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Ambulante Operationen: Der Patient steht im Mittelpunkt

Erstveröffentlichungsdatum: 23.09.2012

Abstrakt: Ambulante Operationen: Der Patient steht im Mittelpunkt

Die Qualitätsmaßnahme „Ambulante Operationen“ der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns (KVB) untersucht die Versorgungsqualität ausgewählter ambulanter Operationen anhand der Qualitätsindikatoren Patientenzufriedenheit und postoperativer Patientenverlauf. Der Aspekt der Patientenzufriedenheit wurde mit einer kombinierten Arzt- und Patientenbefragung des Instituts für Qualitätssicherungssysteme medicaltex untersucht. Der postoperative Patientenverlauf wurde anhand ambulanter und stationärer Abrechnungsdaten analysiert. Die Ergebnisse deuten auf eine hohe Prozess- und Ergebnisqualität der ausgewählten ambulanten Operationen hin. Des Weiteren scheint die Kombination der genannten beiden untersuchten Aspekte eine sinnvolle und ganzheitliche Vorgehensweise zur Schaffung von Transparenz hinsichtlich der Versorgungsqualität ambulanter Operationen.

Abstract: Ambulatory surgeries – the patient in focus

The quality assurance programme „ambulatory surgery“ of the Bavarian Association of Compulsory Health Insurance Physicians (KVB) investigates the quality of medical care for selected ambulatory surgeries by means of the quality indicators patient satisfaction and postoperative patient progress. Patient satisfaction was evaluated by means of a combined questionnaire for the surgeon, the anaesthesist and the patient developed by the Institute for Quality Systems medicaltex. Postoperative patient progress was investigated with the help of outpatient and inpatient billing data. The results showed high process and outcome quality for the four exemplarily selected ambulatory surgeries. Further, the combination of the two described aspects seems to be a reasonable and holistic approach for the creation of transparency in respect to the quality of ambulatory surgeries.

Literatur

Neugebauer, B./ Porst, R. (2001): Patientenzufriedenheit. Ein Literaturbericht, ZUMA-Methodenbericht Nr. 7/2001. Oberender et al (2010): Ökon. Betrachtung des ambulanten Operierens, 2010. Qualitätsmaßnahme Ambulante Operationen – Ergebnisse zur Patientenzufriedenheit und zum postoperativen Patientenverlauf bei ambulanten Operationen; Eine Studie der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns (KVB) in Kooperation mit dem Bundesverband Ambulantes Operieren e.V. (BAO) und der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU), 2010. Toftgard, C./ Parmentier, G. (2006): International Terminology in Ambulatory Surgery and its Worldwide Practice, in: Day Surgery – Development and Practice. International Association for Ambulatory Surgery 2006.

Zusätzliches

Plain-Text

Ambulante Operationen: Der Patient steht im Mittelpunkt

Ein großer Teil der am häufigsten durchgeführten vollstationären Operationen in Deutschland kann ohne Nachteile für den Patienten ambulant durchgeführt werden. Vorteile würden dabei für den Patienten, den Arzt und für die Kostenträger entstehen. Der Patient würde von einem vollständigen Behandlungsverlauf beim gleichen Arzt seines Vertrauens, von kürzeren Ausfallzeiten und von einer Genesung zu Hause profitieren. Der Arzt könnte sich auf bestimmte ambulante Operationen spezialisieren und sich somit Wettbewerbsvorteile verschaffen. Die Krankenkassen hätten die Möglichkeit, Kosteneinsparungen zu erzielen, da ambulante Operationen wesentlich günstiger als Operationen im stationären Bereich sind. So entstehen für eine gesetzliche Krankenkasse beispielsweise für eine stationär durchgeführte Leistenhernien-Operation Kosten von circa 2.252 Euro, ambulant durchgeführt kostet die gleiche Operation weniger als die Hälfte (etwa 1.069 Euro). Die Kosten für eine Katarakt-Operation betragen stationär etwa 1.458 Euro, ambulant nur etwa 903 Euro. Eine Studie von Oberender und Partner aus dem Jahr 2010 zeigt Einsparungspotenziale im Bereich ambulanter Operationen von 25 Mio. bis zu 515 Mio. Euro in Deutschland auf. Kosteneinsparungen dieser Größenordnung sollten gerade bei der derzeitigen dramatischen Finanzlage der Krankenkassen von der Politik berücksichtigt werden.

>> Trotz dieser klaren Vorteile ist die Quote ambulanter Operationen in Deutschland im internationalen Vergleich verhältnismäßig niedrig. Bezogen auf alle Operationen liegt sie mit einem Anteil von 37% weit unter dem internationalen Durchschnitt (siehe Abb. 1). Industrieländer wie Kanada (87%), Dänemark, Schweden und Norwegen (55%, 50% bzw. 48%) sowie Australien (41%) und Schottland (39%) weisen weit höhere Anteile ambulanter Operationen auf. Mögliche Faktoren hierfür könnten eine mangelnde Information der Patienten und mangelnde Transparenz über die Qualität der ambulant angebotenen Leistungen sein.
Die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns (KVB) hat deshalb in Kooperation mit der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) sowie dem Bundesverband für Ambulantes Operieren e.V. (BAO) eine wissenschaftliche Evaluation zur Prozess- und Ergebnisqualität ausgewählter ambulanter Operationen erstellt. Ziel des Vorhabens war, Transparenz bezüglich der Versorgungsqualität ambulanter Operationen sowie eine aussagekräftige Datenbasis für weitere Projekte zu schaffen. Dabei wurden zwei Themenblöcke analysiert: die Patientenzufriedenheit und der postoperative Patientenverlauf.
Methodenbeschreibung Patientenzufriedenheit
Die Untersuchung der Patientenzufriedenheit stützte sich auf das Qualitätssicherungs­instrument AQS1 des Instituts für Qualitätssicherungssysteme medicaltex und wurde für vier ausgewählte ambulante Operationen im Rahmen einer Pilotstudie durchgeführt:
• Verschluss einer Hernia inguinalis (Leistenhernie)
• Submuköse Resektion und plastische Rekonstruktion des Nasenseptums (Nasenseptum)
• Exzision und Destruktion von erkranktem Gewebe des Uterus (Myom an der Gebärmutter)
• Arthroskopische Refixation und Plastik am Kapselbandapparat des Schultergelenks (Schultergelenk)

Diese ambulanten Operationen wurden mit einem Fachexpertenteam anhand folgender Kriterien ausgewählt:
• die Leistungen fallen unter so genannte stationsersetzende Leistungen der Kategorie 2 Leistungen gemäß dem Katalog ambulant durchführbarer Operationen nach §115b SGB V
• die Leistungen weisen gegenüber dem stationären Bereich hohe Einsparungen auf
• die Leistungen sollten durch möglichst viele Fachgruppen erbracht werden können

Im Mittelpunkt des Qualitätssicherungsinstruments AQS1 stand eine Patientenbefragung, bei der Patienten freiwillig die Prozesse in der Praxis sowie aufgetretene postoperative Komplikationen bewerten. Viele in der Literatur erwähnte Dimensionen der Patientenzufriedenheit (Neugebauer/Porst 2001) wurden auch in diesem Patientenfragebogen abgefragt, so zum Beispiel die Bewertung der ärztlichen Betreuung, die Höflichkeit der den Patienten umgebenden Personen, die Ablauforganisation und Verwaltung, die Bewertung der Information und Aufklärung sowie die Gesamtzufriedenheit.
Die Pilotstudie wurde im Zeitraum 01.07.2008 bis 31.12.2008 durchgeführt. Teilnahmeberechtigt waren alle ambulanten Operateure in Bayern, die eine oder mehrere der vier ausgewählten ambulanten Operationen durchführten. Die ärztliche Teilnahmequote, also der Anteil der teilnehmenden Ärzte an den potenziell teilnehmenden Ärzten, lag bei 45,3%.
Der Patientenfragebogen wurde dem Patienten inklusive eines adressierten Freiumschlages mit der Bitte ausgehändigt, ihn innerhalb der ersten zwei Wochen postoperativ auszufüllen und im beiliegenden Freiumschlag direkt an medicaltex zu schicken. Zusätzlich dokumentierten der Anästhesist und der Operateur ihre intraoperative und unmittelbare postoperative Leistung auf dem Arztfragebogen.
Patientenzufriedenheit
Im Untersuchungszeitraum wurden 1.910 Patienten zu den vier ausgewählten ambulanten Operationen befragt. Das durchschnittliche Alter lag bei 46,9 Jahren; von den 1.910 Patienten waren 1.073 Patienten männlich und 834 weiblich. Die Rücklaufquote der Patientenfragebögen lag bei 43,1%.

Gesamtzufriedenheit mit der ambulanten Operation:
Insgesamt haben 97,5% der Patienten den Eingriff als „sehr gut“ oder „gut“ bewertet. Die Gesamtbewertung des Eingriffs erhielt eine Note von 1,4 bei einer Skala von 1 (sehr gut) bis 5 (sehr schlecht).

Befragt nach der Aufklärung durch den Operateur, gaben 90,8% der Patienten an, dass sie die Aufklärung über Risiken sowie Vorteile durch den operativen Eingriff „sehr gut“ oder „gut“ fanden. Auch konnte nach Angaben der Patienten bei 88,9% der Patienten die Angst vor der Anästhesie „sehr gut“ oder „gut“ durch den Anästhesisten zerstreut werden. Des Weiteren bewerteten 87,7% der Patienten die Information über die weitere Behandlung nach der Operation mit „sehr gut“ oder „gut“ (Abb. 2 und 3).
Beim Themenblock Praxisausstattung und Service (siehe Abbildung 4) bewerteten 93,9% der Patienten die Organisation und Terminplanung, 95,3% die Ausstattung der Praxis und 97,2% die Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft von Praxis und Praxisteam mit „sehr gut“ oder „gut“.
95,5% der Patienten, 93,5% der Patienten über 65 Jahren und 95,5% der alleinstehenden Patienten würden sich – falls notwendig – erneut einer ambulanten Operation unterziehen. Somit gibt es keine bedeutenden Unterschiede in der Bereitschaft zu einer erneuten ambulanten Operation in Abhängigkeit davon, ob der Patient alleinstehend oder älter als 65 Jahre ist oder nicht.
Beschwerden/postoperative unerwünschte Ereignisse:
Neben der Gesamtzufriedenheit wurden mit Hilfe der Arzt- und Patientenfragebögen mögliche unerwünschte Ereignisse während der Operation, Beschwerden im Aufwachraum sowie Beschwerden zu Hause erfasst.
Bei den dokumentierten ambulanten Operationen traten wenig intraoperative unerwünschte Ereignisse auf. Wie in Tabelle 1 ersichtlich, musste eine Erweiterung der geplanten Operation in 1,0% der Fälle durchgeführt werden; bei 0,9% der ambulanten Operationen trat eine Blutung auf. Nervenläsionen, technisch/instrumentelle Komplikationen, sonstige Komplikationen oder ein Abbruch der OP traten in jeweils 0,2% der ambulanten Operationen auf.
Die drei häufigsten festgestellten Beschwerden im Aufwachraum waren Herz-Kreislauf-Beschwerden bei 6,4% der dokumentierten ambulanten Operationen, Beschwerden des Respirationstraktes (2,3%) und technische Probleme (2,2%). Diese Beschwerden im Aufwachraum umfassen nur den Schweregrad 1 bis 2 und werden somit als nicht schwerwiegend eingestuft (Tab. 2).
Des Weiteren bewerteten die Patienten auch die zu Hause eventuell aufgetretenen Beschwerden auf einer 11-stufigen Skala (siehe Abbildung 5). Der Großteil (durchschnittlich 81,2%) der möglichen Beschwerden wurde dabei mit der Bezeichnung „überhaupt nicht“ bis „wenig“ bewertet. „Mittel“ bis „unerträglich“ waren zu 13,9% die Wundschmerzen bis zum 3. Tag nach der OP, Schlafprobleme (9,1%) Kreislaufprobleme (7,7%) sowie Wundschmerzen nach dem 3. Tag nach der OP (7,6%).
Versorgung zu Hause:
Ein weiterer für den Patienten wichtiger Aspekt ist die ausreichende Versorgung zu Hause. Hier ist nicht nur die Betreuung zu Hause zu verstehen, sondern auch die Versorgung mit Medikamenten oder die Möglichkeit, den Arzt anzurufen. Die Ergebnisse zeigen, dass 94,9% der befragten Patienten zu Hause nach der Operation das Gefühl hatten, dass ihr Operateur/Anästhesiearzt jederzeit für sie erreichbar war. 94,9% der Patienten insgesamt und 93,9% der Patienten über 65 Jahre gaben an, dass sie das Gefühl hatten, zu Hause ausreichend betreut zu werden. Insbesondere fühlten sich 97,5% der Patienten am OP-Tag und 96,9% der Patienten zu Hause ausreichend mit Medikamenten versorgt.
Postoperativer Patientenverlauf
Schätzungen der Beschwerde- bzw. Komplikationshäufigkeit, die auf Patientenangaben beruhen, können zu einer Unterschätzung von Beschwerden bzw. der Häufigkeit von Komplikationen führen. Dies kann darauf zurückgeführt werden, dass die Bereitschaft zur Teilnahme an der freiwilligen Befragung durch das Auftreten von starken Beschwerden und Komplikationen negativ beeinflusst wird. Deshalb wurden neben der Patientenzufriedenheit stationäre und ambulante Abrechnungsdaten untersucht, um mögliche postoperative unerwünschte Ereignisse zu eruieren und Angaben der Patienten zu Beschwerden zu validieren.
Methodenbeschreibung postoperativer Patientenverlauf:
Bei der Analyse des postoperativen Patientenverlaufes wurde die Kohorte jener Patienten berücksichtigt, an denen im Zeitraum 2008/03 und 2008/04 eine der ausgewählten ambulanten Operationen durchgeführt wurde. Zusätzlich wurden Daten aus den Quartalen 2007/03 und 2007/04 als Kontrollgruppe herangezogen. Für die Analyse konnten erstmals stationäre und ambulante Abrechnungsdaten zusammengeführt werden. Daten des stationären Bereichs wurden von den teilnehmenden Krankenkassen (AOK Bayern, Vereinigte IKK, BKK Audi, BKK Faber Castell, SBK, BKK mobil oil, mhplus BKK) zur Verfügung gestellt.
Für die Analyse der postoperativ durchgeführten Behandlungen wurde ein Team von Fachexperten gegründet. Die Fachexperten (Dr. med. Winfried Goertzen, Dr. med. Axel Neumann und Dr. med. Ulrich Schwiersch) sind ambulante Operateure aus den betroffenen Fachgebieten Allgemeinchirurgie, HNO-Heilkunde und Gynäkologie und führen die entsprechenden ausgewählten ambulanten Operationen regelmäßig durch. Die Fachexperten haben bei den ambulanten Daten jene Behandlungen analysiert, die 72 Stunden nach der ambulanten Operation durchgeführt wurden. Hier wurde zum einen berücksichtigt, dass die meisten operationsbedingten Komplikationen 72 Stunden nach einem Eingriff auftreten und zum anderen konnten durch den gewählten Zeitraum Ungenauigkeiten bei der Zuordnung von unerwünschten Ereignissen auf Basis der Gebührenordnungsposition (GOPs) eingeschränkt werden.
Bei den stationären Daten hat das Fachexpertenteam jene Behandlungen untersucht, die 30 Tage nach der ambulanten Operation angefallen sind. Der Beobachtungszeitraum konnte hier deshalb verlängert werden, weil die taggenau erfassbaren ICD-10-Diagnosen genauen Aufschluss über die jeweilige Behandlung geben können. Aufgabe der Fachexpertenanalyse war es, jene Leistungen zu identifizieren, die auf ein postoperatives unerwünschtes Ereignis hindeuteten.
Ergebnisse postoperativer Patientenverlauf:
Die Ergebnisse zeigen geringe postoperative unerwünschte Ereignisse im stationären und im ambulanten Bereich auf. So trat im Durchschnitt in 5,9% der Fälle ein postoperatives unerwünschtes Ereignis auf, das 72 Stunden nach der ambulanten Operation zu einer ambulanten Behandlung geführt hat. Behandlungen, die im stationären Bereich in Zusammenhang mit einem unerwünschten Ereignis 30 Tage nach der ambulanten Operation stehen, waren in durchschnittlich 1,1% der Fälle notwendig. Abbildung 6 zeigt hierzu die relativen Häufigkeiten getrennt für die betrachteten ambulanten Operationen.
Fazit
In diesem Beitrag wurde die Patientenzufriedenheit und der postoperative Patientenverlauf bei ausgewählten ambulanten Operationen analysiert, wobei zum einen eine kombinierte Arzt- und Patientenbefragung zur Ermittlung der Behandlungsqualität und Patientenzufriedenheit durchgeführt und zum anderen ambulante und stationäre Abrechnungsdaten zusammengeführt und untersucht wurden.
Mit Hilfe von Patientenangaben wurde die Patientenzufriedenheit ohne unmittelbare Mitwirkung der Leistungserbringer gemessen. Eine Veröffentlichung der Ergebnisse – zum Beispiel mittels quartalsweise erstellten Auswertungsberichten für die teilnehmenden Ärzte – führt zu konstruktiven Diskussionen in der Praxis und Qualitätsverbesserungen im Rahmen des internen Qualitätsmanagements. Allerdings können Schätzungen, die auf Patientenangaben beruhen, zu einer Unterschätzung der Beschwerde- bzw. Komplikationshäufigkeit führen. Dies wäre der Fall, falls die Teilnahme an der Befragung durch das Auftreten von Beschwerden und Komplikationen negativ beeinflusst wäre. Bei der Untersuchung von Abrechnungsdaten müssen hingegen mögliche Datenprobleme berücksichtigt werden, insbesondere Ungenauigkeiten bei der Zuordnung von unerwünschten Ereignissen auf Basis von Gebührenordnungspositionen. Hier wäre – soweit möglich – eine prospektive Änderung der Datenstruktur wünschenswert.
Deshalb erscheint die Kombination beider Aspekte eine sinnvolle und ganzheitliche Herangehensweise zur Schaffung von Transparenz hinsichtlich der Versorgungsqualität ambulanter Operationen. Die Ergebnisse deuten auf eine hohe Prozess- und Ergebnisqualität ambulanter Operationen hin. <<