Raucherentwöhnung mit Nikotinersatztherapie zur Senkung von Gesundheitskosten
Unter den Ansätzen zur Krankheits- und somit Krankheitskostenvermeidung kommt der Verringerung der Raucherquote medizinisch wie ökonomisch eine herausragende Bedeutung zu. Rauchen stellt das quantitativ wie qualitativ bedeutendste vermeidbare Gesundheitsrisiko für eine Vielzahl schwerwiegender Erkrankungen dar, darunter allen voran Krebserkrankungen, kardiovaskuläre Erkrankungen sowie Erkrankungen der Atemwege. Weltweit sind pro Jahr rund 5 Mio. Opfer des Tabakkonsums zu beklagen, während entsprechende Zahlen für Deutschland auf 110.000 bis 140.000 Menschen pro Jahr beziffert werden. Die Kosten für die Behandlung der tabakbedingten Erkrankungen belaufen sich für Deutschland im Jahr 2003 auf 7,5 Milliarden Euro, die gesamten tabakattributablen Kosten auf 21 Milliarden Euro sowie eine Summe von 1,6 Millionen verlorenen Lebensjahren.
>> Die Reduktion der Rauchprävalenz ist somit eine wirksame Vorgehensweise, um die gesundheitlichen Risiken und die daraus entstehenden hohen Krankheits- und Behandlungskosten zu verringern. Zur Unterstützung des Rauchstopps stehen inzwischen effektive, evidenzbasierte Methoden zur Verfügung. Unter den medikamentösen Therapien kommt der Nikotinersatztherapie (NET) national und international eine bedeutende Rolle zu, sie verdoppelt die Chance auf dauerhafte Rauchfreiheit.
Das Wissen um die Bedeutung und die Konsequenzen des Rauchens entwickelte sich nur langsam. Über viele Jahrzehnte wurde in allen Staaten die Dimension des Rauchens toleriert und nicht hinterfragt. Ein Umdenkungsprozess begann in der letzten Hälfte des 20. Jahrhunderts besonders im anglo-amerikanischen Raum. Im Zuge der sich verschärfenden Finanzierungsproblematik der Sozialsysteme wurden vor allem in Großbritannien innovative Ansätze zur Krankheits- und somit Krankheitskostenvermeidung diskutiert und in die Tat umgesetzt. Diese können auch für Deutschland als wegweisend betrachtet werden.
In diesem Beitrag soll daher zunächst auf die Entwicklungen in Großbritannien eingegangen werden. Im Rahmen des dortigen National Health Service (NHS) wurden Versorgungsstrukturen etabliert, die nicht zuletzt auf Untersuchungen zur Kosteneffektivität der NET durch das National Institute for Clinical Excellence (NICE) beruhen. Im zweiten Teil soll anhand zweier aktueller pharmakoökonomischer Studien das Potenzial der Nikotinersatztherapie für den Einsatz zur Tabakentwöhnung in Deutschland und speziell bei chronischen Erkrankungen anhand neuer Studiendaten betrachtet werden.
Das britische Gesundheitsprojekt ‚Smoking Kills’
Die Anfänge: Das ‚White Paper on Tobacco’ 1998
Das britische Gesundheitsprojekt entwickelte sich auf der Grundlage des im Jahre 1998 veröffentlichten ‚White Paper on Tobacco’, das in seiner Kernaussage unmissverständlich war: ‚Smoking kills‘. Dieses vom britischen Gesundheitsministerium vorgelegte Weißbuch basierte auf folgenden Überlegungen: Rauchen ist die größte Einzelursache für vermeidbare Erkrankungen und vorzeitigen Tod. Rauchen tötet pro Jahr mehr als 120.000 Menschen in Großbritannien – mehr als 13 Menschen in der Stunde. 84 % der Lungenkarzinome, 83 % der chronisch obstruktiven Lungenerkrankung (COPD) werden durch Rauchen verursacht. Rauchen ist gleichzeitig ein Problem der sozialen Gesellschaftsschichten. Es sind vor allem die benachteiligten Gruppierungen, die besonders betroffen sind. Insgesamt wurden die jährlichen rauchen-attributablen Kosten des britischen Gesundheitssystems, NHS (Kosten für Arzt, Medikamente, Behandlung) mit 1,7 Milliarden Pfund beziffert.
Generell verfolgte das britische Gesundheitssystem die Ziele, die Gesundheit der Gesamtbevölkerung durch ein längeres und gesünderes Leben zu verbessern und die Benachteiligungen im sozial-gesundheitlichen Bereich zu reduzieren. Um diese Ziele zu erreichen legte die britische Regierung folgende Zielkriterien, projiziert auf das Jahr 2010, fest.
• Erwachsene: Verringerung der Rauchprävalenz von
28 % auf 24 %,
• Kinder und Jugendliche: Reduktion von 13 % auf 9 % und
• Schwangere: Reduktion von 23 % auf 15 %.
Diese Zielkriterien sollten durch eine Erhöhung der Tabaksteuer, eine Einschränkung der Tabakwerbung, durch Rauchverbote in öffentlichen Einrichtungen, Restaurants und Pubs erreicht werden. Schwerpunkt war jedoch die Einrichtung eines Gesundheitsservice zur Raucherentwöhnung als integraler Bestandteil des NHS. Allein hierfür war für die ersten drei Jahre ein Investitionsvolumen von 60 Millionen Pfund geplant.
Der ‚NHS Stop Smoking Service’ wurde als flächendeckende Maßnahme konzipiert. Die Umsetzung der Raucherentwöhnungsmaßnahmen erfolgte durch eine schrittweise, stufenförmige Intervention. Allgemeinärzte wurden angehalten bei rauchenden Patienten eine sogenannte Kurzintervention durchzuführen. Dabei sollte auch eine Pharmakotherapie mit evidenzbasierten und kosteneffektiven Therapeutika, z.B. Nikotinersatztherapie (NET) (siehe Kasten) initialisiert werden. Falls notwendig konnten Aufhörwillige an qualifizierte Schwerpunktzentren vermittelt werden, bei denen zusätzliche Beratung, Betreuung und/oder verhaltenstherapeutische Interventionen angeboten wurden. Darüber hinaus sollte die Verfügbarkeit von Nikotinersatz verbessert werden. So wurden die niedrig dosierten Anwendungsformen von der Apothekenpflicht befreit.
Die Kosten für diesen Service werden vom NHS getragen (Entwicklung s. Tab. 1). Auch die Kosten für die Pharmakotherapie bei ärztlicher Verordnung sind Bestandteil des NHS-Versorgungspakets. Zusätzlich waren 50 Millionen für eine Öffentlichkeitskampagne in den ersten drei Jahren vorgesehen. Um die Umsetzung der Maßnahmen und deren Erfolg genau zu beobachten, wurde das gesamte Projekt akribisch dokumentiert.
Positive Bilanz einer britischen Dekade der NHS Stop
Smoking Services 1998 - 2008
In den zehn Jahre nach Publikation von ‚Smoking Kills’ ist es gelungen, die Prävalenz des Rauchens in England von 28 % auf 22 % zu senken. Alle maßgeblichen Ziele konnten erreicht werden.
Die Anzahl der Ausstiegsversuche konnte im Projektverlauf gesteigert werden. Im Jahre 2007/08 waren es über 680.000 Personen. 52 % blieben nach 4 Wochen rauchfrei, so dass die Ausgaben für jeden Ex-Raucher ca. 173 £ betrugen (siehe Tab. 1). Im Zeitraum von April bis September 2008 wurden insgesamt 710.940-mal Nikotinersatzprodukte in England verordnet. Die Nettokosten in diesem Zeitraum betrugen 14,7 Millionen £ für NET-Produkte – für die Medikation insgesamt 27,6 Millionen £. Aber auch der Nutzungsgrad im Bereich der Selbstmedikation ist erheblich. Sie übersteigt sogar den Verordnungsbereich um das 1,5fache.
Trotz der beschriebenen Erfolge erbrachte eine erneute Kalkulation der tabakbezogenen Kosten und der Belastung aufgrund des Rauchens für das englische NHS für das Jahr 2006/07 nach wie vor eine Summe von 2,7 Millionen £. Eine nationale Allianz fordert nun die Maßnahmen von ‚Smoking Kills’ zu intensivieren, das ambitionierte Ziel für 2015: Ein Raucheranteil von 11 % in der Bevölkerungsgruppe der Erwachsenen.
Das Thema ‚Rauchen’ in der gesundheitspolitischen
Landschaft Deutschlands -Status quo der
Tabakentwöhnung im deutschen Gesundheitswesen
Der Raucheranteil in der deutschen Bevölkerung beträgt ca. 27 %, eine Verringerung wurde zuletzt nicht mehr beobachtet. Somit gleichen die derzeitigen Gegebenheiten denen zu Beginn des ‚Smoking Kills’-Projekts in Großbritannien. Eine dem britischen Vorbild analog strukturierte Empfehlung zur Vorgehensweise gibt es bislang jedoch nicht.Die Problematik der Reduktion des Tabakkonsums wird im deutschen Gesundheitswesen als verhaltenspräventive Maßnahme formuliert. Daher setzt der Entwurf eines Nationalen Aktionsprogramms auf die Erhöhung der Angebote und die Verstärkung der Motivation der Beteiligten im Gesundheitssystem ohne eine finanzielle Investition zu definieren.
Gegenwärtig werden die Teilnahmegebühren an Gruppenkursen der verhaltenstherapeutischen Raucherentwöhnung auf Grundlage des §20 Bundessozialgesetz von den GKVen auf individuellen Antrag des Teilnehmers teilerstattet. Im Jahre 2006 haben dies 11.800 Aufhörwillige in Anspruch genommen. Eine Förderung der Raucherentwöhnung mit medikamentösen Möglichkeiten ist nicht vorhanden. Begründet wird dies durch die Regelung des Gesetzgebers hinsichtlich der Erstattung von Arzneimitteln zur Therapie der Tabakabhängigkeit gemäß §34 SGB V: „Von der Versorgung sind außerdem Arzneimittel ausgeschlossen, bei deren Anwendung eine Erhöhung der Lebensqualität im Vordergrund steht. Ausgeschlossen sind insbesondere Arzneimittel „… zur Raucherentwöhnung …“ Der vielfach belegten gesundheitlichen Nutzen eines Rauchausstiegs wird dadurch in Frage gestellt und das Vorhandensein einer Suchterkrankung bei einem bedeutenden Teil der Raucher nicht berücksichtigt. In einem neueren Gutachten kommt auch das IQWiG zum Schluss, dass NET in der Raucherentwöhnung zu berücksichtigen sei. Eine aktuelle Untersuchung, das Eurobarometer, spiegelt die deutlichen Unterschiede in den Einstellungen der britischen und deutschen Raucher zum Rauchstopp (s. Abb. 2). Die gesamten tabakattributablen Kosten für Deutschland im Jahr 2003 wurden mit 21 Milliarden Euro und 1,6 Millionen verlorenen Lebensjahren berechnet. Die Tabaksteuereinnahmen des Staates beliefen sich im Jahre 2008 auf 13,6 Milliarden Euro.
Kosten-Nutzen-Verhältnis der Nikotinersatztherapie
zur Raucherentwöhnung
Zwei Studien zum Nutzen und zur Kosteneffektivität der NET bei der Raucherentwöhnung wurden von Prof. Dr. Jürgen Wasem, Universität Duisburg-Essen in den beiden zurückliegenden Jahren durchgeführt, beauftragt von ‚Initiative Raucherentwöhnung‘ von einer Arbeitsgemeinschaft im Bundesverband der Arzneimittelhersteller (BAH). Gemeinsames Ziel der Studien war die Ermittlung der gewonnenen Lebensjahre und der Kosten mit NET im Vergleich zu einer Raucherentwöhnungstherapie mit Plazebo-NET. Die Studien unterschieden sich hinsichtlich ihrer Bewertungsperspektive. So wurden bei der ersten Studie Aussagen mit Blick auf die Gesamtpopulation der Raucher gewonnen, während sich die zweite Studie auf Gruppen von Rauchern mit definierten Vorerkrankungen bezog.
Der gewählte grundlegende Modellansatz war in beiden Fällen gleich und folgte unmittelbar dem folgenden Denkschema:
Ausgangspunkt sind zwei wissenschaftlich evidente Fakten:
1. Raucherentwöhnung mit NET ist therapeutisch erfolgreicher
als Raucherentwöhnung mit Plazebobehandlung.
2. Raucher weisen höhere Gesundheitskosten auf als
Nichtraucher.
Wenn diese beiden Prämissen gelten, folgt, dass
3. Raucherentwöhnung mit NET zu einer Reduzierung der ge-
sundheitlichen Folgekosten des Rauchens führt.
In welchem Maß NET kosteneffektiv ist, hängt von den Therapiekosten und mehr noch von den konkreten Erfolgsquoten sowie den relevanten Gesundheitskosten ab und war im Rahmen der Studien darzulegen. Die Studienergebnisse basieren auf den epidemiologischen Daten zur Prävalenz der tabakattributablen Erkrankungen, den wissenschaftlichen Erkenntnissen zum gesundheitlichen Nutzen der Raucherentwöhnung sowie den Daten zur Wirksamkeit und Effektivität der Anwendung von Arzneimitteln zur Nikotinersatztherapie (NET).
Die 1. Studie (2007):
Nutzen und Kosteneffektivität der NET zur Raucher-
entwöhnung in der Gesamtpopulation der Raucher
Nach Expertenschätzungen ist davon auszugehen, dass in Deutschland 5 Mio. Menschen sich einer Raucherentwöhnungstherapie unterziehen würden. Für die Analyse wurde nun eine synthetische Gruppe von 5 Mio. Rauchern gebildet, die sich sämtlich entweder einem Rauchstopp-Versuch ohne Raucherentwöhnungstherapie (Strategie A), oder einem Rauchstopp-Versuch mit NET unterziehen (Strategie B). Die Gruppe der 5 Mio. Raucher wurde entsprechend der Alters- und Geschlechtsverteilung der Raucher nach dem Mikrozensus 2005 zusammengesetzt. Der von allen unternommene einmalige Rauchstopp-Versuch ist entweder erfolgreich oder erfolglos. Ist der Rauchstopp-Versuch erfolglos, bleibt der Raucher in der Gruppe der Raucher, ist er erfolgreich, wechselt er in die Gruppe der Ex-Raucher.
Der Modellansatz wird durch das folgende Entscheidungsbaum-Dia-gramm dargestellt:
Die beiden Strategien A und B unterscheiden sich in der Wahrscheinlichkeit, dass der Rauchstopp-Versuch gelingt. Nach gegenwärtigem Wissensstand ist davon auszugehen, dass bei einem Rauchstopp-Versuch mit Plazebotherapie (Strategie A) ca. 10 % der Aufhörversuche erfolgreich sind; demgegenüber wird davon ausgegangen, dass bei einem Rauchstopp-Versuch mit NET (Strategie B) eine ungefähr doppelt so hohe Erfolgswahrscheinlichkeit besteht. Da nach dem einschlägigen Cochrane-Review keine signifikanten Unterschiede zwischen den unterschiedlichen Formen der Nikotinentwöhnungstherapien bestehen, wurde keine weitere Differenzierung vorgenommen. Auch wurde davon ausgegangen, dass die Erfolgsraten in allen Alters- und Geschlechtsgruppen identisch sind. Dies bedeutet, dass bei Strategie A nach Rauchstopp-Versuch 90 % der Personen weiterhin zur Gruppe der Raucher und 10 % zur Gruppe der Ex-Raucher gehören; demgegenüber gehören in Strategie B nach Rauchstopp-Versuch 83 % der Personen weiterhin zur Gruppe der Raucher und 17 % zur Gruppe der Ex-Raucher.
Ergebnisse der Modellrechnungen Studie 1
Die Ergebnisse der Modellrechnungen wurden qualitativ beschrieben und zusammengefasst. Zunächst kann festgehalten werden, dass durch die höhere Erfolgswahrscheinlichkeit eines Tabakentzugs mittels NET und dem Einsatz dieser Medikamente eine große Zahl zusätzlicher Lebensjahre gewonnen werden können, sowohl nach dem Konzept gewonnener Lebensjahre (LYG) wie auch nach dem Konzept qualitätsangepasster Lebensjahre (QALY). Neben den geretteten Lebensjahren schlägt sich die höhere Effektivität der Nikotinersatztherapie gegen-über dem nichtmedikamentösen Tabakentzug auch in einer verbesserten gesundheitsbezogenen Lebensqualität während der Restlebenszeit der erfolgreich entwöhnten Raucher nieder. Dies kommt in der höheren Zahl der QALYs zum Ausdruck.
Da es mit Hilfe von NET mehr Menschen gelingt, Nichtraucher zu werden als ohne, führt die Anwendung dazu, dass die Zahl und Schwere der durch das Rauchen bedingten Erkrankungen reduziert wird. Zu erwarten ist auch, dass neben den direkten medizinischen Kosten, die durch die tabakattributablen Erkrankungen entstehen, auch indirekte Effekte wie Produktivitätsverluste und Ausfälle am Arbeitsplatz durch NET vermindert werden können.
Kosteneffektivität der Nikotinersatztherapie
Die Therapiekosten beschränken sich im Falle der rezeptfrei erhältlichen NET-Arzneimittel auf die reinen Ausgaben für eben diese Medikamente, da deren Effektivität unabhängig von weiteren unterstützenden Maßnahmen belegt ist. Gleichgültig ob Kosten pro LYG oder Kosten pro QALY als Kriterium herangezogen werden, in jedem Fall erweist sich die NET als kosteneffektive Möglichkeit des Tabakentzugs und zugleich als kosteneffektive Verwendung von Ressourcen im Gesundheitswesen zur Gewinnung zusätzlicher Lebensjahre und -qualität.
Die 2. Studie (2008):
Nutzen und Kosteneffektivität der NET zur Raucherentwöhnung bei Rauchern mit definierten Vorerkrankungen
Die zweite Untersuchung stellt ein Folgeprojekt der beschriebenen Studie dar. Der grundlegende Ansatz und die Modellstruktur sind analog aufgebaut, neu einbezogen als Basis dieser Untersuchung wurde der nachgewiesene Einfluss des Rauchens auf die Entstehung und Entwicklung von Lungen (COPD)- sowie Herz-/Kreislauferkrankungen und Diabetes (DMT2). Vor diesem Hintergrund wird die Raucherentwöhnung besonders zur Sekundär- und Tertiärprävention bei bereits Erkrankten empfohlen. Einen Einblick in quantitative Teilergebnisse dieser Studie gibt Tabelle 3.
Auch die neuen Studienergebnisse belegen, dass die Raucherentwöhnung bei den genannten Vorerkrankungen nicht nur medizinisch notwendig, sondern auch aus GKV-Perspektive kosteneffektiv sind. Finanzielle Mittel, die in diesem Bereich für die medikamentöse Raucherentwöhnung ausgegeben werden, könnten durch eingesparte Folgekosten bereits in einem Zeithorizont von etwa drei Jahren durch Einsparungen überkompensiert werden.
Diskussion der Studienergebnisse Studie 2
Um die Robustheit der Aussagen sicherzustellen, wurden mehrere Sensitivitätsanalysen durchgeführt und nicht zuletzt wurden die Annahmen sehr restriktiv gewählt. Exemplarisch kann dies anhand der Problematik des Passivrauchens verdeutlicht werden, dessen Berücksichtigung die Kosteneffektivität der NET weiter verbessern würde, hier aber vollständig ausgeklammert wurde. Überdies wurde bei der Abschätzung künftiger Gesundheitskosten auf die Fortschreibung der Kostenentwicklung im Sinne einer Innovationskomponente verzichtet, obgleich die überproportionale Inanspruchnahme der Gesundheitsversorgung durch Raucher die Kosteneffektivität eher unterschätzt.
Intangible Effekte konnten nicht in die hier vorgestellten Modellrechnungen einfließen, spielen aber im vorliegenden Zusammenhang eine wichtige Rolle. Die Verringerung von Leid und Schmerz, die mit der Vermeidung von Krankheiten durch erfolgreichen Tabakentzug einhergeht, ist der Nikotinersatztherapie wie gezeigt in höherem Maße beizumessen als einer nichtmedikamentösen Strategie.
Gesundheitspolitische Schlussfolgerungen
und Ausblick
Sowohl die medizinische als auch die gesundheitsökonomische Sichtweise wirft die Frage auf, ob der Behandlung der Tabakabhängigkeit im Rahmen der öffentlichen Gesundheitsförderung ein höherer Stellenwert beizumessen ist und ob man hierbei verstärkt auf die Effektivität der Nikotinersatztherapie setzen sollte. Erhärtet wird dies durch die experimentell ermittelte Kosteneffektivität auch unter Bedingungen einer für den Anwender kostenfreien NET-Medikation. Gegenwärtig besteht der Eindruck, dass die in dem vorliegenden Modell aufgezeigten positiven Effekte medizinischer und gesundheitsökonomischer Art in der Praxis nicht ausreichend realisiert werden.
Die Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung deuten ebenso darauf hin, dass die Kategorisierung als Lifestylepräparat im Hinblick auf den gesellschaftlichen Nutzen der NET nicht angemessen erscheint. Von einer sozialrechtlichen Änderung könnte aber ein wichtiges Signal an die Fachkreise und die Patienten ausgehen besonders für die Behandlung von Rauchern mit definierten Vorerkrankungen, da der Einfluss des Rauchens auf die Entstehung und Entwicklung von Lungen- sowie Herz-/Kreislauferkrankungen und Diabetes evident und gut dokumentiert ist. Vor diesem Hintergrund ist die Raucherentwöhnung zur Sekundär- und Tertiärprävention bei bereits Erkrankten in den genannten Bereichen zu empfehlen. Die Ergebnisse der hierzu durchgeführten zweiten Studie zeigen, dass die Raucherentwöhnung bei den genannten Vorerkrankungen auch aus Sicht der GKV kosteneffektiv ist. Finanzielle Mittel, die in diesem Bereich für die medikamentöse Raucherentwöhnung ausgegeben werden, können durch eingesparte Folgekosten bereits in einem Zeithorizont von etwa drei Jahren durch Einsparungen überkompensiert werden. <<