Mit Dr. rer. pol. Klaus Theo Schröder (59) wurde schon kurz nach Ernennung von Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt ein beamteter Staatssekretär berufen, der als intimer Kenner des Gesundheitswesens gilt. Der im rheinischen Moers geborene Ökonom arbeitete zuvor an der Gesamthochschule Duisburg, der Wirtschaftsuniversität Wien und an der Universität Trier, ehe er Mitte der 80er Jahre ins damalige Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen berufen wurde, um ab Dezember 1994 das Amt des Staatssekretärs im Thüringer Ministerium für Soziales und Gesundheit zu übernehmen. Sein danach folgendes Amt als Staatssekretär der Senatsverwaltung für Arbeit, Soziales und Frauen in Berlin verließ er – damals sichtlich genervt von politischen Fallstricken – und ging auf die andere Schreibtischseite und zwar in die Konzernleitung der Rhön-Klinikum AG. Damit kennt Schröder das Gestalten der Partner im Gesundheitswesen aus diversen Blickwinkeln, was ihn als Verhandlungspartner auszeichnet. Immer hat er dabei eines im Blick: profunde wissenschaftliche Grundlagen für politische Entscheidungen – namentlich der Versorgungsforschung, die auch in Deutschland langsam den Kinderschuhen entwächst.
>> Herr Staatssekretär Schröder, was ist zu tun, um der Versorgungsforschung mehr Gewicht im Fachbereich sowie vielleicht sogar im medialen und damit öffentlichen Raum zu verschaffen?
Die Versorgungsforschung hat in den letzten Jahren bereits entscheidende Fortschritte erzielt. Im Rahmen seiner Möglichkeiten hat das Bundesgesundheitsministerium seit vielen Jahren Maßnahmen der Versorgungsforschung unterstützt.
Sie sprechen das Modellprogramm zur Förderung der Qualitätssicherung in der medizinischen Versorgung an.
Mit diesem Programm sind Maßnahmen der Versorgungsforschung über rund 16 Jahre mit jährlich circa 3 Millionen Euro gefördert worden, die der Weiterentwicklung der Qualität des Gesundheitswesens dienen. Eine Vielzahl der hier erfolgreich geförderten Projekte konnte in die Routineversorgung überführt werden. Darüber hinaus möchte ich aber auch beispielhaft das Leuchtturm-Projekt Demenz nennen, das mit 4,5 Millionen Euro in 2008 und 8,5 Millionen Euro in 2009 gefördert wird. Gegenstand dieser Förderung ist es, Erkenntnisse über die Versorgung demenziell Erkrankter zu vertiefen und die Situation der Betroffenen auf ambulanter und stationärer Ebene zu verbessern.
Daneben muss aber bei der Frage, wie wird der Versorgungsforschung mehr Gewicht beigemessen, auch das gemeinsam von Bundesforschungs- und Bundesgesundheitsministerium getragene Programm „Gesundheitsforschung: Forschung für den Menschen“ erwähnt werden. Versorgungsforschung ist durch das Regierungsprogramm zu einem festen Bestandteil der patientenorientierten Forschung geworden. Medizinisch gesprochen: Diese Maßnahmen wirken doppelt. Sie steigern die Bedeutung der Versorgungsforschung und ermöglichen zugleich deren methodische und inhaltliche Weiterentwicklung.
Dennoch findet sich im aktuellen GKV-WSG kein Wort zum Thema Versorgungsforschung oder gar deren Förderung, auch hier fehlt ihr das, was sie braucht: eine positive Grundstimmung.
Noch zu oft fehlt der Versorgungsforschung die Anerkennung in Wissenschaft und Praxis. Versorgungsforschung muss auch innerhalb der medizinischen und biomedizinischen Wissenschaften als wichtige Forschungsrichtung – also mit eigenen Fragestellungen und eigenen methodischen Herangehensweisen – anerkannt werden. Zugleich ist sie gefordert, die Ergebnisse so aufzubereiten, dass sie von Anwendern im Gesundheitswesen beachtet und genutzt werden können. Auf diese Weise lässt sich auch vermehrt öffentliche Anerkennung gewinnen. Dazu ist auch ein verstärkter Dialog zwischen Versorgungsforschern und Anwendern notwendig.
Welche Faktoren müssen Ihrer Ansicht nach Richtungen und Schwerpunkte der Versorgungsforschung bestimmen?
Versorgungsforschung muss sich an den zukünftigen Herausforderungen im Gesundheitssystem orientieren: demographischer Wandel, Zunahme der chronischen Krankheiten, hohe Komplexität im Versorgungswesen, Überwindung von Schnittstellen zwischen den Versorgungsbereichen und effektive Zusammenarbeit unterschiedlicher Professionen. Die Versorgungsforschung steht vor der Aufgabe, hohe wissenschaftliche Standards mit Praxisnähe zu vereinen. Um die Methodik zu verbessern, wird eine engere Verzahnung mit der klinischen Forschung hilfreich sein. Wir brauchen aber eine Versorgungsforschung, die auch wissenschaftsgetriebene Fragestellungen beantwortet.
Welche Prämissen legen Sie an diesen interdisziplinären Ansatz an?
Versorgungsforschung sollte immer unterschiedliche Perspektiven einnehmen: die der unterschiedlichen Gesundheitsprofessionen, der Sozialversicherungen oder der Patientinnen und Patienten. Gut und wirksam wird sie außerdem nur dann sein, wenn sie von Beginn an bedenkt, wie ihre Ergebnisse in den Versorgungsalltag umgesetzt werden können - und sie das Gesundheitssystem wie auch die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen im Blick hat.
Gibt es aus Sicht des Gesundheitsministeriums einen strategisch konzeptionellen Ansatz von Versorgungsforschung und der Förderung von Versorgungsforschung in Deutschland?
Aus Sicht der Bundesregierung ist die Versorgungsforschung ein fester und unumstrittener Bestandteil der Gesundheitsforschung. Daher soll dieser Bereich bei der anstehenden Aktualisierung des gemeinsam von Bundesforschungs- und Bundesgesundheitsministerium getragenen Programms „Gesundheitsforschung: Forschung für den Menschen“ weiter gestärkt werden. Seit 1998 hat die Bundesregierung die Versorgungsforschung strategisch auf- und ausgebaut. So wurde gemeinsam mit der Deutschen Rentenversicherung Bund zunächst die Rehabilitationsforschung, später auch die Versorgungsforschung mit den Spitzenverbänden der gesetzlichen Krankenkassen vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert. Auch das Bundesgesundheitsministerium ist an diesem Forschungsschwerpunkt beteiligt. Seit 2007 haben diese Akteure gemeinsam mit dem Verband der privaten Krankenversicherung e.V. neue Akzente gesetzt: „Chronische Krankheiten und Patientenorientierung“ heißt der Schwerpunkt der aktuellen Fördermaßnahmen. Erstmalig wird hier Versorgungsforschung über die traditionellen Sektorengrenzen zwischen Rentenversicherung und Krankenversicherung hinweg ermöglicht.
Wie beurteilen Sie den Einsatz anderer Akteure in der Versorgungsforschung?
Die Bundesregierung bemüht sich über eigene Aktivitäten hinaus, unterschiedliche Akteure für diesen Forschungszweig zu gewinnen. Daher sind auch andere Initiativen zur Versorgungsforschung, wie zum Beispiel die der Bundesärztekammer, zu begrüßen. Es ist wünschenswert, dass auch weitere Akteure des Gesundheitswesens die Bedeutung der Versorgungsforschung erkennen und vor allem deren wissenschaftlich-methodische Weiterentwicklung stärker berücksichtigen.
Versorgungsforschung muss unabhängig sein, damit sie objektive Datenströme erzeugen kann, die ja auch Grundlage von politischen Entscheidungen sind oder sein sollten. Ist sie das? Sehen Sie Wege, wie man Interessenkonflikte bei der Erarbeitung von Forschungsergebnissen und deren Veröffentlichung und Rezeption lösen kann?
Einerseits ist eine Versorgungsforschung, die unabhängig von Interessen im Gesundheitswesen betrieben wird, unerlässlich. Andererseits wird Versorgungsforschung auch immer die Fragen spezifischer Akteure im Gesundheitswesen beantworten müssen und dafür bewusst und reflektiert deren Sichtweisen berücksichtigen.
Was kann die Regierung für eine Unabhängigkeit dieser Forschungsrichtung tun?
Im Rahmen der Fördermaßnahmen des Bundesministeriums für Gesundheit wird bereits bei der Auswahl von Projekten immer streng auf möglichst unabhängige und transparente Entscheidungen beispielsweise durch Gutachtenkommissionen oder die Beteiligung externer Gutachter geachtet. Auch bei der Förderung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung, die gemeinsam mit der Deutschen Rentenversicherung, den Spitzenverbänden der gesetzlichen Krankenkassen und dem Verband der privaten Krankenversicherung e.V. durchgeführt wird, zeigt sich, wie unabhängige Forschung die Anliegen der Akteure im Gesundheitswesen bearbeiten kann. Die Förderer geben die Themenkomplexe gemeinsam vor, das Verfahren ist durch Kooperation und hohe Transparenz gekennzeichnet. Die Forschungsanträge werden von unabhängigen Experten bewertet und ausgewählt. Die Rechte und Pflichten zur Veröffentlichung der Ergebnisse obliegen dann den Wissenschaftlern, ohne dass die Förderer weiteren Einfluss nehmen. Das hindert die Förderer – und übrigens auch die Bundesministerien – nicht daran, aus den Ergebnissen der Wissenschaftler eigene Schlüsse zu ziehen.
Sie sehen da keinen immanenten Widerspruch?
Problematisch ist nicht, dass unterschiedliche Akteure sich in der Versorgungsforschung engagieren. Ihre Verfahren der Forschungsförderung müssen transparent sein und sich an den anerkannten Standards guter wissenschaftlicher Praxis orientieren. Darüber hinaus wird jedoch immer ein bewusster kritischer Umgang mit den Interessen der unterschiedlichen Akteure in der Versorgungsforschung notwendig sein.
Was kann getan werden, um mehr Transparenz zu schaffen? Wer hat denn einen Überblick über das, was an Versorgungsforschungs-Studien auf dem Markt oder in der Pipeline ist? Oder dass unliebsame Erkenntnisse sittsam verschwiegen werden?
Hierzu gibt es eine Initiative für mehr Transparenz und eine größere Unabhängigkeit von Partikularinteressen: Das Bundesministerium für Bildung und Forschung unterstützt den Aufbau eines Nationalen Studienregisters an der Universität Freiburg. Dort können künftig auch interventionelle Studien aus der Versorgungsforschung registriert werden. Der freie Zugang zu Informationen über Studien ist für Entscheidungen von Wissenschaftlern, Ärzten und auch von Patienten von großer Bedeutung. Sie können sich über aktuell laufende und abgeschlossene Studien zu einem bestimmten Krankheitsbild informieren und so mehr über die Wirksamkeit von Therapieverfahren erfahren. Die öffentlich zugängliche Registrierung klinischer Studien verhindert, dass negative Studienergebnisse unterdrückt werden. Dadurch werden Fehleinschätzungen über die Wirkungsweise von Arzneimitteln und anderen Therapien verhindert. Und: Unnötige Wiederholungsstudien unterbleiben.
Vor allem die Realitäten in der Gesundheitsversorgung werden von der Gesundheitspolitik determiniert. Das betrifft sowohl die beim Patienten direkt spürbaren Auswirkungen durch OTC-Erstattungsausschluss, Praxisgebühr oder auch Rabattverträge mit Generika- und Originalherstellern. Dies betrifft aber auch die eher indirekten Auswirkungen von gesundheitspolitischen Konzepten wie IV, DMP, DRG oder von Hausarztmodellen. Oder auch für den Patienten absolut unsichtbare Wirkungen der Bonus-Malus-Regelung der Arzthonorierung. Wie sieht es mit der wissenschaftlichen Evaluation der tatsächlichen Wirkungen, Auswirkungen und möglichen Wechselwirkungen auf In- und Outcomes aus?
Eines der gesetzlich festgelegten Kernelemente z. B. der DMPs ist die Evaluation der Programme, d. h. ihrer medizinischen und ökonomischen Inhalte sowie der Veränderungen der subjektiven Lebensqualität der Patientinnen und Patienten. Die Evaluation ist allerdings nicht als Instrument einer Versorgungsforschung konzipiert, sondern primär darauf ausgerichtet, die Programme verschiedener Krankenkassen diagnosebezogen miteinander zu vergleichen, da auf deren Grundlage die Verlängerung der Zulassung eines Programms erfolgt. Erste Ergebnisse der Evaluation der Programme für Typ-2-Diabetiker geben Hinweise darauf, dass sich die Versorgung der chronisch kranken Patientinnen und Patienten durch die DMPs verbessert hat. Aufbauend auf den Ergebnissen dieser ersten, derzeit noch laufenden Evaluationen werden sich dann Aussagen über die tatsächlichen Auswirkungen dieses Versorgungsmodells treffen lassen.
Und bei DRGs oder IV-Verträgen?
Um die Auswirkungen des DRG-Fallpauschalensystems u. a. auf die Qualität der Versorgung und die Veränderung der Versorgungsstrukturen zu untersuchen, hat der Gesetzgeber die mit der DRG-Einführung beauftragten Selbstverwaltungspartner (DKG, GKV und PKV) zur Durchführung einer Begleitforschung verpflichtet. Die Selbstverwaltungspartner haben dazu Forschungsaufträge auszuschreiben. Das BMG hat stets auf eine zeitnahe Durchführung der Begleitforschung gedrängt und wird die Selbstverwaltungspartner notfalls aufsichtsrechtlich dazu anhalten. Der Gesetzgeber hat dagegen sowohl bei der Integrierten Versorgung als auch bei der hausarztzentrierten Versorgung auf die Vorgabe wissenschaftlicher Begleitforschung bewusst verzichtet, da es sich hierbei nicht um Modellvorhaben handelt, sondern um eine Versorgungsform mit hohen Freiheits- und Flexibilitätsgraden zur Verbesserung der Versorgungsqualität und zum Erschließen von Wirtschaftlichkeitsreserven.
Die anstehende Einführung der Telematik wird unser Gesundheitswesen sicher nachhaltiger und struktureller als alle bisherigen Reformen verändern. Glaubt man einer Studie von Booz Allen Hamilton, sind die Nettonutzen im 5- und auch 10-Jahreszeitraum jedoch eher gering, die Ausgaben dafür vor allem auf Arzt- und Patientenseite umso höher. Ist denn die Kosten-Nutzen-Relation der Telematik für eine Verbesserung der Gesundheitsversorgung in irgendeiner Form belegbar?
In der Tat wird die Einführung der Telematik das Gesundheitswesen verändern, es noch effizienter und die Kommunikation noch sicherer machen. Unbestritten ist, dass die Telematik sowohl für Patientinnen und Patienten als auch für Ärztinnen und Ärzte und andere Heilberufsangehörige erhebliche Vorteile bietet. Behandelnden Ärzten werden zukünftig über die Telematik-Infrastruktur zusätzliche, unter Umständen lebensrettende Informationen zur Verfügung stehen. Die Arzneimitteldokumentation wird Transparenz über die von verschiedenen Ärzten verordneten Arzneimittel schaffen, etwaige Wechselwirkungen, Arzneimittelunverträglichkeiten oder die Verordnung ungeeigneter Arzneimittel aufdecken. Damit werden nicht notwendige Folgekosten oder gar Todesfälle vermieden oder zumindest reduziert. Mittels Telematik können Ärztinnen und Ärzte zukünftig einen schnelleren Überblick über den Gesundheitsstatus der Patientinnen und Patienten gewinnen. Dies gilt besonders in Notfallsituationen, aber auch in laufenden Behandlungsprozessen. Mit diesen Informationen werden nicht notwendige Arbeitsprozesse in den Praxen und Krankenhäusern vermieden, die Behandlung kann schneller und zielgerichteter aufgenommen werden. Für Apotheker wird die Übertragung von Verordnungsdaten durch Vermeidung des Medienbruchs vereinfacht und Abrechnungsprozesse erleichtert.
Allein das Lichtbild auf der elektronischen Gesundheitskarte und auch die Aktualisierung der administrativen Daten des Versicherten wird zudem dazu führen, dass die unberechtigte Inanspruchnahme medizinischer Leistungen besser als bisher verhindert werden kann.
Alleine: Die Rechnung zahlen wohl Leistungserbringer wie der Arzt oder der Apotheker sowie natürlich der Patient durch eine Erhöhung seiner Beiträge, die ungefähr einen halben Beitragssatzpunkt ausmachen soll und sicher auch wird.
Was das Gutachten von Booz Allen Hamilton betrifft, lassen Sie mich Folgendes festhalten: Das Gutachten sollte für Tarifverhandlungen zwischen den Organisationen der Leistungserbringer und der Krankenkassen als Grundlage der Ermittlung von Honorarzuschlägen eingesetzt werden. Im Gutachten wurde das Ziel verfolgt, die der jeweiligen Seite entstehenden Kosten mit dem der jeweiligen Seite zufließenden Nutzen zu verrechnen und auf dieser Basis die zu verhandelnden Telematikaufschläge zu ermitteln. Daher war es nicht überraschend, dass von den Beteiligten jeweils hohe Aufwände und ein niedriger Nutzen dargestellt wurden. Die Ergebnisse des Gutachtens von Booz Allen Hamilton wurden von den Organisationen der Selbstverwaltung im Übrigen nicht abgenommen. Tatsächlich bildet der von den Spitzenorganisationen im Jahr 2004 vorgelegte Planungsauftrag, der im Auftrag der Organisationen der Selbstverwaltung von den Firmen IBM Business Consulting Services und Orga Kartensysteme GmbH durchgeführt wurde, die von den Organisationen der Selbstverwaltung abgenommene Planungsgrundlage.
Wobei auch hier ein Milliardenbeitrag zur Finanzierung des Systems angesetzt wird.
In dem Planungsauftrag der Selbstverwaltungsorganisationen werden die Kosten für den Aufbau der Telematikinfrastruktur auf bis zu 1,4 Milliarden Euro sowie die jährlichen Betriebskosten zwischen 120 bis 147,9 Millionen Euro beziffert. Diesen Kosten wird ein jährliches Nutzenpotenzial von circa 520 Millionen Euro gegenübergestellt. Dieses Ergebnis bedeutet zunächst, dass sich die Aufwände für den Aufbau der Telematik innerhalb eines Zeitraums amortisieren werden, der deutlich geringer ist, als im Gutachten von Booz Allen Hamilton postuliert wurde. Es bedeutet aber auch, dass es – jenseits von Tarifverhandlungen – eine breite Mehrheit gibt, die die eingangs beschriebenen Vorteile, die Telematik im Gesundheitswesen allen Beteiligten bieten wird, anerkennen. Jetzt gilt es, diese Potenziale durch praktisches Handeln zu erschließen.
Das führt zur nächsten Frage: Wie wird sich denn der Gesundheitsfonds auswirken? Welche validierten Erkenntnisse gibt es denn hier?
Der Gesundheitsfonds bringt für die Organisation des Gesundheitssystems fundamentale Vereinfachungen. Er wird die Finanzierung in der gesetzlichen Krankenversicherung transparenter machen und ist zudem ein umfassender und nachhaltiger Beitrag zum Bürokratieabbau. Der Beitragssatz wird künftig bundeseinheitlich festgelegt. Der Gesundheitsfonds bündelt die Beiträge der Arbeitgeber, der anderen Sozialversicherungsträger und der Mitglieder der Krankenkassen sowie den steuerfinanzierten Bundeszuschuss. Aus dem Fonds erhalten die Krankenkassen Zuweisungen zur Deckung ihrer Ausgaben. Es handelt sich hierbei um eine Grundpauschale sowie alters- und risikoadjustierte Zuschläge zum Ausgleich der unterschiedlichen Risikostrukturen.
Und wenn Krankenkassen – wovon teilweise wohl auszugehen sein wird – damit nicht auskommen sollten?
Soweit Krankenkassen mit diesen Zuweisungen finanziell nicht auskommen, müssen sie einen prozentualen oder pauschalen Zusatzbeitrag erheben. Gut wirtschaftende Krankenkassen werden ihren Versicherten überschüssige Mittel auszahlen können. Damit können Versicherte auf einen Blick erkennen, wie gut ihre Krankenkasse arbeitet. Dies schafft mehr Transparenz, mehr Effizienz und Wirtschaftlichkeit und mehr Wettbewerb im Gesundheitswesen. Ab 2011 können Arbeitgeber zudem eine einzige Einzugsstelle für den Gesamtsozialversicherungsbeitrag wählen. Das vereinfacht das Verfahren für die Arbeitgeber erheblich und trägt so zum Bürokratieabbau bei.
Die Krankenkassen erhöhen zurzeit ihre Beiträge. Das liegt ja wohl noch nicht am Gesundheitsfonds ab 2009 und hat auch nichts zu tun mit der Eintreibung der Kosten für die Einführung der Telematik. Was sind die wahren Ursachen?
In den letzten Wochen haben zwar einige Krankenkassen ihre Beiträge erhöht. Bei sämtlichen AOKen und fast allen Ersatzkassen sind sie jedoch stabil geblieben. Insgesamt waren lediglich rund 16 v.H. aller GKV-Versicherten von Beitragserhöhungen betroffen. In einigen Fällen gab es auch Beitragssatzsenkungen. Die Ursachen hierfür sind in der Regel kassenindividuell. Mit der Einführung des Gesundheitsfonds zum 1. Januar 2009 haben die aktuellen Beitragssatzveränderungen ebenso wenig zu tun wie mit der Einführung der Gesundheitskarte.
Ein großes Thema der Versorgungsforschung ist der Transfer von Innovationen von der medizinischen Forschung zum Patienten in dessen Alltag. Das Forschungsministerium will gerade durch einen Wettbewerb „Gesundheitsregionen der Zukunft“ die Kräfte der Gesundheitswirtschaft bündeln und die verschiedenen Akteure dazu veranlassen, regional zusammenzuarbeiten. Welche Maßnahmen trifft nun das Bundesgesundheitsministerium, um solche Prozesse und deren Evaluation zu fördern?
Der vom Bundesministerium für Bildung und Forschung initiierte Wettbewerb der Gesundheitsregionen setzt sich aus einer einjährigen Konzeptentwicklungsphase und einer anschließenden vierjährigen Realisierungsphase zusammen. Insofern sollten wir erst einmal abwarten, welche Forschungsthemen aufgrund der Ausschreibung von den Gutachtern identifiziert werden. Nur dann lässt sich Ihre Frage beantworten, welche Maßnahmen das BMG ergreift, um diese Konzepte zu unterstützen. Im Übrigen benennt der Ausschreibungstext in Abstimmung mit dem BMG als denkbare Forschungs- und Entwicklungsfelder unter anderem in den Bereichen sektorübergreifende Versorgung, Prävention, Gesundheitsförderung und Rehabilitation die Entwicklung und Erprobung neuer Geschäftsmodelle für integrierte Angebote einschließlich Finanzierungsmodell.
Herr Staatssekretär, vielen Dank für das Gespräch. <<