Abstracts by keywords: integrated care
Gesundheitssysteme in westlichen Gesellschaften stehen alle vor ähnlichen Herausforderungen: Die Komplexität der Gesundheitsversorgung nimmt zu, nicht zuletzt durch die demografisch bedingte Zunahme chronischer Erkrankungen und Multimorbidität (Sin, Askar et al. 2015, Seger and Gaertner 2020) und die fortschreitende Spezialisierung und Fragmentierung in der Medizin. Gleichzeitig besteht ein eklatanter Fachkräftemangel, insbesondere in ländlichen Regionen, der schon lange nicht mehr nur die Pflege und die hausärztliche Versorgung betrifft (Deutsches Institut für angewandte Pflegeforschung e.V. Köln 2021). Vor diesem Hintergrund gilt es, die vorhandenen Ressourcen in Bezug auf Expertise und Leistungserbringung optimal zu nutzen. Der deutsche Wissenschaftsrat postulierte interprofessionelle Zusammenarbeit als Strategie für eine effektive Organisation von Gesundheitsdienstleistungen, um die komplexen Herausforderungen der Versorgung in Zukunft meistern zu können (Wissenschaftsrat 2012).
22.07.2022
Die hohen Rücklagen des Gesundheitsfonds und einzelner Krankenkassen rufen vor allem die Lobbyisten auf den Plan, die dem „Weiter so“ und dem „Mehr vom Bisherigen“ das Wort reden. Hier ein Pflästerchen zugunsten der Krankenhäuser, dorteines gegen beunruhigende Auswüchse der unterschiedlichen GKV- und PKV-Honorierungen und, nicht zu vergessen, mehr Geld für die Sicherstellung der ländlichen Versorgung. Die Große Koalition stellt sich auch eher auf das Klein-Klein derinkrementellen Reformen ein, eröffnet allerdings mit einem Innovationsfonds von jährlich 300 Millionen Euro ein neues Tor für innovative, sektorenübergreifende Versorgungsformen. Gleichzeitig wissen alle Beteiligten, dass abhängig von derKonjunktur- und Immigrationsentwicklung voraussichtlich ab 2016 oder 2017 den Sozialleistungsträger wieder Finanzierungsprobleme bevorstehen, die grundsätzlichere Reformen erfordern und sich zudem in den Folgejahren deutlich erhöhen. Der US-Innovationsökonom Clayton Christensen formuliert nun die These, dass die eigentlichen disruptiven Innovationen oder Sprunginnovationen nicht von der Politik, sondern von der zuliefernden Wirtschaft initiiert würden. Er hat hierzuüber viele Jahrzehnte Innovationsprozesse aus verschiedenen Wirtschaftsbereichen analysiert und kommt zu dem Ergebnis, dass es in all diesen Bereichen letztendlich immer wieder nach bestimmten Gesetzmäßigkeiten gelinge, günstigere Lösungen für eine größer werdende Zahl von Konsumenten zu entwickeln. Er analysierte auch das Gesundheitswesen. Auch in diesem sei die Zeit reif für günstigere Lösungen. Im Folgenden wird dieser These nachgegangen und es werden die Chancen und Hindernisse von Sprunginnovationen für das deutsche Gesundheitswesen abgewogen. Müssen wir im Gesundheitswesen wirklich immer automatisch davon ausgehen, dass alles teurer wird? Oder haben wir uns in ein System verrannt, das genau diese Teuerungsspirale produziert, und gibt es Wege, dort wieder herauszukommen? Was können wir aus der Analyse der Innovationsgesetzmäßigkeiten anderer Branchen für die Zukunft unseres Gesundheitswesens lernen? Welche Rolle spielen dabei neue Geschäftsmodelle, die auf Outcome statt auf Leistungsmenge ausgerichtet sind? Und vor allem: Wer werden die Marktteilnehmer sein, die diese Sprunginnovationen auf den Weg bringen werden?
24.01.2013
Der Koalitionsvertrag 2013 erwähnt im Abschnitt „Gesundheit und Pflege“ (abgesehen vom neuen Innovationsfonds) nicht ein einziges Mal die Worte Innovation und Fortschritt, aber dafür wird diesem Aspekt im wirtschaftspolitischen Teil des Vertrages sehr breit Rechnung getragen. Kernpunkt ist dabei das Ziel, mindestens 3 % des Bruttoinlandproduktes zukünftig in Forschung und Entwicklung zu investieren. Um dies zu erreichen, wird im Vertrag sehr prominent auch das Gesundheitswesen erwähnt, für das die Bundesregierung beispielsweise plant, innovative Produkte und Prozesse im Bereich der individualisierte Medizin sowie in der Geschlechter- und Altersmedizin zu fördern. Allerdings stellt sich die Frage, welche Effekte solche Forschungsinitiativen auf die tatsächliche Versorgung im Gesundheitssystem haben, ob also die Translation in den Versorgungskontext gelingt und angemessene Verfahren und Beurteilungsmethoden zur Verfügung stehen, um darüber zu entscheiden, welche Innovationen tatsächlich einen medizinischen oder gesellschaftlichen Fortschritt darstellen und daher überhaupt den Weg in die allgemeine Versorgungspraxis finden sollten. Dies ist Gegenstand der Versorgungsforschung, bei der es aus gesundheitsökonomischer Sicht immer um die Abwägung zwischen dem festgestellten Nutzen einer Maßnahme und dem zu ihrem Einsatz erforderlichen Ressourceneinsatz geht. Die Nutzung dieser Erkenntnisse ist je nach Leistungssektor im Gesundheitswesen höchst unterschiedlich, was auf Nachholbedarf hindeutet, der im vorliegenden Beitrag thematisiert werden soll. Ausgangspunkt soll zunächst eine kurze Abgrenzung von Innovation und Fortschritt sein, um dann zu diskutieren, welchen Beitrag Kosten- und Nutzenanalysen bei dieser Unterscheidung leisten können.
24.01.2013
In einem vorangestellten Artikel (s. MVF 06/12) wurde theoretisch herausgearbeitet, dass der Balanced Scorecard (BSC)-Ansatz ein hilfreiches System für das Performance Management (PM) von Netzwerken im Gesundheitswesen darstellen kann (vgl. Pimperl et al. 2012). Dieser zweite Artikel fokussiert auf Aspekte der praktischen Umsetzbarkeit. Ziel ist es, anhand einer Fallstudie im Einzelfalldesign (vgl. zur Methodik z.B. Yin 2003; Eisenhardt 1989) den Entwicklungs- und Implementierungsprozess in einem integrierten Versorgungssystem im deutschen Gesundheitswesen zu erörtern. Als Fallbeispiel dient das IV-Modell Gesundes Kinzigtal.
24.01.2013
Auch im deutschen Gesundheitswesen werden im ambulanten und stationären Sektor immer wieder die unflexiblen und nahezu leistungsfeindlichen Vergütungssysteme moniert. Insbesondere durch den Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen 2007 und Aktivitäten der Kassenärztlichen Bundesvereinigung lässt sich nun aber auch in Deutschland eine steigende Dynamik in Richtung P4P beobachten. In diesem Zusammenhang nehmen die Regelungen über Selektivverträge eine besondere Stellung ein. Dabei ist es eigentlich nur konsequent, jene, die überdurchschnittliche Leistungen erbringen, und/oder jene, die sich erheblich verbessert haben, zu honorieren. Erfahrungen zu Konzepten liegen schwerpunktmäßig aus den USA und Großbritannien vor. Der erste hier exemplarisch vorgestellte Ansatz wurde von der Integrated Health Association (IHA), einem Zusammenschluss aus unterschiedlichsten Akteuren des Gesundheitswesens, in Kalifornien entwickelt. Als ein weiterer innovativer Ansatz in der europäischen Diskussion wird die Neuordnung der hausärztlichen Vergütung in Großbritannien herangezogen. Die Situation ist allerdings grundsätzlich eine andere als in den amerikanischen Modellen, da es hier um die leistungsorientierte Verteilung zusätzlicher Gelder geht. Obwohl es noch keine validen Evaluationsergebnisse gibt, fand der Sachverständigenrat (SVR) in 21 von 28 Studien positive Ergebnisse. Entsprechend ist P4P in der internationalen Diskussion eine der bedeutendsten Entwicklung der vergangenen Jahre.