffekt“, und diese geistern immer wieder vorwurfsvoll und versehen mit dem Etikett der „Ökonomisierung der Patientenversorgung“ durch Fachöffentlichkeit und Medien (Flintrop 2007).
Mit der Einführung der DRG als Fallklassifikationssystem und durchgängiges, leistungsorientiertes, pauschaliertes Entgeltsystem war die politische Intention verbunden, eine Schlüsselvoraussetzung für höhere Versorgungseffizienz zu schaffen und den Paradigmenwechsel für eine neue medizinische und ökonomische Orientierung im Gesundheitswesen zu gestalten (Lohmann/Bornemeier 2002; Rau 2002; Rau et al. 2009, SVR 2007). Die konkreten Zielsetzungen der eingeleiteten Veränderungsprozesse waren somit
• Optimierung der internen Leistungs- und Kostenstrukturen
• Optimierung der Behandlungsprozesse
• Transparenz über Art und Menge der Leistungen.
Implizit war damit die Erwartung verbunden, dass Krankenhäuser diese Herausforderung nutzen, um professionelle, kosten- und qualitätsorientierte Leitungsstrukturen zu entwickeln (Clade 2003) und eine adäquate Verzahnung mit nachgelagerten Versorgungsangeboten zu realisieren.
Eine begleitende prospektiv angelegte Evaluation zur Wirksamkeit dieses makroökonomischen Steuerungsinstrumentes fand bisher nicht statt, die vorgesehene Begleitforschung ist erst Ende 2009 vergeben worden (Fürstenberg et al. 2009). Wenngleich es einzelne Studien zu Begleiteffekten der DRG-Einführung gab (Buhr/Klinke 2006;
Roeder/Rochell 2003; Manzeschke 2006; von Eiff et al. 2005; Vogd 2009; Braun et al. 2008; Galatsch et al. 2007), fehlte bislang eine systematische Analyse tatsächlicher oder vermeintlicher Nebenwirkungen: fundierte Zahlen – Daten – Fakten liegen nicht vor. So wird die derzeitige Situation quasi „gefühlt“ beurteilt, was dazu führt, dass bei zeitlich vielen anderen Faktoren alle als derzeit negativ empfundenen Veränderungen im Krankenhausbereich den DRG zugerechnet werden.
So war es die Qualitätsinitiative*, die 2007 ein Versorgungsforschungsprojekt zu den Auswirkungen der DRG-Einführung initiierte und finanzierte und das Zentrum für Qualität und Management im Gesundheitswesen (ZQ) als methodisch-konzeptionell verantwortliches Institut mit der Durchführung betraute.
Zielsetzung
Auslöser des Projektes war die Vermutung, dass die DRG in hohem Ausmaß unerwünschte Nebenwirkungen („Kollateralschäden“) zur Folge haben. Gleichzeitig stellte sich die Frage, ob nicht auch positive Nebenwirkungen („Kollateralnutzen“) belegt werden können.
Zielsetzung war somit eine umfassende und neutrale Analyse DRG-induzierter Auswirkungen auf das aktuelle Versorgungsgeschehen für
• die Organisation Krankenhaus
• die Patienten und ihre Angehörigen
• die in der Patientenversorgung unmittelbar tät. Berufsgruppen
• die Zuweiser und die nachgelagerten Versorgungsbereiche.
Studiendesign
Da DRG bereits seit 2004 eingeführt waren und gleichzeitig die DRG-Effekte aus dem multifaktoriellen Einflussspektrum isoliert werden sollten, wurde ein differenziertes Projektdesign mit einem pyramidenförmigen methodischen Ansatz entwickelt. Dieser ist konzeptionelles Grundgerüst wie auch Vorgehensmodell für die Projektdurchführung (Abb. 1).
Das Projekt wurde mit 30 repräsentativ ausgewählten Krankenhäusern aller Versorgungsstufen aus Niedersachsen unter Berücksichtigung der Trägerschaft (öffentlich, freigemeinnützig, privat) und der Versorgungsregion (Stadt, Land) durchgeführt (Judgement Sample, Pfaff et al. 2008) (Tab. 1). Um die qualitativen Aussagen der Befragten zu verifizieren, wurden Leistungskennzahlen herangezogen (Fallzahlen, Mitarbeiterzahlen, Verweildauer, Top 10-DRG, Casemix-Index, ambulante Operationen u.a.m.). Ergänzt wurden die Ergebnisse um eine repräsentative Zuweiserbefragung (Allgemeinmediziner, Internisten, Orthopäden) aus den Einzugsgebieten der Projektkrankenhäuser sowie Interviews mit Experten aus verschiedenen Bereichen des Gesundheitssystems
(„Systemsicht“).
Der methodische Ansatz des Projektes im Kontext der Versorgungsforschung (Pfaff 2003; Glaeske et al. 2008) ist dabei einzuordnen mit den Schwerpunkten auf Throughput- und Output-Forschung und der anwendungsorientierten Outcome-Forschung (Busse 2006; Hoffmann et al. 2004). Es handelt sich um eine Erhebungsstudie mit prolektivem Studien-
design, ergänzt durch retrolektive Sekundärdaten (Leistungskennzahlen aus den Krankenhäusern und Vergleichszahlen aus Niedersachsen). Das Ziel einer übertragbaren Aussage zu den Auswirkungen der DRG-Einführung wird durch die repräsentative Stichprobe von Krankenhäusern, die eingesetzten Instrumente (leitfadengestützte Interviews, Befragungen, Fokusgruppen, Workshops mit den beteiligten Krankenhäuser als dialogischer Ansatz, vgl. Kühl/Strodtholz 2002) sowie die Methodentriangulation (Flick 2008; Neugebauer et al. 2007) erreicht.
Ergebnisse
Die Qualität der unmittelbaren Patientenversorgung im Krankenhaus hat sich aufgrund der DRG-Einführung im Großen und Ganzen nicht verändert: 97 % der Krankenhausleitungen und 87 % der Medizincontroller/DRG-Beauftragten bewerten die Versorgungsqualität als gleich geblieben oder - aufgrund stringenter organisierter und bewusst gestalteter Patientenversorgung - sogar verbessert (Abb. 2).
Bei den Mitarbeitern auf chirurgischen und internistischen Stationen fällt das Urteil weniger positiv aus: Für etwas mehr als die Hälfte (55 %) ist die Qualität im Wesentlichen gleich geblieben, 40 % sehen eine Verschlechterung. Unterschiede zeigen sich zwischen Ärzten und Pflegekräften: 51 % der Ärzte sagen, die Qualität sei gleich geblieben oder habe sich sogar verbessert, während dies in der Pflege von 63 % angegeben wird. Deutlich mehr Ärzte (49 %) als Pflegekräfte (37 %) sehen also eine Verschlechterung. Andererseits beurteilen die Ärzte die aktuelle Versorgungsqualität der eigenen Fachabteilung weit überwiegend als gut bis hervorragend, während die Pflegekräfte hier zurückhaltender sind (Abb. 3). Unabhängig von Versorgungsstufen und Fachbereichen wird demnach die aktuelle Versorgungsqualität von den Pflegenden kritischer beurteilt als von den Ärzten (Abb. 3).
Die eingehende Diskussion dieses Befundes führte zu einem der überraschenden Ergebnisse der Studie: Die Pflegenden beurteilen die Qualität der Patientenversorgung tendenziell schlechter, weil sie eine höhere Erwartung an ihre eigene Leistung für die Patienten haben, und sich durch weniger zeitliche Zuwendung eher negativ einschätzen. Die Ärzte wiederum geben ihr Urteil vorwiegend unter dem Eindruck der kürzeren Verweildauer ab, die für sie selbst andere Anforderungen an die Entscheidungsprozesse und die Arbeitsorganisation auf den Zielzeitpunkt der Entlassung bedeutet. Indirekt erzeugen also traditionelles Berufsverständnis, kürzere Verweildauern und höhere Fallzahlen das Qualitätsurteil. Hier scheint sich in den letzten Jahren eine Diskrepanz zwischen professionellem Selbstverständnis, bisher etabliertem ärztlichen Organisationshabitus und erforderlichem prozessualen Denken und Handeln entwickelt zu haben - allenfalls getriggert, aber nicht ausgelöst durch DRG.
Ein sehr hoher Anteil der Patienten (83 %) ist mit der Qualität der Krankenhausversorgung insgesamt zufrieden, 53 % geben sogar mit 9 bzw. 10 Punkten die Höchstnoten. Diese sehr guten Bewertungen bestätigen zum einen das Phänomen einer häufig sehr hohen Patientenzufriedenheit, zum anderen mag mangelnde Motivation zu differenzierten Antworten eine Rolle gespielt haben. Häufig sind gerade ältere Patienten eher noch so eingestellt, Dinge auszuhalten und keine Kritik zu üben, also ein noch sehr traditionelles Patientenselbstverständnis.
Nur 44 % der Zuweiser bewerten die Versorgungsqualität in den Krankenhäusern ihrer Umgebung als gut bis hervorragend - von allen Befragungsergebnissen die niedrigste Einschätzung des Qualitätsniveaus. 15 % bewerten die Krankenhausqualität als schlecht, und mit 70 % nehmen die einweisenden Ärzte am deutlichsten eine Verschlechterung der Qualität seit der DRG-Einführung wahr. Auch hierfür - analog zu den Krankenhausärzten - geben die Einweiser aber am häufigsten die frühere Entlassung oder die Entlassung am Wochenende an (23 %), auf die weder die Patienten noch der ambulante Sektor vorbereitet sind. Vielfach kann also das Entlassungsmanagement noch nicht die kürzeren Verweildauern kompensieren, wie es durch optimale Überleitungsprozesse möglich wäre - auch dies kein unmittelbar DRG-attributabler Effekt.
In den Interviews mit 22 Experten aus Politik, Verbänden und Fachgesellschaften im Gesundheitswesen haben 16 übereinstimmend zum Ausdruck gebracht, dass die Qualität der Versorgung seit der DRG-Einführung im Wesentlichen gleich geblieben sei; drei sehen sogar eine Verbesserung. Lediglich drei Experten beobachten eine Verschlechterung der unmittelbaren Versorgungsqualität - wobei die Defizite, wie oben beschrieben, insbesondere der bislang nicht gelungenen Vernetzung zwischen stationärem und ambulantem Sektor geschuldet sind.
Für eine gezielte Selektion lukrativer Behandlungsfälle („Rosinenpickerei“) gibt es keine Belege. Die Krankenhausleitungen betonen übereinstimmend, dass sie einen Versorgungsauftrag zu erfüllen haben und Patienten nicht unbegründet abweisen. Die Leistungskennzahlen der Projektkrankenhäuser (Top 10- und teilweise Top 20-DRG von 2003 - 2007) bestätigen, dass mit Einführung der DRG Spezialisierungen und Schwerpunktbildungen erfolgten, aber keine Patientenauswahl. Sofern Patienten im Einzelfall nicht aufgenommen werden können, sind Bettenmangel oder personelle Engpässe die Gründe.
Das Phänomen einer systematischen „blutigen Entlassung“ kann nicht belegt werden. Sowohl in den Projektkrankenhäusern (im Mittel 8,2 Tage im Jahr 2000 > 7,4 Tage im Jahr 2007) als auch in Nieder-sachsen (9.9 > 7,8 Tage) zeigt sich ein kontinuierlicher Rückgang der stationären Verweildauer, also unabhängig von DRG. Gleichzeitig hat die Zahl der ambulanten Operationen in den Krankenhäusern erheblich zugenommen. Ärzte und Pflegende beurteilen den Zeitpunkt der Entlassung unterschiedlich: Ärzte eher zu kurz („Arztbrief noch nicht fertig“), Pflegende eher zu lang („Patient könnte eigentlich nach Hause gehen“). Die Patienten bewerten den Entlassungszeitpunkt als „genau richtig“ (82 %). DRG haben somit nicht zu systematisch verkürzten Krankenhausaufenthalten geführt.
Eine Zunahme ungeplanter Wiederaufnahmen („Drehtüreffekt“) im Zuge der DRG-Einführung ist nicht nachweisbar. Trotz kürzerer Verweildauern ist die Rate von Wiederaufnahmen zur gleichen Diagnose mit 1,2 % bis 1,6 % über die Jahre konstant. Dies entspricht der internationalen Literatur (Groene 2006; IQIP). „Echte“ Wiederaufnahmen aufgrund unerwarteter Komplikationen betragen < 1 %.
Die Krankenhäuser haben die essenziellen Voraussetzungen für die operative Umsetzung des DRG-Systems geschaffen; eine zukunftsfähige strategische Ausrichtung sowie eine durchgängige Prozessgestaltung ist nur zum Teil umgesetzt worden. Für die Hälfte der Krankenhäuser war die DRG-Einführung allein kein Anlass zur strategischen Neuausrichtung: insbesondere für Krankenhäuser der Maximalversorgung als große Unternehmen spielen andere Gründe als die DRG-Einführung die entscheidende Rolle, Strategien zu ändern und sich entsprechend den zu erwartenden Rahmenbedingungen zu positionieren. Demgegenüber hat die Hälfte der Schwerpunktkrankenhäuser die DRG-Einführung als Treiber für Strategieveränderung genutzt und sich auch ökonomisch erfolgreich behauptet. Eine durchgängige Gestaltung und Optimierung der Behandlungsabläufe ist bisher nur in der Hälfte der Krankenhäuser umgesetzt worden, immerhin haben aber 80 % das Entlassungsmanagement verbessert.
Die Arbeitsbedingungen haben sich im Zuge der DRG-Einführung verändert, wobei der Dokumentations- und Kodieraufwand überschätzt wird. Neue Teamstrukturen (15 %), veränderte Arbeitsinhalte (rund 30 %) und arbeitsteiliges Arbeiten (< 10 %) spielen weniger eine Rolle als Arbeitsverdichtung (35 %) und hoher Dokumentationsaufwand (gut 60 %). Wenngleich Letzterer praktisch von allen Berufen beklagt wird, belegen die Zahlen, dass mit 42 % der größte Anteil von Ärzten und Pflegenden nur bis zu 10 % der Arbeitszeit mit DRG-Dokumentation und Kodierung verbringt. Es wird auch zuwenig reflektiert, dass Dokumentation ein elementarer Teil der Berufsausübung am Patienten ist. Die Arztzahlen (Vollkräfte) haben seit der DRG-Einführung um 6 % zugenommen, in den chirurgischen und internistischen Fachabteilungen sogar um 15 %, in den Schwerpunktkrankenhäusern um 20 %. Demgegenüber wurde im Bereich der Pflege rund 10 % Personal abgebaut. Den neuen Anforderungen an die Arbeitsorganisation unter Effizienzgesichtspunkten (Verweildauer-
verkürzung und Fallzahlsteigerung) ist - siehe oben - nicht überall durch konsequent umgesetzte Prozessorientierung begegnet worden. Erstmals kann nun mit Zahlen belegt werden, dass dies der richtige Weg ist: Am Beispiel „Erreichbarkeit für die Patienten“ zeigen die Krankenhäuser mit Prozessorientierung deutlich bessere Ergebnisse (Abb. 4).
Die mittleren und großen Krankenhäuser sind auch unter DRG-Bedingungen überwiegend ökonomisch erfolgreich, weil sie die Möglichkeiten zur strategischen Neuausrichtung nutzen können, während dies für die kleineren Krankenhäuser deutlich schwieriger ist. 16 der 30 Krankenhäuser gaben eine kostendeckende bzw. zufriedenstellende Erlössituation an, und 12 zudem einen positiven Trend (Tab. 2). Bei konsequenter strategischer Entwicklung sind also durchaus ökonomische Erfolge zu verzeichnen, dies ist aber für die kleineren Krankenhäuser wegen geringer Fallzahlen und der eingeschränkten Möglichkeit zur Spezialisierung deutlich schwieriger. Auch die einweisenden Ärzte registrieren finanzielle Auswirkungen seit der DRG-Einführung: knapp die Hälfte gibt höhere Ausgaben für poststationäre Behandlung (Verbandwechsel, Hausbesuche, Medikation, Therapie u.a.m.) an. Auch hier ist die kontinuierliche Verweildauerverkürzung Auslöser dieser Verschiebung in den ambulanten Sektor, nicht jedoch die DRG-Einführung an sich.
Fazit und Diskussion
Im Fokus der Studie stand die Fragestellung, ob und wie sich das 2004 eingeführte DRG-System auf die Patientenversorgung, auf die Mitarbeiter im Krankenhaus, aber auch auf die Organisationen selbst und das Versorgungsumfeld, also das komplette Szenario in und um die stationäre Behandlung ausgewirkt hat. Die Ausgangslage des Projektes 2007 war eine Gemengelage aus teils subjektiven, teils berufsständisch gefärbten oder bewusst überzeichneten negativen Meinungen. Einzelne, bis dahin veröffentlichte Studien hatten jeweils nur Einzelaspekte berücksichtigt oder unterlagen hinsichtlich ihrer Aussagekraft den Einschränkungen sehr kleiner Kollektive. Insbesondere wurden die sektorübergreifenden Auswirkungen der DRG-Einführung methodisch nicht berücksichtigt, und positive Effekte für Patienten oder Organisationen wurden, obwohl sie in Ansätzen ableitbar waren, zu zaghaft formuliert. Zudem zeigt die Wahl der Zielparameter in bisherigen Studien das noch sehr traditionelle Verständnis von „Krankenversorgung“, welches die zu diesem Zeitpunkt formulierte Rolle eines aufgeklärten mitentscheidungsfähigen Patienten und dessen Schlüsselkompetenz für Qualitätsfragen nicht reflektiert (SVR 2000/2001).
Der hier entwickelte methodische Ansatz, der bewusst DRG-attributable Effekte und deren Abgrenzbarkeit je nach Befragungskollektiv in den Fokus stellt oder dies gerade vermeidet, kombiniert mit dem systematischen Abgleich mit Leistungskennzahlen der Krankenhäuser und weiteren Kenngrößen sowie dem gezielten Einsatz von Fokusgruppen (Methodentriangulation), hat sich bewährt und durch die bewusste Ergebnis-offenheit teils überraschende Ergebnisse zutage gefördert.
Aus den umfangreichen Analysen auf der Basis der 30 repräsentativ ausgewählten Krankenhäuser kann folgendes Fazit gezogen werden:
Die politische Zielsetzung, mit dem Instrument eines pauschalierten Entgeltsystems für die stationäre Versorgung eine nachhaltige Veränderungsdynamik, eine weitreichende Strukturveränderung der Krankenhauslandschaft anzustoßen (Wirtschaftlichkeit - Transparenz - Qualität), ist (bislang) nur in Ansätzen erreicht worden - die Veränderungsresistenz in Deutschland ist beachtenswert, die Ablösung von alten Konzepten fällt schwer.
Auf die Herausforderung der Effizienz- und Qualitätssteigerung ist in den Krankenhäusern nicht im erforderlichen Umfang und mit der erforderlichen Konsequenz mit durchgängiger Prozessgestaltung reagiert worden - das Potenzial der zielgerichteten Prozessorientierung mit Vorteilen für die Organisationen, Professionals, Patienten und Qualität wurde (noch) nicht ausgeschöpft.
Wenn ein DRG-attributabler „Kollateralschaden“ zu konstatieren ist, dann an der Schnittstelle zwischen stationärer und ambulanter Versorgung: bei Einführung der DRG ist versäumt worden, Zuständigkeiten und Finanzierungsmodalitäten für eine durchgängige, sektorübergreifende Patientenversorgung festzulegen; die ohnehin vorhandene Problematik sektoral getrennter Versorgungsbereiche hat sich durch die Verweildauerverkürzung noch verstärkt.
Ein großer Teil der echten und der empfundenen Probleme im Zusammenhang mit der DRG-Einführung wird bei den Professionals durch ein nicht den aktuellen Anforderungen entsprechendes, traditionelles Berufsbild hervorgerufen; weder sind sie auf neue Rollen, Versorgungserfordernisse und teamorientierte Zusammenarbeit vorbereitet, noch werden sie adäquat unterstützt. Dies gilt sowohl im ambulanten wie im stationären Sektor.
Die Patienten sind (wie es im Wort selbst impliziert wird) immer noch geduldig: Sie sind mit der Behandlungsleistung und den Ergebnissen im Großen und Ganzen zufrieden; hier bleibt abzuwarten, inwieweit dieses traditionelle Patientenverständnis, noch wenig fordernd, informiert und mitentscheidungsfähig, die traditionell gestalteten Versorgungsabläufe und die noch nicht optimalen Überleitungsprozesse toleriert.
Die Ergebnisse zur Versorgungsqualität, die überwiegend als im Wesentlichen gleichgeblieben beurteilt wird, reihen sich nahtlos in bisher gezogene Zwischenbilanzen aus politischer und verbandspolitischer Sicht ein und decken sich mit internationalen Erfahrungen (Rau et al. 2009; Knüppel 2003; Lüngen/Rath 2009 ). Die Krankenhäuser erfüllen nach wie vor ihren Versorgungsauftrag, d.h. eine systematische Nicht-Aufnahme oder eine medizinisch nicht vertretbare zu frühe Entlassung von Patienten aus ökonomischen Gründen entspricht nicht der Versorgungsrealität, ebenso wenig die vorsätzliche Diagnosen-Generierung („upcoding“) (Pick/Busley 2009). Im Alltagserleben der Leistungserbringer werden veränderte Rahmenbedingungen, wie die sich über Jahre linear verkürzende Verweildauer oder die Dokumentationsaufgaben zu Unrecht den DRG zugeschrieben, oder eine Einzelbeobachtung dominiert das Gesamturteil.
Überraschend ist, wie wenig die Ärztinnen und Ärzte auf den chirurgischen und inneren Stationen in ihrem professionellen Selbstverständnis und ihrer Arbeitsorganisation auf die aktuellen Herausforderungen einer qualitätvollen, sicheren und effizienten Patientenversorgung vorbereitet sind (Janus/Amelung 2006; Vogd 2006, 2009). Ein weiterer unerwarteter Befund ist die Tatsache, dass bislang in nur wenigen Krankenhäusern eine konsequente, durchgängige Prozessgestaltung der wesentlichen Kernleistungen erfolgt ist. Mit diesen Instrumenten könnte noch Potenzial für mehr Mitarbeiterzufriedenheit, mehr Patientenzufriedenheit und zielgerichteten Ressourceneinsatz ausgeschöpft werden (Custers et al. 2004; Eckardt/Sens 2006).
Aus diesem Fazit zu DRG-induzierten Veränderungen und ihren Auswirkungen auf Organisationen, Professionals, Patienten und Qualität ergibt sich somit folgender Handlungsbedarf:
Krankenhäuser müssen ihre Strategie stärker an den prioritären Zielen einer effizienten und qualitätsorientierten Patientenversorgung ausrichten. Qualität als künftig wichtiges Alleinstellungsmerkmal und Transparenz über das Leistungsgeschehen werden dies erfordern. Prozessorientierung muss - soweit noch nicht umfassend geschehen - intern und für die externen Kooperationspartner sektorübergreifend aktiv vorangetrieben werden.
Auf der Ebene der berufsständischen Organisationen muss daraufhin gearbeitet werden, dass das professionelle Selbstverständnis von Ärzten, Pflegenden und weiteren Gesundheitsberufen nicht so sehr von einem allumfassenden Qualitätsanspruch geprägt wird, sondern Qualität und Wirtschaftlichkeit als einander bedingende Komponenten der Patientenversorgung verstanden werden. Dementsprechend müssen Ausbildungsgänge und deren Inhalte diesen aktuellen Anforderungen entsprechend gestaltet werden.
Die gesundheitspolitische Ebene muss bei der Weiterentwicklung des Gesundheitssystems - analog zu den Eckpfeilern Wirtschaftlichkeit, Transparenz und Qualität – den mit der DRG-Einführung verfolgten Weg konsequent weiter verfolgen. Dazu müssen die aus der sektoralen Trennung resultierenden Probleme gelöst werden und qualitätsorientierte Finanzströme so gelenkt werden, dass eine qualitativ hochwertige und patientenzentrierte Versorgung die Zukunft bestimmt. <<