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Herausforderung für Versorgungsforschung: Direktverträge in der GKV

Direktverträge haben als Rabattverträge bei Arzneimitteln ihren Anfang genommen. Inzwischen zeichnet sich jedoch ab, dass sie über die Haus- und Facharztverträge immer weitere Bereiche des Versorgungsgeschehens erfassen. Profitieren sollen von diesen Verträgen alle: Kassen haben besseren Einfluss auf die Leistung, Leistungserbringer erhalten eine bessere Vergütung und Patienten eine bessere Versorgung. Mehr kosten soll es aber auch nicht. Ob dies gelingt, kann nur mit Mitteln der Versorgungsforschung gezeigt werden. Zudem ist zu beachten, dass durch Direktverträge keine Schlechterstellung im Vergleich zur Regelversorgung stattfinden darf. Diese in der bisherigen Diskussion wenig beachtete Vorgabe ist eine Steilvorlage für die Versorgungsforschung.

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Erstveröffentlichungsdatum: 01.06.2009

Abstrakt: Herausforderung für Versorgungsforschung: Direktverträge in der GKV

Direktverträge haben als Rabattverträge bei Arzneimitteln ihren Anfang genommen. Inzwischen zeichnet sich jedoch ab, dass sie über die Haus- und Facharztverträge immer weitere Bereiche des Versorgungsgeschehens erfassen. Profitieren sollen von diesen Verträgen alle: Kassen haben besseren Einfluss auf die Leistung, Leistungserbringer erhalten eine bessere Vergütung und Patienten eine bessere Versorgung. Mehr kosten soll es aber auch nicht. Ob dies gelingt, kann nur mit Mitteln der Versorgungsforschung gezeigt werden. Zudem ist zu beachten, dass durch Direktverträge keine Schlechterstellung im Vergleich zur Regelversorgung stattfinden darf. Diese in der bisherigen Diskussion wenig beachtete Vorgabe ist eine Steilvorlage für die Versorgungsforschung.

Abstract: Direct contracts: new challenge for health service research

Direct contracts started with pharmaceuticals. Now sectors of health care are involved, too. This is especially true for the outpatient sector. Everyone is expected to benefit from these contracts: sickness funds increase there influence over medical care, doctors increase their financials and patients get better treatment - and all this will be reached at lower cost. Health services research has to show if these multiple objectives will reached. Moreover it should be noted that direct contracts are obliged by law not to reduce the level of care offered to patients. These aspects are neglected in the public discussion so far. Health services research has to claim its’ position in the current discussion.

Literatur

o.V. (2008): Ausschreibung der AOK Brandenburg für eine besondere ambulante augenärztliche Versorgung nach § 73c SGB V für ausgewählte, operationsbedürftige Augenerkrankungen, http://www.aok-gesundheitspartner.de/inc_ges/download/dl.php/brb/iv/imperia/md/content/gesundheitspartner/brandenburg/integrierteversorgung/brb_iv_ausschreibung_73c_sgb5_30092008.pdf (Zugriff am 15.05.09) o.V. (2009): Marken-MVZ auf dem Vormarsch, in: M-VF, 2(2) 2009, 17-19

Zusätzliches

Plain-Text

Herausforderung für Versorgungsforschung: Direktverträge in der GKV

Arzneimittelverträge waren erst der Anfang. Vor drei Jahren begannen die ersten Kassen, selektiv Direktverträge über Arzneimittelrabatte nach § 130 Abs. 8 SGB V abzuschließen. Inzwischen sind sie für generische Produkte Standard, und auch bei innovativen, patentgeschützten Produkten haben sich schon (fast) alle Hersteller hierüber eine Meinung gebildet. Doch erst langsam zeigt sich, dass die Vertragsambitionen von Krankenkassen über den Rahmen des § 130 Abs. 8 SGB V weit hinaus reichen. So sind seit diesem Jahr die ersten Verträge zur hausärztlichen Versorgung nach § 73b SGB V mit Partnern jenseits der Kassenärztlichen Vereinigungen abgeschlossen und umgesetzt worden. Und nun mehren sich die Zeichen, dass Kassen auch direkte Verträge über die fachärztliche Versorgung nach § 73c SGB V systematisch anstreben. Die ersten Beispiele sind die Ausschreibung zur augenchirurgischen Versorgung in Brandenburg und zur kardiologischen Versorgung in Baden-Württemberg.

>> Der nachfolgende Beitrag beschäftigt sich mit dieser neuen Entwicklung und versucht, Antworten auf wichtige Fragen zu finden. Konkret geht es um folgende Punkte:
• Was steckt hinter dem Trend zu Direktverträgen?
• Welche rechtlichen Probleme sind zu lösen?
• Welche Möglichkeiten bieten derartige Verträge?
• Wo liegen die rechtlichen und ökonomischen Grenzen?
• Welche Auswirkungen hat das auf die Versorgung?
Was steckt hinter dem Trend zu Direktverträgen?
Die ersten umfangreichen Direktverträge wurden als freiwillige Rabattverträge zu Arzneimitteln Anfang 2007 abgeschlossen. Grundlage hierfür waren die durch das Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-WSG) geänderten Rahmenbedingungen, die den Apotheker verpflichteten, vorrangig rabattierte Arzneimittel abzugeben, solange dies durch den Arzt nicht ausdrücklich ausgeschlossen wurde.
Betrafen diese Verträge ursprünglich nur wenige Hersteller und Wirkstoffe, so machten sie im Dezember 2008 schon 25 % aller Arzneimittelumsätze (AVP) zu Lasten der GKV aus. Dabei zeigen die bisherigen Daten, dass es den Kassen nur begrenzt gelungen ist, die Arzneimittelabgabe im Sinne der bestehenden Verträge zu beeinflussen. Hierfür scheinen zumindest zwei in der historischen Entwicklung ineinandergreifende Gründe relevant: Zum einen verfügen Kassen nur über geringen Einfluss auf die Arzneimittelverordnung und -abgabe, zum anderen haben Kassen eine Vielzahl von Verträgen über miteinander in Wettbewerb stehende Arzneimittel abgeschlossen. So verfügten im Juni 2008 Kassen je nach Substanz über Verträge mit bis zu 28 Herstellern. Auch wenn dieses Überlappen als Reaktion auf fehlende Einflüsse auf die Verordnungsseite gesehen werden kann, so überzeugt ein derartiges Vertragsverhalten jedoch ökonomisch nicht, da die Bereitschaft zu Rabatten erfahrungsgemäß mit der umgesteuerten „Einkaufs“-menge zunehmen wird.
Aus Sicht der Hersteller ähnelt die Situation dennoch einem Dilemma: Solange keiner einen Vertrag abschließt, hat die Rabattregelung keine Bedeutung. Schließt jedoch der erste Hersteller einen Vertrag ab und steuern Apotheken dadurch die Arzneimittelabgabe um, gewinnt dieser Hersteller Absatz (hoffentlich auch Deckungsbeitrag), während alle anderen Hersteller verlieren. Deshalb hadert jeder Hersteller damit, entsprechende Rabattverträge abzuschließen. Damit sichern sie sich ihren Absatz, vermindern jedoch die Einnahmen aller.
Aus Sicht der Kasse sind Direktverträge bei Arzneimitteln reizvoll, insbesondere dann, wenn sie hierdurch dieselbe Versorgungsqualität zu geringeren Kosten erreichen können. Ein Einstieg in die Versorgungssteuerung ist damit jedoch nicht verbunden, da es Kassen kaum möglich scheint, damit Arzneimittel in ihrer Verordnungsfähigkeit einzuschränken. Vielleicht gelingt dies, wenn Kassen derartige Arzneimittelverträge mit entsprechenden Tarifangeboten koppeln, beispielsweise einem Rabatt-Tarif, d.h. der Versicherte erhält einen Beitragsnachlass, sofern er sich dazu verpflichtet, ausschließlich rabattierte Arzneimittel nachzufragen, solange diese für einen gegebenen Wirkstoff verfügbar sind. So bedeutsam dieser Trend für Arzneimittelhersteller, so unbedeutend ist er aber letztendlich aus Sicht einer Kasse. Arzneimittelausgaben machen rund 18 % aller Ausgaben einer Kasse aus. Davon sind derzeit rund 25 % unter Rabattvertrag, d.h. 4 % aller Ausgaben. Bei einem geschätzten Rabatt von durchschnittlich 10 % bezogen auf den Apothekenverkaufspreis kann eine Kasse damit 0,4 % ihrer Ausgaben sparen. Bei 161 Mrd. Euro Ausgaben und 70 Mio. Versicherten entfallen auf jeden GKV-Versicherten rund 2.300 Euro Ausgaben pro Jahr. Daraus folgt ein Einsparpotenzial von 9 Euro pro Versicherten und Jahr.
Auch bei einer deutlichen Zunahme von Rabattverträgen und der Annahme, dass solche Verträge weder zu einer Verbesserung der Versorgung führen (Mengenausweitung) noch selber Kosten verursachen, sind damit kaum mehr als 20 Euro Einsparungen pro Versichertem und Jahr zu erwarten. Das Potenzial solcher Verträge ist also begrenzt. Wieso also die Aufregung?
Eine ganz neue Dimension erhalten derartige Arzneimittelverträge durch Direktverträge, wie sie gegenwärtig in einem anderen Leistungsbereich abgeschlossen werden. Mit den Verträgen zur hausärztlichen Versorgung nach § 73b SGB V mit dem Hausärzteverband hat die AOK Baden-Württemberg nicht nur erstmals selber die Verantwortung für die Sicherstellung übernommen und diese weitgehend unabhängig von der KV geregelt. Es ist kaum anzunehmen, dass die Krankenkasse die hausärztliche Versorgung kostengünstiger regeln kann als im Rahmen der Versorgung über die KV. Dem steht schon die Notwendigkeit gegenüber, den Hausärzten einen wirtschaftlichen Anreiz für den Vertragsschluss bieten zu müssen. Die Einsparungen müssen also andere Quellen haben.
Folgt man den bisherigen Darstellungen der Beteiligten, scheint es, dass die Einsparungen aus der Steuerung der Arzneimittelverordnungen resultieren. Mit einer simplen Farblogik wird dem Hausarzt signalisiert, welche Verordnungsstrategie aus Sicht der Kasse wünschenswert ist. Folgt der Hausarzt dieser Logik, erhält er einen attraktiven finanziellen Bonus. Analysen zu den Auswirkungen auf die Versorgungsqualität fehlen bislang; so lange jedoch ausschließlich bei einer bestehenden Therapie die Anbieter im Rahmen eines aut-idem-geleiteten Austausches gewechselt werden, dürften die Auswirkungen auf die Versorgung überschaubar bleiben.
Sofern sich diese Steuerungsmechanik bewährt, aus welchem Grunde sollte sich diese Steuerung auf Arzneimittel beschränken? Rechnet man „Netto-Verwaltungskosten“ heraus, bleiben 95 % Ausgaben der GKV, die im weitesten Sinne unter Leistungsausgaben zu subsumieren sind. Rechnen wir hieraus noch die hausärztlichen Leistungen heraus (ca. 50 % aller ärztlichen Behandlungen in Höhe von 15 %), dann bleiben 87 % Leistungsausgaben übrig, die zu einen erheblichen Teil von Haus- bzw. Fachärzten veranlasst werden (Arzneimittel, Hilfsmittel, Heilmittel, elektive Krankenhausbehandlung, Krankengeld etc.). Gelingt es, in diesem Bereich der veranlassten Leistungen entsprechende Einsparungen von beispielsweise 4 % zu erzielen, erhält diese Vertragsstrategie eine ganz andere und sehr wohl versorgungsrelevante Bedeutung.
Treibt man diese Überlegung weiter, erklärt sich auch das Interesse an Verträgen zur besonderen (fach-)ärztlichen Versorgung. Diese sind das notwendige Supplement zu den Hausarztverträgen, weil veranlasste Leistungen auch und gerade von Fachärzten ausgelöst werden. Sie stehen im Fokus der weiteren Überlegungen.
Welche Möglichkeiten bieten Verträge nach 73c?
„Leistung folgt dem Geld.“ Krankenkassen haben diesen Anfang der 90er Jahre aufgestellten Grundsatz beherzigt und entwickeln sich daher konsequent „vom Payer zum Player“. So bedrohlich sich ein solches Szenario aus Sicht der Erbringer der veranlassten Leistungen darstellt, so konsequent ist die Entwicklung aus Sicht der Krankenkasse. Sie ist daher kaum aufzuhalten. Interessanter ist daher die Frage, in welchem rechtlichen Rahmen sich eine solche Entwicklung vollziehen kann und welche Grenzen hierfür bestehen.
Ökonomische Grenzen resultieren aus zwei Quellen: räumliche Anforderungen und Versichertenpräferenzen.
Räumliche Anforderungen resultieren daraus, dass ärztliche Leistungen als Dienstleistung persönlich durch den Arzt erbracht werden. Aus vielen Untersuchungen ist bekannt, dass Versicherte nur begrenzt mobil sind. Übernimmt eine Kasse über einen entsprechenden Vertrag die Versorgung ihrer Versicherten, muss sie diese auch in der Fläche bieten können. Dies ist für eine AOK vermutlich weniger schwierig, da ihr Marktanteil bei etwa 35 % liegt. Aber schon bei Ersatzkassen und erst recht bei anderen Kassen wird es schwierig, eine wohnortnahe Versorgung zu vertretbaren Kosten anzubieten, es sei denn, sie setzt hierzu Vertragsgemeinschaften wie die schon fast überwunden scheinenden Kassenverbände ein. Aufgrund von Wettbewerbsüberlegungen aber auch von der kartellrechtlichen Seite sind dem jedoch Grenzen gesetzt.
Zudem können auf Anbieterseite gerade bei Fachärzten räumliche Monopole entstehen. Haben sich nämlich die niedergelassenen Ärzte in einer Region zu einem Facharzt-MVZ zusammengeschlossen und verweigert dieses Zentrum einen Vertrag nach § 73c SGB V, dann wird eine Kasse mit Versicherten in dieser Region kaum direktvertragliche Lösungen vereinbaren können.
Der zweite Punkt betrifft die Versicherten. Die bislang geschilderten Vertragsmodelle sind nur in tariflichen Sonderregelungen zu realisieren, d.h. der Versicherte muss sich verpflichten, zugunsten von tariflichen Vorteilen auf zumindest einen Teil seiner Wahlfreiheit zu verzichten. Dies wird gerade in Zeiten des zunehmenden Kassenwettbewerbs nicht einfach werden; nicht zuletzt deshalb, weil die bisherigen Vollversorgungsanbieter wie die Kassenärztliche Vereinigungen ein gegenläufiges Interesse haben und sich entsprechend kommunikativ positionieren werden.
Welche rechtlichen Probleme sind zu lösen?
Kurz gefasst ermöglicht der § 73c SGB V den Krankenkassen, ihren Versicherten die Sicherstellung der ambulanten ärztlichen Versorgung durch den Abschluss von Verträgen anzubieten. Das bedeutet für die Krankenkassen zunächst, (partiell) von der kollektivvertraglichen Regelversorgung abweichen zu können.
Gegenstand der Verträge können Versorgungsaufträge sein, die sowohl die versichertenbezogene gesamte ambulante ärztliche Versorgung als auch einzelne Bereiche der ambulanten ärztlichen Versorgung umfassen. Es ist also möglich, die Versicherten vollständig oder aber auch nur in Teilbereichen selektivvertraglich organisiert zu versorgen. Denkbar sind insoweit zum einen Vertragsmodelle, die lediglich die Behandlung einzelner Erkrankungen oder die Erbringung spezieller Leistungen betreffen, und zum anderen ganzheitliche Konzepte, durch die die gesamte ambulante ärztliche Versorgung z.B. einer bestimmten Versichertengruppe auf eine neue selektivvertragliche Basis gestellt wird.
Dabei gelten für die personellen und sächlichen Qualitätsanforderungen zur Durchführung der vereinbarten Versorgungsaufträge die vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) sowie die in den Bundesmantelverträgen für die Leistungserbringung in der vertragsärztlichen Versorgung beschlossenen Anforderungen als Mindestvoraussetzungen entsprechend. Es darf also durch den Abschluss eines Vertrages nach § 73c SGB V keine Schlechterstellung im Vergleich zur Regelversorgung stattfinden. Ein „Abweichen nach oben“, d.h. eine Ausweitung des Leistungsangebots im Vergleich zur Regelversorgung ist aber durch einen solchen Vertrag ohne weiteres möglich. Der Nachweis, inwieweit diese gesetzliche Vorgabe tatsächlich eingehalten wird, ist Aufgabe der Versorgungsforschung.
Im Übrigen sind den Vertragspartnern aber für die inhaltliche Ausgestaltung der vertraglichen Versorgungskonzepte kaum Grenzen gesetzt. Alleinige Vorgabe des Gesetzgebers ist, dass nur solche Behandlungen zum Gegenstand der Verträge gemacht werden dürfen, die vom G-BA im Rahmen der Richtlinien über neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden (NUB-Richtlinien, § 135 SGB V) nicht bereits negativ bewertet wurden. Ansonsten können die Vertragspartner im erforderlichen Maß von den Regelungen über die Regelversorgung (4. Kapitel des SGB V, §§ 69-140h) abweichende Vereinbarungen treffen.
Zu regeln (und dies auch gesetzlich verpflichtend) sind in den Verträgen zum einen deren Inhalt, Umfang und Durchführung sowie zum anderen die Ausgestaltung der Qualitätsanforderungen und die Vergütung.
Wer kann Verträge abschließen?
a) Als mögliche Vertragspartner der Verträge nach § 73c SGB V stehen auf der einen Seite ausschließlich die Krankenkassen, da sie es sind, die ihren Versicherten das selektivvertragliche Versorgungskonzept zur Teilnahme anbieten sollen. Die Krankenkassen können dabei sowohl allein als auch in Kooperation mit anderen Krankenkassen auftreten.
Auf der anderen Seite stehen nach dem Inhalt der Vorschrift die vertragsärztlichen Leistungserbringer (Vertragsärzte) sowie deren Gemeinschaften. Insbesondere der Zusammenschluss zu Leistungserbringergemeinschaften (Netze, Genossenschaften etc.) bietet den Vertragsärzten die Möglichkeit, ihre Verhandlungsposition gegenüber den Krankenkassen erheblich zu stärken.
Als weitere Vertragspartner nennt das Gesetz „Träger von Einrichtungen, die eine besondere ambulante Versorgung durch vertragsärztliche Leistungserbringer anbieten“, dies sind insbesondere medizinische Versorgungszentren (MVZ).
Schließlich können - und hier besteht eine Besonderheit der besonderen ambulanten ärztlichen Versorgung gegenüber der integrierten Versorgung nach §§ 140a ff SGB V – auch die Kassenärztlichen Vereinigungen Vertragspartner der Krankenkassen bei den Verträgen nach § 73c SGB V sein.
b) Hinsichtlich des Zustandekommens der Verträge ist in § 73c SGB V zunächst normiert, dass kein Anspruch auf einen Vertragsschluss besteht. Die vertragsärztlichen Leistungserbringer verfügen also unabhängig von der Güte des von ihnen vorgeschlagenen Behandlungskonzepts nicht über ein einklagbares Recht gegenüber den Krankenkassen.
Grund hierfür ist, dass die Krankenkassen nach § 73c Abs. 3 Satz 3 SGB V verpflichtet sind, vor dem Vertragsschluss ein öffentliches Ausschreibungsverfahren durchzuführen. Nach den durch das Gesetz zur Weiterentwicklung der Organisationsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-OrgWG) zum 01.01.2009 in § 69 SGB V eingefügten Änderungen haben die Krankenkassen dabei die Vorschriften des Vergaberechts (§§ 97 ff. GWB) zu beachten. Interessant am Vergabeverfahren ist aus Sicht der Versorgungsforschung, dass hierbei die Zuschlagskriterien für den Vertrag detailliert aufgeführt und damit transparent gemacht werden (o.V., 2008).
c) Die bestehende Ausschreibungspflicht bedeutet für die Leistungserbringer jedoch nicht, dass sie darauf warten und vertrauen müssten, dass die Krankenkassen ein für ihr jeweiliges Leistungsangebot „passendes“ Versorgungskonzept ausschreiben.
Vielmehr haben die Leistungserbringer auch die Möglichkeit, eigene Behandlungskonzepte z.B. anhand ihrer Patientenstrukturen zu entwickeln und diese den Krankenkassen vorzuschlagen. Die nachfolgende Ausschreibung birgt dann zwar ein gewisses Risiko, nicht den Zuschlag zu bekommen; dieses Risiko lässt sich jedoch durch eine weitestgehend individuelle Zuschneidung des Konzepts minimieren.
Eine Exklusivbindung eines Leistungserbringers durch einen Vertrag nach §§ 73 b oder 73 c dürfte aufgrund des Sicherstellungsauftrages (§ 95 Abs. 3 Satz 1 SGB V), dem die Vertragsärzte unterliegen, ausgeschlossen sein. Deshalb sind höchstens Exklusivitätsklauseln von Leistungserbringern in Bezug auf andere Verträge nach §§ 73 oder 73 c denkbar. Zudem lassen sich durch entsprechende Gestaltungen (Zusatzleistungen bzw. -services für die Versicherten des Vertragspartners) deutlich unterschiedliche Klassen schaffen. Ein Beispiel hierfür zeigen derzeit kassen-„eigene“ MVZs (o.V., 2009). Umgekehrt ist natürlich auch eine Exklusivität denkbar, dass sich nämlich Kassen darauf verpflichten, keine konkurrierenden Direktverträge mit anderen Leistungserbringern abzuschließen.
Inhaltliche Vorgaben
Wie bereits einleitend ausgeführt, sind Vertragsparteien (mit der Einschränkung der Vorgreiflichkeit der NUB-Richtlinien und der Beachtung der Mindeststandards) grundsätzlich frei in der Ausgestaltung des vertraglich zu vereinbarenden Versorgungskonzepts.
Zu beachten ist lediglich, dass der Vertrag Regelungen zu Inhalt, Umfang und Durchführung sowie zu den Qualitätsanforderungen und zur Vergütung treffen muss. Im Übrigen können die Vertragsparteien, soweit es das Versorgungskonzept erfordert, von den Regelungen des vierten Kapitels des SGB V abweichen. Dies eröffnet den Vertragsparteien umfangreiche Möglichkeiten, bestehende kollektivvertragliche Strukturen aufzubrechen und eine sinnvolle und sachgerechte selektivvertragliche Neuordnung zu schaffen.
Beispiele für im Rahmen des Vertrages gestaltbare Regelungen sind insoweit die Aut-idem-Regelung des § 129 SGB V, Vorgaben in der AMR, die Schaffung besonderer Verordnungsblätter, das Abweichen von EBM-Ziffern und deren „Neuschaffung“ und die Vereinbarung besonderer Rabatte. Der Strauß der Möglichkeiten ist fast unerschöpflich, weshalb an dieser Stelle auch keine abschließende Aufzählung erfolgen kann. Vielmehr muss anhand des konkreten Projekts entschieden werden, in welchen Punkten von den für die Regelversorgung geltenden Regelungen des SGB V abgewichen werden kann und muss. Ihre Grenze findet die Möglichkeit zum Abweichen dann, wenn im Vergleich zur Regelversorgung ein Weniger an Leistungen gewährt werden soll. Ein Ausweiten des Leistungsumfangs gegenüber dem GKV-Standard ist also stets, dessen Einschränkung jedoch nicht möglich; die Steuerung der Leistungsinanspruchnahme ist davon unbenommen.
Fazit
Die Entwicklung wird sich nicht zurückdrehen lassen. Das Beispiel der Arzneimittelverträge zeigt, dass der Wille zu direktvertraglichen Lösungen sowohl bei Krankenkassen wie auch bei Arzneimittelherstellern vorhanden ist. Nicht anders wird sich die Situation in anderen Leistungsbereichen darstellen. Der Trend geht in Richtung der Steuerung aller veranlassten Leistungen. Nur dadurch lassen sich die Einsparungen realisieren, die angesichts der damit verbundenen Kosten trotzdem noch zusatzbeitragsrelevant sind.
Dennoch sind noch viele rechtlichen Fragen ungeklärt, ähnlich wie zu Beginn der Arzneimittelverträge Anfang 2007 Neuland betreten werden musste. Es gilt, die Auswirkungen mit den Instrumenten der Versorgungsforschung zu verfolgen.
Unabhängig davon wandelt sich das Vertragswesen in der GKV mit großer Geschwindigkeit hin zu einem fast reinen Wettbewerbssystem. Dieser Wandel ist politisch gewünscht. Es bleibt zu fordern, dass dabei auch die Interessen der Patienten weiterhin Beachtung finden. <<