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Einfluss sozioökonomischer Faktoren auf Insulinverordnung und Dauer der Pen-Schulung

Nach den aktuellsten Zahlen der Internationalen Diabetes Föderation (IDF) ist Deutschland das Land mit der höchsten Diabetes-Prävalenz in Europa. Betroffen sind 12% der 20- bis 79-jährigen, insgesamt etwa 7.5 Millionen Menschen. In Deutschland sind ca. 90% Typ-2-Diabetiker, während etwa 5-10% Typ-1-Diabetiker sind. Versorgt werden die Patienten von bundesweit 50.000 bis 60.000 Hausärzten (ca. ein Arzt pro 1.500 Einwohner), ca. 1.100 Schwerpunktpraxen mit Diabetologen und ca. 350 speziellen Kliniken. Ziel der Behandlung von Patienten mit Diabetes ist es, Komplikationen wie z.B. Makroangiopathie (koronare Herzkrankheit, Schlaganfall, arterielle Verschlusskrankheit), Mikroangiopathie (Augen- und Nierenschäden), Neuropathie oder diabetisches Fußsyndrom zu verhindern und die Lebensqualität der Betroffenen zu erhalten. Für eine erfolgreiche Diabetes-Behandlung sind neben Lebensstilanpassung oder medikamentösen Maßnahmen strukturierte Patientenschulungen unerlässlich. Obwohl bei der Patientenschulung trotz Disease Management Programmen (DMP) zum Teil noch gravierende Defizite bestehen, kann die Patientenschulung in Deutschland im internationalen Vergleich einen hohen Standard aufweisen.

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Erstveröffentlichungsdatum: 23.09.2012

Abstrakt: Einfluss sozioökonomischer Faktoren auf Insulinverordnung und Dauer der Pen-Schulung

Für eine erfolgreiche therapeutische Versorgung von Menschen mit Diabetes ist insbesondere bei einer Neueinstellung auf Insulin das Erlernen der korrekten Handhabung der Insulin-Applikationshilfe (Insulin-Pen) wichtig. Vor diesem Hintergrund wurden im Rahmen einer prospektiven, explorativen, multizentrischen, nicht-interventionellen Studie demographische Daten und Einzelheiten zur sozioökonomischen und gesundheitlichen Situation von 2.857 Diabetikern erhoben und hinsichtlich der verordneten Insulintherapie, der Dauer der Pen-Schulung und der Akzeptanz eines Insulin-Pens ausgewertet. Die Patienten waren im Mittel 59.7 Jahre alt und zu 86.1% Typ-2-Diabetiker. Die erhobenen Daten spiegeln eine allgemein gute Versorgungsqualität wider, weisen aber auch auf Unterschiede bei der Versorgung, insbesondere in Abhängigkeit von Alter und Bildungsstand, hin.

Abstract: Impact of socioeconomic factors on insulin prescription and pen training duration

Training on correct handling of the application device (insulin pen) is of particular importance for successful therapeutic management of diabetic patients during insulinization. Against this background, demographic data and details regarding socioeconomic and health status of 2.857 diabetes patients were collected during a prospective, exploratory, multicenter, non-interventional study and analyzed with regard to insulin prescription, pen training duration and insulin pen acceptance. Mean patient age was 59.7 years and 86.1% of patients were diagnosed with type 2 diabetes. The data collection reflects a generally good standard of medical care, but also indicates differences in medical care, especially dependent on age and standard of education.

Literatur

Alberti, K.G. and P.Z. Zimmet, Definition, diagnosis and classification of diabetes mellitus and its complications. Part 1: diagnosis and classification of diabetes mellitus provisional report of a WHO consultation. Diabet Med, 1998. 15(7): p. 539-53. Holman, R.R., et al., Addition of biphasic, prandial, or basal insulin to oral therapy in type 2 diabetes. N Engl J Med, 2007. 357(17): p. 1716-30. Polonsky, W.H., et al., Psychological insulin resistance in patients with type 2 diabetes: the scope of the problem. Diabetes Care, 2005. 28(10): p. 2543-5. Rubin, R.R. and M. Peyrot, Factors affecting use of insulin pens by patients with type 2 diabetes. Diabetes Care, 2008. 31(3): p. 430-2. Peyrot, M., et al., Resistance to insulin therapy among patients and providers: results of the cross-national Diabetes Attitudes, Wishes, and Needs (DAWN) study. Diabetes Care, 2005. 28(11): p. 2673-9. Rathmann, W., et al., High prevalence of undiagnosed diabetes mellitus in Southern Germany: target populations for efficient screening. The KORA survey 2000. Diabetologia, 2003. 46(2): p. 182-9. Hauner, H., et al., Prevalence of undiagnosed Type-2-diabetes mellitus and impaired fasting glucose in German primary care: data from the German Metabolic and Cardiovascular Risk Project (GEMCAS). Exp Clin Endocrinol Diabetes, 2008. 116(1): p. 18-25. Wabitsch, M., et al., Type II diabetes mellitus and impaired glucose regulation in Caucasian children and adolescents with obesity living in Germany. Int J Obes Relat Metab Disord, 2004. 28(2): p. 307-13.

Zusätzliches

Plain-Text

Einfluss sozioökonomischer Faktoren auf Insulinverordnung und Dauer der Pen-Schulung

Nach den aktuellsten Zahlen der Internationalen Diabetes Föderation (IDF) ist Deutschland das Land mit der höchsten Diabetes-Prävalenz in Europa. Betroffen sind 12% der 20- bis 79-jährigen, insgesamt etwa 7.5 Millionen Menschen. In Deutschland sind ca. 90% Typ-2-Diabetiker, während etwa 5-10% Typ-1-Diabetiker sind. Versorgt werden die Patienten von bundesweit 50.000 bis 60.000 Hausärzten (ca. ein Arzt pro 1.500 Einwohner), ca. 1.100 Schwerpunktpraxen mit Diabetologen und ca. 350 speziellen Kliniken. Ziel der Behandlung von Patienten mit Diabetes ist es, Komplikationen wie z.B. Makroangiopathie (koronare Herzkrankheit, Schlaganfall, arterielle Verschlusskrankheit), Mikroangiopathie (Augen- und Nierenschäden), Neuropathie oder diabetisches Fußsyndrom zu verhindern und die Lebensqualität der Betroffenen zu erhalten. Für eine erfolgreiche Diabetes-Behandlung sind neben Lebensstilanpassung oder medikamentösen Maßnahmen strukturierte Patientenschulungen unerlässlich. Obwohl bei der Patientenschulung trotz Disease Management Programmen (DMP) zum Teil noch gravierende Defizite bestehen, kann die Patientenschulung in Deutschland im internationalen Vergleich einen hohen Standard aufweisen.

>> Durch die zunehmende Zahl der Menschen mit Diabetes ist es fraglich, ob die ärztliche diabetologische Versorgung in Zukunft mengenmäßig allein durch die auf diesem Gebiet spezialisierten Mediziner geleistet werden kann. Die routinemäßige Versorgung unkomplizierter Fälle durch den Hausarzt könnte daher einen immer wichtigeren Stellenwert einnehmen. Umso interessanter sind vor diesem Hintergrund die Studienergebnisse der 4-T-Study. Der Vergleich einer prandialen oder basalen Insulintherapie mit einer konventionellen Therapie (CT)zeigte, dass mittels CT ein vergleichsweise größerer Prozentsatz der Patienten einen HbA1c-Zielbereich von 6.5 % oder weniger erreichte.
Was nutzt jedoch die beste medizinische Rationale, wenn diese in der Praxis nicht durchführbar ist oder vom Patienten nicht akzeptiert wird? Für eine hohe Akzeptanz sollte sich die therapeutische Versorgung der Menschen mit Diabetes möglichst problemlos in den Tagesablauf integrieren lassen. Obwohl kein allgemeingültiges Patentrezept für den Beginn einer Insulintherapie bei langjährigen Typ-2-Diabetikern existiert, erfolgt die Insulineinstellung jedoch medizinisch gesehen häufig zu spät. Mögliche Ursachen hierfür sind vielfältig und können z.B. in der psychologischen Hürde bei Umstellung, im Zeitaufwand, in der Schulungsdauer, in der Ablehnung wegen möglicher Gewichtszunahme oder in einer verminderten Lebensqualität durch die subkutanen Injektionen begründet liegen.
Vor diesem Hintergrund sowie aufgrund der für die kommenden Jahre zu erwartenden Zunahme an Diabetes-Therapien in der haus-ärztlichen Praxis sollte die vorliegende Studie die Handhabung und Integrierbarkeit einer Insulintherapie mit einem modernen, einfachen Insulinpen (BerliPen® areo) unter Alltagsbedingungen abbilden.
Im Rahmen dieser prospektiven, explorativen, multizentrischen nicht-interventionellen Studie (NIS) wurden Daten von 2.857 Patienten mit Diabetes erhoben, die eine Insulintherapie mit einer Insulin-Applikationshilfe (BerliPen® areo) begonnen haben oder umgestellt wurden. Die erhobenen demographischen Daten und Einzelheiten zur sozioökonomischen und gesundheitlichen Situation wurden hinsichtlich der verordneten Insulintherapie, der Dauer der Pen-Schulung und der Akzeptanz des Insulin-Pens ausgewertet. Dieser Teil der Auswertung bildet den Hauptfokus des vorliegenden Beitrags.
Methodik
Studiendurchführung
Im Rahmen der nicht-interventionellen Studie, die in hausärztlichen und diabetologischen Praxen im gesamten Bundesgebiet zwischen Februar 2008 und Februar 2009 durchgeführt wurde, wurden Daten von 2.897 Patienten erhoben. Durch die bundesweite Auswahl von Arztpraxen und Patienten konnte eine hinreichend repräsentative Stichprobe gewonnen werden. Ziel der Studie war es, den Beginn oder Wechsel der Insulintherapie mit einer Insulin-Applikationshilfe (BerliPen® areo) im primären Versorgungssektor bei Patienten mit Typ-1- und Typ-2-Diabetes mellitus zu dokumentieren. Die Kriterien für eine erfolgreiche Insulintherapie waren neben der Erreichung individueller Stoffwechselziele auch die Patientenzufriedenheit, die zu Beginn und nach 3 Monaten Studiendauer dokumentiert wurden. Hierzu wurden auch die Gründe für die Therapiewahl erfasst und die Bedienung des Pens durch Arzt und Patient beurteilt. Die Vereinbarkeit des Therapiekonzepts mit dem Alltag des Patienten wurde unter Berücksichtigung der Angaben sozioökonomischer Faktoren wie z.B. zur beruflichen Situation, zum Bildungsstand, zu den Lebensgewohnheiten, dem sozialem Umfeld sowie durch den beobachteten Therapieerfolg untersucht. Zur Beurteilung der Anwendungssicherheit der Applikationshilfe wurden auch unerwünschte Ereignisse bei der Insulingabe erfasst. Um eine Verbesserung der Datenqualität zu erreichen, wurde bei zufällig ausgewählten Ärzten ein Originaldatenvergleich durchgeführt.
Projektmanagement, Monitoring, Datenmanagement und statistische Auswertung erfolgten durch das unabhängige Institut GKM Gesellschaft für Therapieforschung mbH. Die Studie wurde unter Berücksichtigung der Empfehlungen des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), der Deutschen Arbeitsgemeinschaft für Epidemiologie (DAE) zur Sicherung von Guter Epidemiologischer Praxis, der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (GMDS) und des Verbands forschender Arzneimittelhersteller (VFA) zur Verbesserung der Qualität und Transparenz von nicht-interventionellen Studien durchgeführt.

Statistische Analyse
Die Auswertung der Studienergebnisse erfolgte mit deskriptiven statistischen Methoden. Quantitative Variablen wurden durch basisstatistische Kenngrößen wie Mittelwert, Standardabweichung und ausgesuchte Quantile beschrieben. Für qualitative und ordinal skalierte Variablen wurden absolute und relative Häufigkeitsverteilungen berechnet. Der Einfluss möglicher prognostischer Variablen wurde mit Hilfe von Subgruppenanalysen untersucht.
Voraussetzung für die Auswertbarkeit einer Patientendokumentation war das Vorhandensein von Angaben zum Verlauf der Therapie. Patienten, bei denen nur Daten der Eingangsuntersuchung vorlagen, wurden von der statistischen Analyse ausgeschlossen. Retrospektive Dokumentationen wurden ebenfalls nicht berücksichtigt. Die Auswertung erfolgte mit SAS® Version 9.1.

Zusammenfassung der Kernergebnisse der nicht-interventionellen Studie
Patientenkollektiv
Insgesamt wurden Daten von 2.897 Patienten dokumentiert. 40 Patienten konnten nicht für die statistische Analyse herangezogen werden, da entweder keine Verlaufsdokumentation (12 Patienten) vorhanden war oder die Dokumentation retrospektiv erfolgte (28 Patienten).
12.0% der Studienteilnehmer waren Typ-1- und 86.1% Typ-2-Diabetiker (anderer Typ: 1.9%, davon am häufigsten Gestationsdiabetes). Die durchschnittliche Dauer der Diabeteserkrankung betrug 9.7 Jahre. Bei gut zwei Drittel der Patienten (69.3%) lagen Begleit- oder Folgeerkrankungen vor. Am häufigsten war Bluthochdruck (55.4%), gefolgt von Fettstoffwechselstörungen (35.2%) und diabetischer Neuropathie (22.8%). Bei fast ausgeglichener Geschlechterverteilung (50.9% Männer, 49.1% Frauen) waren die Patienten im Mittel 59.7 Jahre alt. Der durchschnittliche Altersunterschied zwischen Typ-1- und Typ-2-Diabetikern betrug etwa 20 Jahre (42.4 Jahre vs. 62.6 Jahre). Der mittlere Body Mass Index (BMI) betrug 30.7 kg/m². 49.2% der Patienten wiesen einen BMI ≥ 30 kg/m² auf und waren damit entsprechend der aktuellen WHO-Definition adipös. Nach Angaben der beteiligten Ärzte lag bei 28.7% der Patienten mindestens eine körperliche Einschränkung vor, am häufigsten Sehstörungen (17.1%) oder Störungen der Motorik (12.7%). Unter „Sonstige“ (3.4%) genannt wurden unter anderem Gehbehinderungen und weitere Mobilitäts- und Aktivitätseinschränkungen. Tabelle 1 fasst die Kernergebnisse zum Patientenkollektiv zusammen.

Sozioökonomische Faktoren
Zur weiteren sozialanamnestischen Beschreibung des Patientenkollektivs wurde im Dokumentationsbogen z.B. nach Lebensgewohnheiten, Bildungsstand, beruflicher Situation und sportlicher Aktivität gefragt. Zur Beurteilung des aktuellen Allgemeinzustands waren drei Kategorien vorgegeben (dynamisch/flexibler Patient, älterer selbstständiger Patient, pflegebedürftiger Patient). Die meisten Patienten (n=1.485; 52.5%) wurden vom behandelnden Arzt als „dynamisch/flexible Patienten“ eingestuft, gefolgt von „älteren selbstständigen Patienten“ (n=1.216; 43.0%).
Die meisten Patienten wiesen eine abgeschlossene Berufsausbildung (n=1.785; 64.3%) auf. 24.3% hatten einen Schulabschluss und 11.4% der Studienteilnehmer ein Fach-/Hochschulstudium als höchsten Abschluss.
Etwa zwei Drittel der Patienten (65.1%) waren zum Zeitpunkt der NIS nicht (mehr) berufstätig. Davon waren 42.2% der Patienten im „Ruhestand“, 11.2 % „Hausfrau/-mann“ und 4.2% „arbeitslos“. Des Weiteren wurden die Aspekte einer beruflichen Tätigkeit näher hinterfragt (Mehrfachangaben waren möglich). 24.6% der Studienteilnehmer waren „Vollzeit beschäftigt“ und 5.4% „Teilzeit beschäftigt“. Am häufigsten war „Schreibtisch-/Büroarbeit“ (15.3%) gefolgt von „körperlich anstrengender Arbeit“ (8.0%) genannt.
Nach Angaben des behandelnden Arztes waren 73.2% der Patienten körperlich aktiv. Von den „körperlich / sportlich aktiven und sehr aktiven“ Patienten (30.7%) waren 48.0% „1 bis 2-mal pro Woche“ und 40.7% der Studienteilnehmer „mehrmals pro Woche“ aktiv.
Ergebnisse zum Einfluss verschiedener sozioökonomischer Faktoren auf die Schulungsdauer
Schulung
In den meisten Fällen wurde die Schulung zur Handhabung der Applikationshilfe durch den Arzthelfer bzw. die Arzthelferin durchgeführt (46.2%). Bei 15.5% der Patienten wies der Arzt bzw. die Ärztin die Patienten ein.
Die Schulung war in den meisten Fällen nach 15 Minuten beendet (72.1%). Bei 26.0% der Patienten dauerte die Einweisung 15-30 Minuten und in 1.9% der Fälle länger als 30 Minuten.
Bei 97.6% der Patienten verlief die Penschulung problemlos. Die wenigen dokumentierten Schwierigkeiten verwiesen zumeist auf motorische Beeinträchtigungen der Patienten.
Im Folgenden werden die Ergebnisse zum Einfluss sozioökonomischer Faktoren auf die Schulungsdauer dargestellt. Hierbei wurde die Schulungsdauer dichotomisiert in 5-15 Minuten (kurze Schulung) und 15-30 Minuten (lange Schulung).

Alter und Geschlecht
Die Altersverteilung der teilnehmenden Frauen und Männern war nahezu gleich: Frauen waren im Durchschnitt 59.7 Jahre und Männer 59.6 Jahre alt. Die Schulung war bei 75.2% der Männer und 71.5% der Frauen von kurzer Dauer (unter 15 Minuten). Das mittlere Alter der Studienteilnehmer mit kurzer Schulungsdauer lag deutlich unter dem der Patienten mit langer Schulungsdauer (kurze Schulung: Männer 58.0, Frauen 58.4 Jahre; lange Schulung: Männer 64.3, Frauen 62.3 Jahre).

Diabetes-Typ und -dauer
Typ-1-Diabetiker zeigten eine eher kurze Schulungsdauer, was im Wesentlichen auf das Alter zurückzuführen ist (87.6% vs. 71.5% bei Typ-2-Diabetikern). Die Dauer der Erkrankung „Diabetes mellitus“ zeigte kaum einen Einfluss auf die Schulungsdauer (kurze Schulung bei 74.7% Patienten mit Neudiagnose vs. 73.3% Patienten mit länger zurückliegender Diagnosestellung).

Körperliche Einschränkungen
Patienten mit körperlichen Einschränkungen wiesen tendenziell eine längere Schulungsdauer auf als Patienten ohne Einschränkungen (33.1% vs. 23.8%). Dabei war eine „Hörstörung“ am ehesten mit einer langen Schulungsdauer korreliert (42.6%), während eine gestörte Motorik oder Sehstörungen nur in Einzelfällen zu einer Verlängerung der Schulungsdauer führten.

Bildungsstand und Berufstätigkeit
Ein höherer Bildungsabschluss korrelierte mit einer eher kürzeren Schulungsdauer (69.1% Schulabschluss, 74.6% abgeschlossene Ausbildung, 78.7% abgeschlossenes Studium). Die Schulungsdauer war bei den Berufstätigen eher kürzer als bei den nicht Berufstätigen (81.7% vs. 69.9%).

Schulungspersonal, Erfahrung mit Insulinpen, Art des verwendeten Insulins
Beim Schulungspersonal zeigte sich kaum ein Unterschied im Hinblick auf die Schulungsdauer (kurze Dauer: 71.6% Schulung durch Arzt/Ärztin vs. 71.4% Schulung durch Arzthelfer/in).
Bei „Pen-erfahrenen“ Diabetikern war die Schulung eher von kurzer Dauer (81.2% vs. 67.3% bei Patienten mit erstem Insulinpen).
Patienten, die ein Analoginsulin verwendeten, wiesen tendenziell eine eher kürzere Schulungsdauer auf als Patienten, die auf ein Humaninsulin eingestellt waren (78.3% vs. 68.3%).
Ergebnisse zum Einfluss verschiedener sozioökonomischer Faktoren auf die Insulinverordnung
Insulinverordnung
Zur Angabe der bisherigen Diabetes-Therapie vor Studienstart waren die Kategorien „orale Antidiabetika (OAD)“ und „Insulin“ vorgegeben, dabei nicht berücksichtigte Therapien konnten als Freitext dokumentiert werden. Insgesamt waren 2.523 Patienten (88.6%) bereits vortherapiert, in 54.8% der Fälle mit OAD und in 49.7% mit Insulin.
Im Folgenden werden die Ergebnisse zum möglichen Einfluss verschiedener sozioökonomischer Faktoren auf die Insulin-Verordnung (Insulinanaloga vs. Humaninsulin) dargestellt. Insulinanaloga (n=1.527 Patienten; 53.9%) wurden bei den Patienten des Studienkollektivs etwas häufiger verwendet als Humaninsulin (n=1.304 Patienten; 46.1%).

Alter und Geschlecht
Jüngere Patienten erhielten eher ein Analoginsulin, ältere Patienten waren häufiger auf Humaninsulin eingestellt. Insulinanaloga erhielten 63.5% der Patienten < 50 Jahre, 54.1% der Patienten im Alter von 50 bis ≤ 70 Jahre und 44.8% der über 70-jährigen Patienten. Patienten, die Insulinanaloga spritzten, waren im Mittel etwas jünger (57.9 Jahre) als Humaninsulin-Patienten (61.7 Jahre).
Der Anteil der Insulinanaloga war bei Männern etwas höher als bei den Frauen (55.5% vs. 52.2%).

Diabetes-Typ und -dauer
Eine deutliche Abhängigkeit zeigte sich zwischen Diabetes-Typ und Insulinverordnung: Typ-1-Diabetiker erhielten häufiger Insulinanaloga als Typ-2-Diabetiker (82.1% vs. 50.2%).
Patienten mit längerer Diabetesdauer erhielten tendenziell eher Insulinanaloga (54.1% vs. 51.6% bei neu diagnostizierten Patienten).

Körperliche Einschränkungen
Das Vorliegen einer körperlichen Einschränkung zeigte kaum Einfluss auf das Verordnungsverhalten. 54.7 % der Patienten ohne bzw. 52.2% der Patienten mit körperlichen Einschränkungen waren auf Analoginsulin eingestellt.

Bildungsstand und Berufstätigkeit
Es zeigte sich ein Trend zur Verordnung von Analoginsulin bei Patienten mit höherem Bildungsabschluss: Während 53.8% der Patienten mit einer Schulausbildung als höchstem Abschluss Humaninsulin erhielten, waren 56.1% der Patienten mit einer abgeschlossen Ausbildung und 55.9% der Patienten mit Hochschulstudium auf Analoginsulin eingestellt. Berufstätige Patienten verwendeten vergleichsweise häufiger Analoginsulin (59.5%). Bei nicht-berufstätigen Patienten war die Einstellung auf Analog- bzw. Humaninsulin annähernd gleich verteilt (50.9% Analoginsulin, 49.1% Humaninsulin).

Schulungspersonal, Erfahrung mit Insulinpen, Art des verwendeten Insulins
Patienten, bei denen die Penschulung durch den/die Arzt/Ärztin durchgeführt wurde, erhielten vergleichsweise etwas häufiger Humaninsulin (55.9%). Im Gegensatz dazu, waren vom Arzthelfer oder der Arzthelferin geschulte Patienten eher auf Insulinanaloga (59.9%) eingestellt. „Pen-erfahrene“ Patienten erhielten häufiger Analoginsulin (67.7%). Bei Patienten, die ihren ersten Pen erhielten, war die Verordnung von Humaninsulin etwas häufiger (57.1%).
Diskussion
Das Patientenkollektiv dieser nicht-interventionellen Studie spiegelt die klassische Verteilung des Diabetes-Typs (Typ-2 >> Typ-1) mit den entsprechenden Diabetes bezogenen Folgeerkrankungen wider. Zukunftsprognosen sprechen von einer weltweit steigenden Prävalenz sowohl des Typ-1- als auch des Typ-2-Diabetes mellitus, wobei aufgrund einer Dunkelziffer an nicht diagnostizierten Fällen als auch einer tendenziell steigenden Verbreitung von Adipositas und Bewegungsmangel eine schnellere Zunahme des Typ-2-Diabetes mellitus zu erwarten ist.
Die vorliegenden Ergebnisse weisen auf einen möglichen Zusammenhang zwischen Lebensalter bzw. Bildungsabschluss und der Schulungsdauer für die Insulin-Applikationshilfe hin. Dies spiegelt sich auch in der kurzen Schulungsdauer bei berufstätigen Studienteilnehmern sowie Typ-1-Diabetikern wider, was aber auch zum Teil auf dem Lebensalter beruhen könnte. Bei der Mehrheit der Patienten (70.1%) dauerte die Schulung für den Insulinpen maximal 15 Minuten. Bei Hörstörungen war der Einfluss auf die Schulungsdauer deutlicher als z.B. bei Motorikstörungen.
Die Ergebnisse zum Verordnungsverhalten zeigten einen Trend hin zur Verschreibung von Insulinanaloga bei jüngeren Patienten und vermehrter Humaninsulinverordnung mit steigendem Lebensalter. Relativ deutlich wird diese Tendenz auch beim Diabetes-Typ, was vermutlich auf das unterschiedliche mittlere Lebensalter (Typ-1: 42.4 Jahre; Typ-2: 62.6 Jahre) zurückzuführen ist. Ein möglicher Grund für diese Unterschiede kann z.B. in der höheren Flexibilität eines Therapieregimes mit Analoginsulinen liegen. Insbesondere die Möglichkeit auf Zwischenmahlzeiten zu verzichten, könnte für jüngere Patienten oder Patienten im Berufsleben wichtig sein. Andererseits besteht vielleicht bei älteren Patienten eher der Wunsch eine bestehende Humaninsulin-Behandlung fortzuführen. Nachdem nun die Kostenhürde, die durch die Festsetzung des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) zur Wirtschaftlichkeit der Analoginsuline entstanden ist, durch Rabattverträge der Hersteller mit den Kassen überwunden wurde, werden vielleicht zukünftig vermehrt Analoginsuline verordnet.
Neueingestellten Studienteilnehmern (Ø Alter 58.8 Jahre), wurde etwas häufiger reines Humaninsulin verordnet, möglicherweise um ihnen die Umstellung zu erleichtern. Pen-erfahrene Patienten erhielten eher ein Analoginsulin vielleicht, um ihr Therapieregime flexibel selbst gestalten zu können.
Aufgrund der großen Fallzahl und der deutschlandweiten Verteilung der Zentren konnte die NIS die Versorgungsrealität in diabetologischen Praxen in Deutschland repräsentativ abbilden. Die Kenntnis der aktuellen Versorgungssituation und des Verordnungsverhaltens ist Voraussetzung für eine Therapieoptimierung und damit einem möglichen Zuwachs an Lebensqualität für Menschen mit Diabetes. <<