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Kennzahlenmanagement in der Gesundheitsversorgung – Steuerung des Versorgungsprozesses

Zur Erfassung, Bewertung und Veränderung von Versorgungsprozessen müssen die erhobenen Daten in sinnvollen Kennzahlen operationalisiert werden. Diese Kennzahlen bilden die Dimensionen Finanzen, Leistungen und Qualität ab. Aufgrund des stark sektorisierten Aufbaus des deutschen Gesundheitswesens erfolgte traditionell eher die Bewertung des einzelnen Versorgungssektors. Moderne Kennzahlensysteme müssen jedoch in der Lage sein, einen sektor-, fachdisziplinen- und berufsgruppenübergreifenden Versorgungsprozess abzubilden. Krankenkassen haben durch mehrere Gesetzgebungsverfahren eine aktivere Rolle bei der Gestaltung neuer Versorgungsformen erhalten. Die den Krankenkassen zur Verfügung stehenden Daten sind inzwischen von guter Qualität und erlauben die Abbildung der Versorgung mittels Kennzahlen. Hierzu können Kennzahlensysteme zum Einsatz kommen, die eine versorgungsprozessübergreifende parallel zu einer sektorspezifischen Sicht ermöglichen. Unter Einsatz derartiger Systeme können Krankenkassen sowohl steuernd in den Versorgungsprozess eingreifen wie auch die Auswirkungen eines derartigen Eingriffs erkennen.

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Erstveröffentlichungsdatum: 01.06.2008

Abstrakt: Kennzahlenmanagement in der Gesundheitsversorgung – Steuerung des Versorgungsprozesses

Zur Erfassung, Bewertung und Veränderung von Versorgungsprozessen müssen die erhobenen Daten in sinnvollen Kennzahlen operationalisiert werden. Diese Kennzahlen bilden die Dimensionen Finanzen, Leistungen und Qualität ab. Aufgrund des stark sektorisierten Aufbaus des deutschen Gesundheitswesens erfolgte traditionell eher die Bewertung des einzelnen Versorgungssektors. Moderne Kennzahlensysteme müssen jedoch in der Lage sein, einen sektor-, fachdisziplinen- und berufsgruppenübergreifenden Versorgungsprozess abzubilden. Krankenkassen haben durch mehrere Gesetzgebungsverfahren eine aktivere Rolle bei der Gestaltung neuer Versorgungsformen erhalten. Die den Krankenkassen zur Verfügung stehenden Daten sind inzwischen von guter Qualität und erlauben die Abbildung der Versorgung mittels Kennzahlen. Hierzu können Kennzahlensysteme zum Einsatz kommen, die eine versorgungsprozessübergreifende parallel zu einer sektorspezifischen Sicht ermöglichen. Unter Einsatz derartiger Systeme können Krankenkassen sowohl steuernd in den Versorgungsprozess eingreifen wie auch die Auswirkungen eines derartigen Eingriffs erkennen.

Abstract: The use of Key Performance Indicators in health care. Managing the treatment and care giving processes

For understanding, evaluating and changing processes of treatment and care giving Key Performance Indicators (KPI) are needed, which condense the mass of datas. The KPI have to describe the dimensions of finance, output and quality. The german health care system is characterized by a sectorized structure, so traditional KPI are focussed onto the considered sector. But a modern framework of KPI must be able to describe the whole process. German health insurances have become a more active part in organizing the best health care for their persons insured. The data set which health insurances receive is meanwhile of good quality, so that they are able to build up a representative KPI framework for demonstrating the process of care giving and treatment. The framework has to describe the sectoral and the overall view. This KPI framework enables health insurances to manage the processes of treatment and care giving and evaluate the effects of managing.

Literatur

Eikötter, T./Greiner, W. (2008): Instrumente zur Messung der Versorgungsqualität in der integrierten Versorgung. In: Gesundheitsökonomie und Qualitätsmanagement 2008; 13: 25-31 Greulich, A. (2002): Balanced Scorecard – praktische Umsetzung. In: Greulich/Hellmann/Kalbitzer/Korthus/Thiele (Hrsg.), Managementhandbuch Krankenhaus (2007): 322, 1-33. Heidelberg: Economica Herholz, H. (2008): Viele Fragen, kaum Antworten. In: Monitor Versorgungsforschung 2008; 1: 35-38 Pfaff, H./Schmacke, N./Schrappe M. (2004): Förderung einer zukunftsorientierten Versorgungsforschung. In: http://www.akg.uni-bremen.de/pages/arbeitspapiere.php ?SPRACHE=de (abgerufen am 10.07.2008) Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen (2002): Gutachten 2000/2001 – Bedarfsgerechtigkeit und Wirtschaftlichkeit. Band III, Über-, Unter- und Fehlversorgung. Baden-Baden: Nomos Schrappe, M. et al. (2005): Memorandum II zur Versorgungsforschung in Deutschland. In: http://www.dkvf.de/content/e36/e174/MemorandumII.pdf (abgerufen am 10.07.2008) Wasem, J./Focke, A./Schulz, S./Schillo, S. (2006): Ansätze zur Evaluation der integrierten Versorgung. In: Rebscher (Hrsg.), Gesundheitsökonomie und Gesundheitspolitik (2006): 577-592. Heidelberg: Economica Wiesner, G./Grimm, J./Bittner, E. (2003): Multimorbidität in Deutschland, Stand – Entwicklung – Folgen. RKI (Hrsg.). Berlin.

Zusätzliches

Plain-Text

Kennzahlenmanagement in der Gesundheitsversorgung – Steuerung des Versorgungsprozesses

Zu den typischen Handlungsfeldern der Gesundheitsökonomie zählen die Bewertung von Versorgungsprozessen hinsichtlich ihrer Wirtschaftlichkeit und die Entwicklung von Prozessänderungen und Anreizsystemen, um wirtschaftliches und qualitätsorientiertes Verhalten aller Beteiligten auszulösen. Ziel dabei ist es, die zur Verfügung stehenden Mittel derart einzusetzen, dass die bestmögliche Gesundheitsversorgung erreicht werden kann.

>> Neben der wissenschaftlichen und gutachterlichen Bearbeitung dieser Themen gehört es inzwischen auch zu den Aufgaben der Kostenträger, die Bewertung und den Vergleich von Versorgungsprozessen vorzunehmen, um ihren Versicherten eine bestmögliche Versorgung anbieten zu können. Zur Operationalisierung dieser Aufgabenstellung können Kennzahlen dienen, die den Versorgungsprozess abbilden.

Das deutsche Gesundheitswesen zeichnet sich
durch eine starke Sektorisierung aus

Die deutsche Gesundheitslandschaft ist traditionell nach Sektoren, Fachdisziplinen und Berufsgruppen unterteilt. Dies hat einerseits zu einer stark von Partikularinteressen getriebenen Versorgung der Versicherten, andererseits zu einem Mangel an Erkenntnissen über einen patientenzentrierten Versorgungsprozess geführt. Somit ist die Sichtweise der einzelnen Akteure im Gesundheitswesen auch stark auf den jeweiligen Einflussbereich fokussiert. Eine für den Patienten relevante Endpunktbetrachtung des Versorgungsprozesses fehlt systematisch.
Diese segmentierte Sichtweise trennt beispielsweise die ambulante Behandlung von der Behandlung im Krankenhaus sowie der rehabilitativen Versorgung, obwohl eine Erkrankung möglicherweise eine Behandlung in allen Bereichen erfordert. Innerhalb eines Behandlungssektors ist eine weitere Differenzierung zu verzeichnen, so erfolgt die Versorgung durch unterschiedliche Fachdisziplinen (Hausarzt, verschiedene Fachärzte), Berufsgruppen (Arzt, Pflege, Physiotherapie) und unter Zuhilfenahme unterschiedlicher Sachleistungen (Arzneimittel, Hilfsmittel). Alle diese Leistungen und Leistungserbringer werden einzeln wahrgenommen und vertreten ihre Interessen auch entsprechend sektoral. Oft fehlt einzelnen Entscheidern sogar die Kenntnis vor- und nachgelagerter Versorgungsepisoden.
Die Versorgung eines Patienten ist jedoch ein Prozess, der einer integrierenden und übergreifenden Betreuung bedarf. Der Patient erhält bei seiner Versorgung Leistungen von unterschiedlichen Leistungserbringern aus unterschiedlichen Sektoren, aus Patientensicht handelt es sich um einen einzigen Gesamtprozess. Dem entgegenstehend hat der Sachverständigenrat in seinem Gutachten 2000/2001 jedoch Versorgungsdefizite im deutschen Gesundheitswesen beschrieben, die häufig an den jeweiligen Schnittstellen zwischen den Sektoren, Fachdisziplinen und Berufsgruppen zu lokalisieren sind (Sachverständigenrat, 2002).
Zur Behebung der identifizierten Versorgungsdefizite wurden mehrere Gesetzgebungsverfahren eingeleitet. Als Ergebnisse sind hier exemplarisch die hausarztzentrierte Versorgung mit einem integrierenden und die integrierte Versorgung mit einem übergreifenden Ansatz zu nennen.

Kennzahlen zur Leistungssteuerung
werden sektorisiert erhoben

Zur Steuerung des Versorgungsprozesses können Kennzahlen entwickelt und eingesetzt werden. Diese Kennzahlen bilden im Gesundheitswesen vorrangig die drei Dimensionen Finanzen, Leistungen und Qualität ab. In ihrer Darstellung ahmen die Kennzahlen jedoch überwiegend die sektorisierte Aufstellung des deutschen Gesundheitswesens nach, insbesondere deshalb, weil die Daten, aus denen die Kennzahlen gebildet werden können, auch sektoral erhoben werden.
Ein Krankenhausmanager beispielsweise wird sich in seiner Steuerung der Versorgungsprozesse nach Deckungsbeiträgen einzelner Leistungen sowie Auslastungen und Verweildauern definierter Organisationseinheiten richten und versuchen, diese mit den zu veröffentlichenden Qualitätskennzahlen seiner Einrichtung in Einklang zu bringen; den Manager des benachbarten Medizinischen Versorgungszentrums interessieren hingegen die betrieblichen Kennzahlen seiner Einrichtung.
Bereits im Krankenhaus wird sich aber die leitende Pflegekraft zur Verteidigung ihres Personalbudgets mit Kennzahlen aus der Pflege-Personal-Regelung oder der Leistungserfassung in der Pflege beschäftigen.
Die Erhebung, die Analyse und der Einsatz von Kennzahlen ist somit durch die Interessenlage des Betrachters geprägt und wird unter anderem durch finanzielle Anreize getriggert.
Es ist jedoch zu beobachten, dass sich im Rahmen der zunehmenden Anforderungen an die interdisziplinäre Leistungserstellung und die Prozessreorganisation bei den Leistungserbringern im Gesundheitswesen bereits abgestufte übergreifende Kennzahlensysteme wie zum Beispiel die Balanced Scorecard etabliert haben (Greulich, 2002). Eine Transparenz über die erhobenen Daten und die Steuerungsansätze besteht jedoch in der Regel nicht. Weiterhin bilden diese Kennzahlen in der Regel die Kernprozesse des jeweiligen Sektors, im besten Fall jeweils unter Betrachtung des jeweils vor- und nachgelagerten Behandlungssektors, ab. Eine übergreifende Sicht kann somit nicht gelingen.

Daten der gesetzlichen Krankenversicherung
wurden überwiegend sektoral aufbereitet

Krankenkassen verfügen über Leistungsdaten ihrer Versicherten aus den unterschiedlichen Sektoren, somit bieten diese Daten grundsätzlich die Möglichkeit einer übergreifenden Darstellung des Versorgungsprozesses.
Die Struktur einer Krankenkasse war jedoch traditionell darauf ausgerichtet, Mitgliedsbeiträge zu verwalten und die Leistungsausgaben der Versicherten zu bezahlen.
Erst seit Mitte der neunziger Jahre hat sich eine Änderung der Anforderungen entwickelt, unterstützt durch gesundheitspolitische Initiativen mit dem Ziel, den Krankenkassen sukzessive mehr Möglichkeiten einzuräumen, für ihre Versicherten attraktive Versorgungsangebote individuell zu gestalten und zu vereinbaren. Um diese Vorgaben erfüllen zu können, ist die Betrachtung von Kennzahlen aus verschiedenen Sektoren erforderlich, damit die Gestaltung und Evaluation derartiger Angebote gelingen kann.
Die Kennzahlensysteme der Krankenkassen waren über die Jahre an den damaligen gesetzlichen Aufgaben ausgerichtet. Diese Aufgaben bestanden darin, die Leistungsausgaben der Versicherten in dem jeweiligen Versorgungssektor rechnerisch und sachlich korrekt abzuwickeln. Qualität und Wirtschaftlichkeit wurden erst in jüngerem Zusammenhang zunehmend beachtet und über Kennzahlen abgebildet und kontrolliert. Die Sichtweise der Krankenkassen auf ihre Daten und somit die Kennzahlen war somit auch überwiegend sektoral geprägt.
Klassische gut bekannte und veröffentlichte Kennzahlen sind zum Beispiel Krankenhausfälle und -kosten, Verweildauer und Tageskosten im rehabilitativen Bereich sowie Häufigkeiten von Arbeitsunfähigkeiten der Versicherten sowie die Dauer der Arbeitsunfähigkeit.
Erwähnenswert ist weiterhin, dass Daten zu einigen Versorgungsbereichen erst seit vergleichsweise kurzer Zeit in verwertbarer Qualität vorliegen, so dass es in diesen Bereichen auch erst seit fünf bis sechs Jahren gelingt, aussagefähige Kennzahlen abzuleiten.

Die Beurteilung des Versorgungsprozesses
stand bisher nicht im Fokus

Eine Diskussion über die Qualität der Versorgung im Gesundheitswesen findet unter Berücksichtigung des Kosten-Nutzen-Aspekts in Deutschland erst seit den neunziger Jahren statt, auf breiterer Basis erst seit der Jahrtausendwende. Um diese Diskussion ergebnisorientiert führen zu können, ist eine Transparenz über die Durchführung der Versorgungsprozesse, die Anwendung von Leitlinien und evidenzbasierter Medizin sowie über die Ergebnisse des Versorgungsprozesses erforderlich. Diese Transparenz bestand nicht und konnte bisher auch nur unzureichend hergestellt werden.
Trotz der Fülle der inzwischen erhobenen Daten wird insbesondere in der Diskussion um eine Reform und Weiterentwicklung der gesundheitlichen Versorgung immer wieder ein Mangel an verlässlichen Daten und Erkenntnissen zum Versorgungsgrad beschrieben (Sachverständigenrat, 2002; Schrappe et al., 2005; Herholz, 2008), somit hat auch die Verbesserung der Datenerhebung nur teilweise für eine vermehrte Transparenz gesorgt.
Annahmen über den Versorgungsprozess und dessen Qualität beruhen in der gesundheitspolitischen Diskussion weniger auf kennzahlengestützter Analyse, sondern eher auf Expertenmeinungen. Ebenso werden Auswirkungen der Veränderungen der Gesetzgebung nur unzureichend evaluiert. In diesem Zusammenhang werden auch immer wieder ein größerer Stellenwert und eine bessere Unterstützung der Versorgungsforschung gefordert (SVR 2002; Pfaff/Schmacke/Schrappe 2004).
An globalen Daten stehen die Daten der Gesundheitsberichterstattung des Bundes in Zusammenarbeit mit dem Statistischen Bundesamt zur Verfügung. Diese erlauben eine Bewertung des Krankheits- und Versorgungszustandes der Bevölkerung auf aggregierter Ebene und können so Aussagen über die Entwicklung der Bevölkerungsgesundheit und über die Entwicklung der Gesundheitswirtschaft insgesamt treffen. Eine Bewertung der Versorgungsprozesse unter Einsatz der zur Verfügung stehenden Informationen gelingt jedoch auch mit diesen Daten nicht.

Der Gesetzgeber fördert und fordert die
Verknüpfung der Sektoren und Disziplinen

Der Gesetzgeber hat, nicht zuletzt durch mehrere Hinweise des Sachverständigenrats zur Begutachtung im Gesundheitswesen, erkannt, dass die Sektorisierung des deutschen Gesundheitswesens ein Hindernis für eine qualitativ hochwertige, effektive und effiziente Patientenversorgung darstellt. Er hat deswegen in mehreren Gesetzen zur Weiterentwicklung des Gesundheitswesens Initiativen zur Öffnung der Sektoren ergriffen und den Krankenkassen einen aktiven Part als Partner bei der Gestaltung der Versorgung eingeräumt.
Als Ergebnisse dieser Gesetzgebungsverfahren sind hier insbesondere die Einführung der Disease-Management-Programme, die Stärkung der integrierten Versorgung und des Versorgungsmanagements sowie die Möglichkeit der Bildung von Medizinischen Versorgungszentren zu erwähnen. Weiterhin wurden die starren Grenzen ambulant/stationär durch Verordnungen zur Erbringung ambulanter Operationen, hochspezialisierter ambulanter Leistungen an Krankenhäusern sowie nicht zuletzt durch die Verabschiedung des Vertragsarztrechtsänderungsgesetzes durchbrochen.
Die Gesundheitswirtschaft hat diesen Trend erkannt und angenommen. Als Indikatoren hierfür können einerseits die stetig steigende Anzahl der abgeschlossenen Verträge zur integrierten Versorgung, andererseits eine ähnliche Entwicklung bei der Anzahl der zugelassenen Medizinischen Versorgungszentren in Deutschland gewertet werden.
Die Entwicklung neuer Versorgungsformen impliziert die Fragestellung nach dem Unterschied zur bisherigen Versorgung und die Messung des Eintritts einer postulierten möglichen Verbesserung der Versorgungssituation.
Begleitend zur sprunghaften Entwicklung der integrierten Versorgung hat deshalb ein Diskurs über Controlling und Evaluation der entwickelten Modelle stattgefunden. Besonderes Augenmerk wurde hierbei auf den Vergleich zwischen integrierter und Regelversorgung gelegt. Neben der Komplexität der Vergleichsgruppenbildung steht hier auch die Kombination von perioden- und behandlungsbezogenen Messungen der Indikatoren im Fokus, um eine Verzerrung aufgrund der Abbildung der Versorgung über verschiedene Sektoren zu vermeiden. Als Lösung empfiehlt Wasem die Zusammenführung der Ergebnisse einzelner Messvorgänge zu einer summativen Evaluation (Wasem et al., 2006). Dies entspricht der Verdichtung von Kennzahlen aus verschiedenen Sektoren und zu unterschiedlichen Zeitpunkten in eine übergreifende Betrachtung.

Krankenkassen betreuen ihre Kunden
künftig sektorübergreifend

Auch die gesetzlichen Krankenkassen haben ihre veränderte Rolle angenommen und bieten ihren Versicherten ein auf deren Bedürfnisse abgestimmtes Portfolio von zusätzlichen und selektiven Leistungsangeboten einerseits sowie verschiedenen wählbaren tariflichen Modellen andererseits.
Neben der reinen Erweiterung und Differenzierung des Angebotes entdecken die Kostenträger auch zunehmend ihr Interesse an einer aktiven Rolle bei der Leistungssteuerung der Versorgungsprozesse. Dies ist nicht zuletzt neben der Eröffnung neuer gesetzlich definierter Möglichkeiten getrieben durch die Wettbewerbssituation zwischen den Krankenkassen und durch die Kostenentwicklung insbesondere unter Berücksichtigung epidemiologischer Effekte geschehen (Wiesner/Grimm/Bittner 2003).
Neben ihrer Beteiligung an den schon erwähnten sektorübergreifenden Versorgungsmodellen entwickeln immer mehr Krankenkassen Aktivitäten im Einzelfallmanagement, in der Gesundheitsberatung ihrer Kunden sowie im sogenannten Gesundheitscoaching. Ziel dieser Maßnahmen ist es einerseits, den Versicherten bezüglich durch ihn beeinflussbarer Gesundheitsrisiken zur Eigenverantwortung und zum Selbstmanagement zu befähigen, andererseits Versorgungsdefizite an den vorbeschriebenen Schnittstellen zu überwinden. Dies alles geschieht im Sinne einer Dienstleistung für die Versicherten einer Krankenkasse.
Sowohl die Gestaltung von Versorgungsformen wie integrierter Versorgung und Disease-Management-Programmen wie auch die Unterstützung der Versicherten durch Gesundheitsberater und Coaches verlangt implizit einen sektorübergreifenden Ansatz.

Die Darstellung des Versorgungsprozesses
gelingt mittels Kennzahlen

Die einer Krankenkasse vorliegenden Daten sind inzwischen von guter Qualität, so dass valide Kennzahlen für die einzelnen Versorgungssektoren gebildet werden können. Eine Aneinanderreihung dieser Kennzahlen kann zur Darstellung des Versorgungsprozesses genutzt werden. Um Fehlinterpretationen und somit auch Fehlsteuerungen zu vermeiden, muss die gesamte Versorgungskette betrachtet werden. Beispielsweise könnten eine reine Reduktion von Krankenhauskosten und die Verkürzung des Aufenthaltes in einer medizinischen Rehabilitation zwar zu Einspareffekten in den genannten Sektoren führen, bei anschließend höherer Pflegebedürftigkeit und höherem Hilfsmittelbedarf könnten jedoch insgesamt erhebliche Mehrkosten entstehen, ganz abgesehen von einem schlechteren medizinischen Ergebnis und einer geringeren Patientenzufriedenheit.
Ziel ist deshalb eine sektorenübergreifende Darstellung der Versorgung mittels Kennzahlen. Um jedoch nicht Effekte in einzelnen Sektoren der Versorgung durch Steuerung in einem anderen Sektor aus dem Auge zu verlieren, reicht die Darstellung rein sektorübergreifende Kennzahlen nicht aus. Die DAK entwickelt deshalb sogenannte „Steuerungscockpits“, die sowohl eine sektorale wie auch sektorübergreifende Sicht des Versorgungsprozesses ermöglichen. (s. Abb. 3)
Hauptmerkmal dieser „Steuerungscockpits” ist, dass den einzelnen Darstellungen Kennzahlen hinterlegt sind, die den jeweiligen Bereich abbilden, ebenso wird die Gesamtprozesssicht dargestellt. Hierdurch können auf einen Blick wesentliche Effekte erkannt werden.
Der Einsatz erfolgt zunächst für die Dimensionen Leistungen und Finanzen, die sich aus den vorliegenden Daten unmittelbar ableiten lassen.
Die Entwicklung sektorübergreifender Kennzahlen zur Beurteilung der Qualität der Versorgung ist komplexer, aber möglich. Dies betrifft sowohl die Beurteilung der Behandlungsqualität aus Routinedaten wie auch innerhalb sektorübergreifender Versorgungsmodelle (Eikötter/Greiner, 2008). Aktivitäten zur Qualitätssicherung in allen Sektoren sowie sektorübergreifend lassen es möglich erscheinen, in Zukunft auch die Dimensionen Qualität und Patientenzufriedenheit sinnvoll in ein derartiges „Steuerungscockpit“ einbauen zu können.

Aufbauend auf ein Kennzahlensystem
kann eine Steuerung erfolgen

Durch Verwendung eines derartig gestuften Kennzahlensystems gelingt es, Hinweise auf die Gestaltung und den Erfolg sektorübergreifender Versorgung zu generieren und sowohl Handlungsfelder für ein Versorgungsmanagement zu entdecken wie auch Erfolge möglicher Maßnahmen darzustellen. Steuerungsmaßnahmen können direkt auf diesen Erkenntnissen aufsetzen, Effekte zeitnah beobachtet werden. Durch Kondensation der erhobenen Kennzahlen kann die Beurteilung des Gesamtprozesses erfolgen, der gestufte Aufbau ermöglicht aber jederzeit eine vertiefende Analyse einzelner Prozessschritte.
Über eine zeitbegleitende Darstellung ist auch die Evaluation eher mittelfristig zu erwartender Effekte möglich.
Durch eine unterschiedliche Differenzierung des Detaillierungsgrades des „Cockpits” kann das Kennzahlensystem sowohl auf der operativen Steuerungsebene im direkten Kontakt mit dem Versicherten, wie auch als Berichtswesen auf der Managementebene eingesetzt werden.

Fazit
Die Abbildung von Versorgungsprozessen ist über Kennzahlen möglich, sofern diese sektorale wie auch sektorübergreifende Aspekte abbilden und für den betrachteten Prozess aussagefähig sind. Grundsätzlich können alle Teilnehmer am Versorgungsprozess für ihren jeweiligen Einflussbereich ein derartiges Kennzahlensystem aufbauen.
Krankenkassen haben zudem den Vorteil, über Daten aus allen Versorgungsbereichen zu verfügen. Sie können die ihnen zur Verfügung stehenden Daten nutzen, den gesamten Behandlungsprozess abzubilden und hierüber steuernd einzugreifen. Ziel muss es hierbei sein, neben den Dimensionen Leistungen und Finanzen auch Qualitätsergebnisse in einem Kennzahlensystem abbilden zu können. <<