Patientensicherheit und wahrgenommene Risiken für Vermeidbare Unerwünschte Ereignisse aus Sicht von Patienten und Beschäftigten im Gesundheitswesen
Die Patientensicherheit ist ein zentrales Ziel in der Gesundheitsversorgung (Rodwin et al. 2020: 1; Zech et al. 2017: 333) und wird definiert als die „Abwesenheit unerwünschter Ereignisse“ (Schrappe 2018: 3). Neben den medizinischen Fähigkeiten und Kenntnissen hat sich erfolgreiche Kommunikation als ein zentraler Teil der Patientensicherheit bzw. zu ihrer Sicherung erwiesen, sowohl innerhalb des Mitarbeiterteams als auch zwischen den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und den Patientinnen und Patienten (Barlett et al. 2008: 1555-1562; Leonard et al. 2004: 85-90; Hickson et al. 1992: 1359-1363). Gestörte Kommunikation z.B. durch die Verwendung medizinischer Fachbegriffe, die Patienten sowie Angehörige nicht verstehen, oder Sprachbarrieren wie mangelnde Deutsch- oder andere Sprachkenntnisse können zu einem Informationsverlust und zu einer verminderten Patientensicherheit führen (Barlett et al. 2008: 1555-1562; Leonard et al. 2004: 85-90; Hickson et al. 1992: 1359-1363). Es gibt weitere Gründe für suboptimale Kommunikation und verschiedene Barrieren, die die Umsetzung erfolgreicher Kommunikation verhindern. Hierzu gehören beispielsweise unzureichende Informationsübermittlung, Arbeitsüberlastung, mangelnder gegenseitiger Respekt, ein ungenügendes Gefühl der Teamzugehörigkeit oder geringes Selbstvertrauen (Zegers et al. 2020). Auch zu wenige Fort- und Weiterbildungen wurden als Risikofaktoren identifiziert (Olde Bekkink et al. 2018: 262-270). Lyndon und Kollegen fassten in einem Review zusammen, dass erfolgreiche Kommunikation im Gesundheitswesen respektvoll, klar, direkt und explizit sein sollte (Lyndon et al. 2011: 94). Die konsequente Durchführung einer erfolgreichen Kommunikation erfordert intensives Zuhören, gute Unterstützung bei Verwaltungsaufgaben und gemeinschaftliches Engagement, um hinderliche Hierarchien und professionelle Stereotypen zu überwinden und damit die Patientensicherheit sicherzustellen.
Die Patientensicherheit ist ein zentrales Ziel in der Gesundheitsversorgung (Rodwin et al. 2020: 1; Zech et al. 2017: 333) und wird definiert als die „Abwesenheit unerwünschter Ereignisse“ (Schrappe 2018: 3). Neben den medizinischen Fähigkeiten und Kenntnissen hat sich erfolgreiche Kommunikation als ein zentraler Teil der Patientensicherheit bzw. zu ihrer Sicherung erwiesen, sowohl innerhalb des Mitarbeiterteams als auch zwischen den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und den Patientinnen und Patienten (Barlett et al. 2008: 1555-1562; Leonard et al. 2004: 85-90; Hickson et al. 1992: 1359-1363). Gestörte Kommunikation z.B. durch die Verwendung medizinischer Fachbegriffe, die Patienten sowie Angehörige nicht verstehen, oder Sprachbarrieren wie mangelnde Deutsch- oder andere Sprachkenntnisse können zu einem Informationsverlust und zu einer verminderten Patientensicherheit führen (Barlett et al. 2008: 1555-1562; Leonard et al. 2004: 85-90; Hickson et al. 1992: 1359-1363). Es gibt weitere Gründe für suboptimale Kommunikation und verschiedene Barrieren, die die Umsetzung erfolgreicher Kommunikation verhindern. Hierzu gehören beispielsweise unzureichende Informationsübermittlung, Arbeitsüberlastung, mangelnder gegenseitiger Respekt, ein ungenügendes Gefühl der Teamzugehörigkeit oder geringes Selbstvertrauen (Zegers et al. 2020). Auch zu wenige Fort- und Weiterbildungen wurden als Risikofaktoren identifiziert (Olde Bekkink et al. 2018: 262-270). Lyndon und Kollegen fassten in einem Review zusammen, dass erfolgreiche Kommunikation im Gesundheitswesen respektvoll, klar, direkt und explizit sein sollte (Lyndon et al. 2011: 94). Die konsequente Durchführung einer erfolgreichen Kommunikation erfordert intensives Zuhören, gute Unterstützung bei Verwaltungsaufgaben und gemeinschaftliches Engagement, um hinderliche Hierarchien und professionelle Stereotypen zu überwinden und damit die Patientensicherheit sicherzustellen.
>> Schlechte Kommunikation ist damit eine der Hauptursachen für durch Menschen verursachte Behandlungsfehler in Kliniken. Der Zusammenhang zwischen Arbeitsstress, Personalmangel und schlechter Kommunikation ist vielfach untersucht worden (Zech et al. 2017: 333-341). Um nun genauer zu ermitteln, wo aus Sicht der Patienten und Mitarbeiter in Deutschland Risiken für die Patientensicherheit liegen, sollen diese Aspekte im Zusammenhang mit Patientensicherheit genauer evaluiert werden (Lippke et al. 2019: 908). Ziel dieser Bedarfsanalyse (innerhalb des „TeamBaby“-Projekts) ist es, Erkenntnisse insbesondere für die Verbesserung der Arbeit von interdisziplinären Teams in der Geburtshilfe und mit Schwangeren bzw. Eltern von Neugeborenen zu gewinnen und die Patientensicherheit zu optimieren. Dabei sollte sich die Bedarfsanalyse nicht nur auf Geburtshilfe und Schwangere beziehen, sondern eine allgemeine Perspektive bieten, da die Patientensicherheit in allen Bereichen der Patientenversorgung von Bedeutung ist. Entsprechend sollten Faktoren, die in der subjektiven Wahrnehmung die Patientensicherheit gefährden können, ermittelt werden. Die Befragungen sollen auf die bekannten Risiken, die die Wahrscheinlichkeit vermeidbarer Fehler erhöhen, abzielen.
Beispiele für solche vermeidbaren Fehler in der Geburtshilfe sind unter anderem fehlerhafte Interpretationen des fetalen Monitorings (CTG), unklare Verfahren für eingetretene Notfallsituationen sowie verzögerte Entscheidungen für Kaiserschnitte und mangelnde Kommunikationskompetenzen innerhalb des multidisziplinären Geburtshilfeteams (Zech et al. 2017: 333-341). Diese Fehler oder Ereignisse können zusammen mit „Systemfehlern“ wie knapper Personalplanung, unzulängliche Geräteausstattung oder umständlichen Kommunikations- und Dokumentationswegen zu schwerwiegenden, negativen Outcomes, den sogenannten „vermeidbaren unerwünschten Ereignissen“ (VUEs) führen. Hierzu zählen z.B. ein hoher Blutverlust der Mutter oder Schädigungen des Kindes unter der Geburt (Forster et al. 2006: 1073-1083). VUEs sind jedoch häufig neu mühsam zu erfassen bzw. schwer von unerwünschten, jedoch nicht vermeidbaren Ereignissen abgrenzbar.
Daher werden z.B. in der Geburtshilfe sogenannte „Trigger“ als Proxies (Messindikatoren) eingesetzt, die sich leichter beobachten oder erfragen lassen. Konkret lassen sich folgende Trigger klassifizieren: klinische Faktoren (z.B. zu späte oder unstandardisierte Diagnostik), Faktoren der Kommunikation (Missverständnisse oder verloren gegangene Informationen) und administrative Faktoren (fehlendes Personal, aufgrund derer es zu Überlastung des vorhandenen Personals kommt) (Smits et al. 2019). Jedoch treten neben dem Bereich der Geburtshilfe VUEs zudem in vielen anderen Bereichen auf. In Deutschland erleiden im Schnitt 5-10% der Patienten im Rahmen ihres Krankenhausaufenthalts ein unerwünschtes Ereignis, wobei 2.4% dieser Ereignisse als ein vermeidbares unerwünschtes Ereignis klassifiziert werden können (Schrappe 2007: 516-521), welches einer jährlichen Prävalenz von 400.000 bis 800.000 Fällen von vermeidbaren unerwünschten Ereignissen entspricht (Schrappe 2018: 3). Häufig definierte Bereiche von vermeidbaren unerwünschten Ereignissen wurden in die folgenden Bereiche unterteilt: Diagnose und Behandlung, Organisation der Gesundheitsversorgung, menschliche Faktoren, Teamarbeit und effektive Kommunikation, die Rolle des Patienten und die (technische) Ausstattung in der Primärversorgung (de Vries et al. 2008: 1928-1937; Hassan 2018: 113-126; Rönnerhag et al. 2019: 585-593).
VUEs sowie Trigger lassen sich sowohl durch qualitative Methoden wie Beobachtungen oder Interviews als auch durch quantitative Methoden wie schriftliche Befragungen zu wahrgenommenen Situationen, in denen VUEs oder Trigger auftraten, explorieren (Elder et al. 2002: 927-932). In der Geburtshilfe können bspw. Systemprobleme (zu wenig Personal etc.) und Ereignisse an der Patientin selbst (Fieber etc.) unterschieden werden (Forster et al. 2006).
Damit ergeben sich die folgenden Forschungsfragen, die mit den Daten einer Onlinebefragung für jeweils Patientinnen und Patienten oder Mitarbeiter im Gesundheitswesen allgemein untersucht wurden:
1. Welche Trigger bzgl. vermeidbarer Unerwünschter Ereignisse (VUEs) werden von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie Patientinnen und Patienten als besonders häufig auftretend wahrgenommen?
2. Welche Variablen stehen im Zusammenhang mit der wahrgenommenen Gefährdung der Patientensicherheit?
a. Aus Sicht der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter: Sagen Versorgungsqualität, Mitarbeiterzufriedenheit und Kommunikation die wahrgenommene Gefährdung der Patientensicherheit vorher nach statistischer Kontrolle von Geschlecht, Alter und Berufserfahrung?
b. Aus Sicht der Patientinnen und Patienten: Sagen Patientenzufriedenheit und Kommunikation die wahrgenommene Gefährdung der Patientensicherheit vorher nach Kontrolle von Geschlecht, Alter und letztem Krankenhausaufenthalt?
Methodik
Es wurden zwei verschiedene Untersuchungen zu wahrgenommener Patientensicherheit und Versorgungsqualität durchgeführt. Die erste Untersuchung richtete sich an Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an deutschen Krankenhäusern. Die zweite Befragung wurde mit Patientinnen und Patienten durchgeführt. Patientinnen und Patienten wurden zudem an zwei Universitätskliniken rekrutiert. Die Befragungen für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bestand aus 4 Seiten und dauerte ca. 10 Minuten. Sie umfasste selbstkonstruierte Skalen zu wahrgenommenen Triggern zur Gefährdung der Patientensicherheit (32 Items) und zur allgemeinen Versorgungsqualität (12 Items), selbstberichteter Kommunikation (8 Items) sowie eine validierte Kurzskala zur Arbeitszufriedenheit (4 Items, Anderson et al. 2001: 233–377) und soziodemografische Variablen. Patientinnen und Patienten wurden mit einem 10-seitigen Fragebogen zur
wahrgenommenen Patientensicherheit und -zufriedenheit befragt. Neben den Fragen zu wahrgenommenen Triggern zur Gefährdung der Patientensicherheit (47 Items) und Patientenzufriedenheit (14 Items, adaptiert Version des PEQ, Gehrlach et al. 2009) wurde die wahrgenommene Kommunikation mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eines Krankenhauses (12 Items) und allgemeine psychologische Verfassung sowie soziodemografische Variablen erfasst. Um die allgemeine psychologische Verfassung zu erfassen, wurden depressive Symptome mit dem PHQ-9 (9 Items; Löwe et al. 2002: 5-7) erhoben, Angstsymptome mit dem GAD-7 (7 Items; Kroenke et al. 2007: 317-325) und wahrgenommener Stress mit dem PSS-4 erhoben (4 Items; Cohen et al. 1983: 385-396).
Soziodemografische Daten umfassten u.a. Geschlecht und Alter. Das kalendarische Alter wurde in beiden Befragungsgruppen mit Intervallabstufungen erfragt. Zudem wurden die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nach ihrer derzeitigen Berufsgruppe (Pflegende/r, Hebamme, Arzt/Ärztin, Sonstiges), nach Berufserfahrung sowie der Art des Krankenhauses (Öffentlich, Freigemeinnützlich, Privat) befragt. Patientinnen und Patienten hingegen wurden gebeten, neben ihrem Geschlecht und ihrem Alter Angaben zu Nationalität, Beziehungsstatus, ihrem höchsten erworbenen Ausbildungsabschluss und letzten Krankenhausaufenthalt (in Jahren) zu machen.
Die Befragung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus dem Gesundheitskontext erfolgte auf einer vier- bis sechsstufigen Likert-Skala (1 = trifft überhaupt nicht zu; 6 = trifft voll und ganz zu), bei der gefragt wurde, inwiefern Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eine bestimmte Beobachtung in einer typischen Woche machen. Die Befragung der Patientinnen und Patienten zu wahrgenommener Bedrohung der Patientensicherheit (Triggern) und zur Patientenzufriedenheit sowie die wahrgenommene Kommunikation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Patientinnen und Patienten wurden auf einer vierstufigen Likert-Skala erfragt (1 = trifft überhaupt nicht zu; 4 = trifft voll und ganz zu); die Erhebungen der allgemeinen psychologischen Verfassung auf vierstufigen Likert-Skalen (PHQ-9 und GAD-7; 1 = Beinahe jeden Tag; 4 = Überhaupt nicht) und auf fünfstufigen Likert-Skalen (PSS-4; 1 = Immer; 5 = Nie). Die Befragung war querschnittlich und erfolgte vollkommen anonym.
Alle Berechnungen wurden mit dem Statistikprogramm IBM SPSS Version 26 durchgeführt. Es wurden Mittelwerte zu Erfahrungen und Beobachtungen, die zu vermeidbaren unerwünschten Ereignissen (Wahrnehmung der Patientensicherheit) führen können, berechnet. Für beide Gruppen wurden Multiple Regressionen berechnet, um den Zusammenhang verschiedener Prädiktoren und Kontrollvariablen (Alter, Geschlecht und Berufserfahrung bzw. Zeit seit dem letzten Krankenhausaufenthalt) mit der Wahrnehmung von Triggern zur Gefährdung der Patientensicherheit zu bestimmen.
Ergebnisse
Demografische Angaben
Insgesamt nahmen N = 160 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus dem Gesundheitskontext sowie N = 225 Patientinnen und Patienten teil (s. Tab. 1). Von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern waren 102 Personen weiblich (63.8%), 39 männlich (24.4%) und 1 divers (0.6%). Hinsichtlich der Patientinnen und Patienten waren 156 Personen weiblich (76.4%) und 48 Personen männlich (23.5%). Details der Stichprobe sind der Tabelle 1 zu entnehmen.
Wahrnehmung gefährdeter Patientensicherheit
Die 10 berichteten Trigger für Gefährdungen der Patientensicherheit aus Mitarbeitersicht, die die Patientensicherheit am häufigsten beeinträchtigen können, werden in Abbildung 1 dargestellt.
Aus Sicht der befragten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (Abb. 1) war der häufigste Grund für Vermeidbare Unerwünschte Ereignisse, dass in einer typischen Woche zu wenig Personal zur Verfügung stand (M = 4.74, SD = 1.3). An zweiter Stelle folgte, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sich gestresst fühlten (M = 4.49, SD = 1.16) und emotional belastet waren (M = 4.04, SD = 1.27). Weiterhin war das häufige Führen von Gesprächen „zwischen Tür und Angel“ ein häufiger Trigger (M = 4.3, SD = 1.27), gefolgt davon, dass Sprachbarrieren auf Seiten der Patientinnen und Patienten dazu führen, dass Informationen schlecht vermittelt und verstanden werden können (M = 3.89, SD = 1.34). Zudem wurde die Verwendung von Fachbegriffen als häufiger erschwerender Faktor in der Informationsvermittlung angesehen (M = 3.76, SD = 1.3). Auch unter den Kollegen schien die Kommunikation nicht perfekt zu funktionieren: Vergessene Weitergabe wichtiger Informationen (M = 3.55, SD = 1.17) und Konflikte (M = 3.76, SD = 1.28) wurden ebenfalls als überdurchschnittlich häufig genannt (Abb. 1). Andere Trigger wie der Eindruck, dass Patientinnen und Patienten eher wie „Nummern“ behandelt (M = 2.57, SD = 1.43) oder sogar verwechselt (M = 2.1, SD = 1.08) wurden, wurden im Vergleich als eher untypisch eingeschätzt, ebenso wie Medikationsfehler (M = 2.19, SD = 1.05) oder falsch gestellte Diagnosen (M = 2.38, SD = 1.0).
Die zehn häufigsten Trigger, die aus der Beobachtung oder Erfahrung der Patientinnen und Patienten die Patientensicherheit beeinträchtigen oder gefährden können, werden in Abbildung 2 dargestellt.
Aus Patientensicht (Abb. 2) wurde am häufigsten als Grund für Vermeidbare Unerwünschte Ereignisse beobachtet, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sehr gestresst wirkten (M = 3.25, SD = 0.77), gefolgt von wenig anwesendem Personal für Patientinnen und Patienten (M = 3.08, SD = 0.91). An dritter Stelle stand, dass Patientinnen und Patienten häufig lange warten mussten (M = 2.89, SD = 0.92); an vierter, dass es viele Verzögerungen in den Abläufen gab (M = 2,80, SD = 0.84) und an fünfter, dass Gespräche zwischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und den Patientinnen und Patienten zwischen „Tür und Angel“ geführt wurden (M = 2.66, SD = 0.98). Auch wurde berichtet, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter emotional belastet schienen (M = 2.61, SD = 0.91), sich nicht ausreichend Zeit für Patientinnen und Patienten nahmen (M = 2.55, SD = 0.91) und teils schlecht über die Patientinnen und Patienten mit Hinblick auf Symptomgeschehen, Diagnostik und Behandlungsanweisungen informiert waren (M = 2.51, SD = 0.87). Zudem wurde genannt, dass Abläufe in Rahmen der Patientenversorgung nicht immer reibungslos funktionierten (M = 2.47, SD = 0.86) und es teils Konflikte unter den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gab (M = 2.35, SD = 0.94) (Abb. 2).
Gründe, die aus Patientensicht weniger beobachtet oder erfahren werden konnten, sind Medikationsfehler (falsches Medikament: M = 1.45, SD = 0.82; falsche Dosierung: M = 1.47, SD = 0.84; falscher Patient: M = 1.48, SD = 0.76). Weitere Gründe, die von Patientinnen und Patienten weniger erfahren oder beobachtet werden konnten, bezogen sich auf Untersuchungen und Behandlungen, wie zum Beispiel fehlende Gerätschaften in Untersuchungsräumen (M = 1.64, SD = 0.82) oder die Durchführung unnötiger Eingriffe oder Behandlungen (M = 1,74, SD = 0.82).
Zusammenhang von Triggern zur Gefährdung der Patientensicherheit mit Versorgungsqualität und Arbeitszufriedenheit
In der multiplen Regression zeigte sich ein signifikanter Zusammenhang von Versorgungsqualität (b = -.369, p < .001), Mitarbeiterzufriedenheit (b = -.330, p = .002) und Kommunikation (b = .226, p = .01) mit den Triggern zur Gefährdung der Patientensicherheit (s. Tab. 2).
Je höher die wahrgenommene Qualität der Versorgung und je höher die Zufriedenheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, desto weniger Trigger wurden wahrgenommen. Berichteten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hingegen, dass sie erfolgreich kommunizierten, nahmen sie auch mehr Gefährdungen der Patientensicherheit wahr. Die aufgenommenen Kovariaten (Geschlecht, Alter und Berufserfahrung) zeigten keine signifikanten Zusammenhänge zur Gefährdung der Patientensicherheit (s. Tab. 2).
Zusammenhang von Triggern zur Gefährdung der Patientensicherheit, Patientenzufriedenheit und wahrgenommener Kommunikation
Die Ergebnisse der multiplen Regressionen zeigten einen signifikanten Zusammenhang von Patientenzufriedenheit (b = -.614, p < .001) und wahrgenommener Kommunikation (b = -.198, p = .006) sowie den wahrgenommenen Triggern zur Gefährdung der Patientensicherheit.
Je höher die wahrgenommene Patientenzufriedenheit und je besser die wahrgenommene Kommunikation mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, desto geringer wurde die Gefährdung der Patientensicherheit wahrgenommen. Die mit in der multiplen Regression aufgenommenen Kovariaten (Geschlecht, Alter und letzter Krankenhausaufenthalt) zeigten keine signifikanten Zusammenhänge mit der wahrgenommenen Gefährdung der Patientensicherheit (s. Tab. 3).
Diskussion
Ziel dieser Untersuchung war die Erhebung von Faktoren, die in der subjektiven Wahrnehmung der Patienten selbst sowie der Mitarbeiter im Gesundheitswesen die Patientensicherheit gefährden können. Die Befragungen fokussierten sich auf bekannte Trigger, die die Wahrscheinlichkeit vermeidbarer Ereignisse erhöhen. Die Studienergebnisse passen sich ein in die Erkenntnisse anderer Forschungen, die den Zusammenhang zwischen belastenden Arbeitsanforderungen und schlechterer Versorgungsqualität national und international aus Beschäftigtensicht (Krämer et al. 2016: 824–829) und aus Patientensicht erhoben haben (Aiken et al. 2012: 4; Robert-Koch-Institut 2019 48-50). Der Mehrwert dieser Arbeit liegt in dem direkten Vergleich der Sichtweisen beider Zielgruppen und in der Konzentration auf die Patientensicherheit.
Die Antworten beider Zielgruppen weisen darauf hin, dass die Hauptursachen von Patientengefährdung auf eine quantitative Arbeitsüberlastung zurückgeführt werden kann. Dies zeigt sich an der Nennung von Stress, Gesprächen „zwischen Tür und Angel“ und Personalmangel, die sowohl bei Mitarbeitenden als auch bei Patienten zu den ersten fünf genannten Triggern gehören. Dass Personalmangel nicht nur eine subjektive Gefährdung darstellt, zeigten Aiken und Kollegen (2014: 1828), die einen Zusammenhang zwischen Personalschlüssel und Infektionen bzw. Patientenmortalität nachwiesen.
Daneben nennen Mitarbeitende als weitere häufige Trigger emotionalen Stress und Sprachbarrieren gegenüber den Patientinnen und Patienten. Diese wiederum beobachten häufig ineffektive Betriebsabläufe (Verzögerungen, lange Wartezeiten, ungenügender Informationsfluss) und nehmen auch Konflikte und Kommunikationsprobleme mit und zwischen den Klinikmitarbeitenden wahr.
Kommunikationsprobleme gelten als hauptursächlich für durch Menschen ausgelöste Behandlungsfehler in Kliniken. Der Zusammenhang zwischen Arbeitsstress, Personalmangel und schlechter Kommunikation ist hinlänglich diskutiert (vgl. z.B. Barlett et al. 2008: 1555-62; Khamisa et al. 2016: 538– 545). Eine Veränderung im Klinikalltag ist nicht erkennbar. Diese ist auch auf äußere Faktoren wie die Finanzierung durch Fallpauschalen der deutschen Krankenhäuser zurückzuführen, die den Anreiz hat, möglichst viele Patientinnen und Patienten mit möglichst geringen Kosten zu behandeln. Im Vergleich hat Deutschland deutlich mehr Krankenhausbetten als andere EU-Länder, jedoch eine sehr viel ungünstigere Mitarbeiter-Patientenrelation (Klauber et al. 2017: 152).
Auch innerhalb der bekannten äußeren Bedingungen ist eine Verbesserung der Kommunikation möglich. Ein Hinweis auf die für eine Gewährleistung der Patientensicherheit notwendigen, jedoch häufig fehlenden professionellen Ressourcen ergibt sich aus einem auf den ersten Blick scheinbaren Widerspruch der Assoziation von geringer Arbeitszufriedenheit und geringer Versorgungsqualität, aber positiver Einschätzung der eigenen Kommunikationsfähigkeiten mit wahrgenommener Patientengefährdung. Dies ist gegensätzlich zur Wahrnehmung der Patientinnen und Patienten – hier sagte die Qualität der Kommunikation eine geringe Gefährdung der Patientinnen und Patienten vorher. Möglicherweise ist – analog zur Überschätzung der Patientensicherheit bei Berufsanfängern (Welp et al. 2015: 1573) – vielen Mitarbeitenden die Komplexität von Kommunikation gar nicht bewusst. Erst bei Befassung mit dem Thema „Kommunikation“ und seiner Relevanz für Patientensicherheit werden die mit schlechter Kommunikation verbundenen Behandlungsrisiken wahrgenommen. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit einer solchen Einschätzung der Kommunikation bewerten höchstwahrscheinlich die Versorgungsqualität ebenfalls eher als unzureichend und sind demzufolge eher unzufrieden mit ihrer Arbeitssituation.
Das Trainieren von sicherer Kommunikation kann gerade unter den gegebenen Arbeitsbedingungen sowohl zu einer besseren interprofessionellen Verständigung einer stärkeren sozialen Unterstützung und damit einem höheren Zusammenhalt sowie einem verbesserten Arbeitsklima beitragen, als auch zur Optimierung der Kommunikation
mit den Patientinnen und Patienten. Aus der Notfallversorgung sind Kommunikationstechniken bekannt, die in zeitkritischen Situationen unter hoher Anspannung die Abläufe optimieren können (Rall/Lacker 2010: 349-356). Daher ist weitere Forschung notwendig, die die spezifischen interpersonellen Abläufe adressiert und alle Akteure in sicherer Kommunikation schult und die Effekte systematisch evaluiert. Dazu gehört auch die Einführung einer Fehlerkultur und das Erlernen einer hierarchie-unabhängigen Einspruchskultur. Für den Bereich der Geburtshilfe wird dies im laufenden Forschungsprojekt „TeamBaby“ umgesetzt. Die Ergebnisse werden aufzeigen, in welcher Weise die Schulungen in andere Disziplinen übertragen werden können.
Besonders durch die aktuelle Covid-19-Pandemie gewinnt das Verständnis der Patientensicherheit zunehmend Bedeutung und Aktualität: Um die Patientensicherheit in Krankenhäusern zu gewährleisten, wurden Maßnahmen wie räumliche und personelle Trennungen in Covid und nicht Covid-Bereiche vorgenommen (Singh et al. 2020: 595–601). Obendrein müssen umfangreiche Hygiene- und Abstandsregeln eingehalten werden. Dies hat oftmals zur Folge, dass aus Sicht der Patienten weniger Personal zur Verfügung steht sowie der Zeitrahmen für die Behandlung und Pflege limitiert wird. Ebenso wurden durch angeordnete Änderungen der Besuchsregeln versucht, das Infektionsrisiko zu minimieren. Jedoch spielt auch in der erfolgreichen Genesung von Patienten soziale Unterstützung eine große Rolle, die durch die geänderten Besuchsregelungen nur eingeschränkt realisierbar oder vollständig unmöglich werden (van Kessel 2013: 122-127). Darüber hinaus wurde in der bisherigen Literatur zum Thema Patientensicherheit gezeigt, dass Angehörige oder Begleitpersonen den Informationsfluss zwischen Patient und Behandler positiv in Bezug auf Diagnostik-, Behandlungs- und Genesungsprozesse begünstigen. Hier wird zukünftige Literatur zeigen müssen, welche Auswirkungen die fehlende Einbindung bzw. das Verbot zur aktiven Einbindung von Begleitpersonen oder Angehörigen durch behördliche Regelungen auf den Behandlungs- und Genesungsprozess hat und ebenso auf die Angehörigen und Begleitpersonen hat. Zukünftige Forschung sollte ein besonderes Augenmerk auf ältere Patienten und Patientinnen sowie Betroffene mit einer geringen Gesundheitskompetenz (Health Literacy) oder andere Benachteiligungsfaktoren richten, die es wahrscheinlich besonders zu unterstützen gilt. Möglicherweise gibt es hier digitale Lösungen, die für einige Gruppen schon eine Unterstützung und Abpufferung der Einschränkungen darstellen kann.
Limitationen
Die vorliegende Studie erhebt keinen Anspruch auf Repräsentativität. Da es sich um eine allgemeine Befragung handelt, liegen keine Kenntnisse über den Gesundheitsstatus der Patientinnen und Patienten bzw. über Fachdisziplin der Mitarbeitenden, Versorgungslevel der Klinik und regionale Verteilung vor. Erhoben wurde die wahrgenommene Gefährdung von Patientensicherheit, Informationen über tatsächliche VUEs liegen somit nicht vor. Weiterhin ist eine Überhöhung der eigenen Kommunikationskompetenzen, bedingt durch eine Beantwortung der Fragen im Sinne der sozialen Erwünschtheit, nicht auszuschließen.
Rückschlüsse auf ursächliche Zusammenhänge sind nicht möglich. Diese Studie versteht sich jedoch als eine Vorerhebung zur Erfassung des derzeitigen Status Quo in Deutschland, auf deren Grundlage im Rahmen des „TeamBaby“-Projektes tiefergehende Daten zu Kommunikation und VUEs erhoben sowie nachhaltige Interventionen zu Verbesserung der Kommunikation durchgeführt werden. Entsprechend ist es wichtig, weitere Versorgungsforschung anzuschließen, insbesondere um die Besonderheiten im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie besser verstehen und die Patientensicherheit optimieren zu können. <<