Monetäre Anreize gezielt einsetzen – das Konzept qualitäts-orientierter Vergütung
Wie so viele Managementinstrumente hat auch dieses Instrument seinen Ursprung in den USA, vor allem angestoßen durch die bedeutende Publikation „Crossing the Quality Chasm“ des Institute of Medicine (IOM) in 2001. In ihr wurden erhebliche Mängel in der Versorgungsqualität des amerikanischen Gesundheitswesens moniert. Demnach erhielten nur etwa 55 Prozent der Amerikaner die empfohlene – leitlinienkonforme – Behandlung. Aber auch die Kosten variierten unerklärbar um den Faktor zwei je nach Region, ohne Unterschiede in der Versorgungsqualität [vgl. IOM 2006, McGlynn 2003]. Die gezielte Gestaltung von Vergütungssystemen wurde in der Studie als ein wesentlicher Faktor identifiziert, um Qualitätsdefizite zu beheben.
>> Auch im deutschen Gesundheitswesen werden im ambulanten und stationären Sektor immer wieder die unflexiblen und nahezu leistungsfeindlichen Vergütungssysteme moniert. Insbesondere durch den Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen 2007 [SVR 2007] und Aktivitäten der Kassenärztlichen Bundesvereinigung lässt sich nun aber auch in Deutschland eine steigende Dynamik in Richtung P4P beobachten. In diesem Zusammenhang nehmen die Regelungen über Selektivverträge eine besondere Stellung ein. Auch wenn sie noch eine relativ geringe Bedeutung am Gesamtversorgungsvolumen ausmachen, bieten sie einen idealen Einstieg in neue Vergütungskonzepte. Dies gilt sowohl für die Integrierte Versorgung gem. § 140 a-d SGB V, als auch für die nun verpflichtend abzuschließenden Verträge zur hausarztzentrierten Versorgung sowie die spezielle fachärztliche ambulante Versorgung gem. § 73c SGB V.
Dabei ist es eigentlich nur konsequent, jene, die überdurchschnittliche Leistungen erbringen, und/oder jene, die sich erheblich verbessert haben, zu honorieren [IOM 2006]. In nahezu allen anderen Branchen ist die Integration erfolgsrelevanter Komponenten als Teil der Gesamtvergütung üblich. Die Thematik der qualitätsorientierten Vergütung im Gesundheitswesen ist aber mit einer besonderen Herausforderung konfrontiert, welche in der Bestimmung von Qualitätsmesseinheiten und Leistungsindikatoren liegt. Das Gesundheitswesen lässt sich kaum auf die Ergebnisbeurteilung anhand betriebswirtschaftlicher Kennzahlen reduzieren. Vielmehr ist es von zentraler Bedeutung, die Vergütung an das Erreichen festgelegter Ziele zu knüpfen. Dabei spielen nicht nur Elemente, die durch den Arzt beeinflusst werden eine zentrale Rolle. Externe Faktoren wie Charakteristika zu versorgender Populationen sowie regionale Unterschiede müssen im Rahmen einer Risikoadjustierung berücksichtigt werden.
Konzeptioneller Ausgangspunkt
Das Konzept der qualitätsorientierten Vergütung ist zum einen eng an die Methodik der Evidenzbasierten Medizin gebunden. Dadurch soll der durch den Leistungserbringer individuelle Entscheidungsprozess einer Behandlung durch den medizinisch wissenschaftlichen Erkenntnisstand gestützt werden. Zum anderen entstammt das Konzept der Motivations- und Organisationstheorie. Das Ziel ist hier die Leistungserbringer mit positiven Anreizinstrumenten zur kontinuierlichen Leistungssteigerung zu motivieren [Cannon 2006, SVR 2007]. Anreize in einer qualitätsorientierten Vergütung können sich entweder auf eine Belohnung bei Zielerreichung orientieren oder sowohl eine Belohnung (bei Erreichung bzw. Übertreffen vereinbarter Ziele) als auch eine Sanktionierung (bei Nicht-Erreichen von vereinbarter Zielen) vorsehen. Die Entscheidung für oder gegen die Alternativen hängt von Faktoren wie übergeordneten Zielen des Gesundheitssystems, Akzeptanz bei den Akteuren und dem Vorhandensein finanzieller Mittel ab.
Genau wie andere Vergütungssysteme birgt aber auch die qualitäts-orientierte Vergütung Vor- und Nachteile. So wird auf die Gefahr des „gaming“ [vgl. IOM 2006] oder eine negative Risikoselektion der ressourcenintensiven Patienten [vgl. Keogh et al 2004] hingewiesen. Dennoch verspricht sie bei konsequenter Umsetzung einen erheblichen Anreiz zur kontinuierlichen Qualitätsverbesserung in der Versorgung: Je besser die Qualität der Behandlung, desto höher die Vergütung. Das Ergebnis ist hierbei eine zu definierende Zielgröße.
Die Konstruktion einer qualitätsorientierten Vergütung setzt die grundsätzliche Klärung von vier Sachverhalten voraus [Kongstvedt 2001]:
1. Was ist Erfolg, respektive Qualität?
2. Welche Indikatoren sind zur Messung der Qualität geeignet?
3. Wie sind die ausgewählten Indikatoren durch ein Punkte-
system zu gewichten?
4. Wie sind die Punkte wiederum in Geld zu bewerten?
Qualitätsrelevante Indikatoren
Vor allem die Festlegung von Indikatoren stellt eine Herausforderung dar. Neben formalen Eigenschaften wie Transparenz, Vollständigkeit und Widerspruchsfreiheit, ist die Forderung nach Validität – Kausalität zwischen Aktivitäten des Leistungserbringers und dem Gesundheitsergebnis – von elementarer Bedeutung und birgt das größte Konfliktpotenzial [Kerr et al. 2000]. Insbesondere bei primärärztlicher Tätigkeit oder chronischen Erkrankungen ist die Kausalität und somit die Kontrollierbarkeit durch den Leistungserbringer aber nur schwach ausgeprägt bzw. erst langfristig spürbar. In beiden Fällen spielt die Therapietreue des Patienten (Compliance) für den Behandlungserfolg an sich und die Risikostruktur des Patienten für die Art des Behandlungserfolgs eine entscheidende Rolle.
Surrogatparameter als Alternative
Regelmäßig wird die Debatte um adäquate Qualitätsindikatoren durch Zuhilfenahme greifbarer Struktur- und Prozessindikatoren abgemildert. Die Überlegungen führen auf das in der Medizin anerkannte Gedankenkonstrukt von Avedis Donabedian zurück, wonach eine unmittelbare Kausalität zwischen Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität besteht [Donabedian 1966]. Demnach erhöhen Verbesserungen in der Struktur (z. B. Qualifikation des Personals oder Steigerung des technischen Geräteniveaus) und dem Leistungsprozess (z. B. Einführung und Weiterentwicklung evidenzbasierter Behandlungspfade) die Wahrscheinlichkeit, dass auch Verbesserungen im Ergebnis erreicht werden. Allerdings verlieren Struktur- und Prozessparameter mit fortschreitender Ausreifung des Konzepts an Bedeutung. Zur Erreichung des letztendlichen Ziels einer verstärkten Konzentration auf die eigentliche Zielgröße – der Behandlungsqualität – sollten diese Parameter nur als Übergangsgrößen eingesetzt werden [Cannon 2006].
Konkrete Messparameter
Neben der grundsätzlichen Auseinandersetzung, auf welchen Ebenen (einzelner Arzt oder Ärztekollektive) die Qualitätsmessung erfolgen soll, ist in einem weiteren Schritt zu klären, welche konkreten Parameter zur Messung herangezogen werden. Je nach Art der Anreize (monetäre, nicht-monetäre oder eine Kombination) kann diese Frage durch die Klärung einer weiteren Frage – welche Möglichkeiten zur Mittelgenerierung für die erfolgsorientierte qualitätsorientierte Vergütung bestehen – angegangen werden. Grundsätzlich existieren drei Möglichkeiten der Mittelgenerierung [IOM 2006, Rosenthal 2007]:
1. Umverteilung bestehender Gelder
2. zusätzliche Mittelneugenerierung und
3. Mittelgenerierung durch Einsparungen.
Erstgenannte Option beinhaltet erhebliche Sprengkraft und ist nur schwer umzusetzen. Demgegenüber ist die zweite Option auf Seite des Leistungsfinanziers eher schwer durchzusetzen. Aufgrund vermuteter Ineffizienzen im Gesundheitssystem wird der dritten Möglichkeit – Mittelgenerierung durch Einsparungen – ein hohes Potenzial beigemessen. Demnach kann eine kontinuierliche Steigerung der Qualität ermöglicht werden, ohne zusätzliche Mittel zu generieren.
Entlang den Dimensionen Struktur-Prozess-Ergebnisqualität gibt es einige Indikatoren, die oftmals zur Leistungsbewertung in der Praxis herangezogen werden (Abb. 1). Erhebliches Effizienz- und Qualitätspotenzial verspricht man sich beispielsweise durch den gezielten Einsatz übergreifender Informationstechnologie. Dementsprechend werden zur Messung der Strukturqualität häufig IT-Indikatoren als Bewertungsgrundlage aufgestellt. Neben verschiedenen Prozessindikatoren und Indikatoren zur Kosteneffizienz wird der Patientenzufriedenheit als Bewertungsdimension eine besondere Bedeutung beigemessen. Dadurch soll den Bedürfnissen der Patienten entsprochen werden und die Therapietreue gefördert werden. Dementsprechend erhöht sich auch die Wahrscheinlichkeit, dass den Erfolg begünstigende Therapie- und Medizinanweisungen des Arztes auch Folge geleistet werden.
Besonders bedeutend ist die Zunahme von Ergebnisindikatoren. Dies ist Ausdruck dafür, dass die Systeme immer ausgereifter werden.
Public Reporting – Die zweite Säule von P4P
Die qualitätsorientierte Vergütung ist allerdings nur ein Instrument unter verschiedenen, um eine bedarfsgerechte Versorgung voranzutreiben. Entsprechend klassischer Motivationstheorien sind monetäre, aber auch nicht-monetäre Anreizsysteme in Kombination einzusetzen, um Vertragspartner zur Umsetzung gemeinsam definierter Ziele zu motivieren [IOM 2006, Sorbero 2006]. Im Sinne von Managed Care gilt es, die unterschiedlichen Instrumente sinnvoll zu kombinieren und zu einem konsistenten Vergütungssystem zusammenzufügen.
Der Grundgedanke von Public Reporting baut auf der Annahme auf, dass Wettbewerb nur funktionieren kann, wenn Patienten informiert sind (oder zumindest die Möglichkeit haben, informiert zu sein) und somit eine solide Entscheidungsgrundlage haben, entsprechend ihrer Bedürfnisse einen Leistungserbringer zu wählen. Demnach werden durch Public Reporting dem Patienten umfassende und laienverständliche Informationen zur Verfügung gestellt.
Durch diese Informationsbereitstellung wird ein Leistungsvergleich anhand festgelegter Referenzwerte begünstigt. Diese Art des Benchmarkings ist nicht nur für Patienten, sondern auch für Leistungserbringer mindestens gleichermaßen bedeutend. Leistungserbringer analysieren sehr sorgfältig leistungsbewertende Informationen wie Ratings und haben ein Interesse an ihrem bewerteten Leistungsstand und diesem im Vergleich zu ihren Kollegen [Doran 2006]. Somit wird Public Reporting als ein nicht-monetärer Anreiz in P4P bewertet. Als ein Referenzmodel wird hierbei häufig das Office of Patent Advocacy in Kalifornien (www.opa.ca.gov) herangezogen.
Bezugspunkte setzen
Neben der entscheidenden Frage, welche Indikatoren zur „Qualitätsmessung“ geeignet sind, beschäftigt sich der zweite entscheidende Aspekt mit den zu wählenden Bezugsgrößen. Grundsätzlich gibt es hier fünf Möglichkeiten [IOM 2006]:
1. Die absolute Zielerreichung (Bonus, wenn x erreicht)
2. Die relative Zielerreichung (Bonus, wenn zu den x %
besten gehörend)
3. Die Veränderung im Gegensatz zum Vorjahr (x % besser als ...)
4. Der Vergleich mit einer Kontrollgruppe
5. Kombination aus den vier vorangegangenen.
Im Kontext des deutschen Gesundheitswesens ist, wie eingangs erläutert, die qualitätsorientierte Vergütung noch primär Teil der Selektivverträge, d.h. dort wo Vertragsfreiheit besteht. Dabei ist entscheidend, dass das Indikatorensystem partizipativ von den Vertragspartnern entwickelt wird. Nur so kann die erforderliche Akzeptanz der Ärzteschaft zur erfolgreichen Umsetzung des Konzepts erzielt werden. Die besondere Herausforderung ist dabei, sowohl die „Leistungsschwächeren“ als auch die „Top-Performer“ zu motivieren. Erstere müssen motiviert werden, ihre Leistung zu steigern (relative Verbesserung als Maß), die anderen demgegenüber ihr Niveau zumindest zu halten (absolutes Maß; die besten x %).
Des Weiteren ist auch eine Entscheidung darüber zu treffen, ob die Behandlungsqualität eines einzelnen Arztes oder eines Ärztekollektivs als Bemessungsgrundlage herangezogen wird. Aufgrund der großen Bedeutung von Systemfaktoren sollten Vergütungsanreize vornehmlich an Organisationen ausgerichtet werden und nicht an einzelnen Ärzten. Die Kollektive dürfen dabei nicht zu groß sein, damit ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der eigenen Leistung und jener der unmittelbaren Kollegen und der Vergütung herstellbar ist [Bodenheimer 1996].
Monetäre Ausgestaltung von P4P
In der Regel wird P4P – wie auch in der Wirtschaftswelt – in Kombination mit anderen Vergütungsformen angewandt. Eine ausschließlich qualitätsorientierte Vergütung würde bei Nichterfüllung des Indikatoren-Sets zu einer absoluten Einkommenseinbuße, und somit zu erheblicher Unsicherheit bei den Leistungserbringern führen. Ein Vergütungssystem muss aber sowohl Motivation als auch Sicherheit gewährleisten. Deshalb bedient man sich eines zweistufigen Vergütungssystems; ein fixer Vergütungsanteil wird mit einem variablen qualitätsabhängigen Anteil kombiniert.
Abhängig von der Zielsetzung sind unterschiedliche Ausprägungen über die Höhe des variablen Anteils möglich und auch in der Praxis anzutreffen. Mit einer Spannweite von 2-25 Prozent ist der variable Anteil der Gesamtvergütung sehr unterschiedlich ausgeprägt. In den USA liegt der qualitätsorientierte Vergütungsanteil im Durchschnitt bei 1,40 US-Dollar pro HMO-Mitglied pro Monat. Die Spanne reicht dabei allerdings von 0,20 bis zu 15 US-Dollar [Rosenthal 2008]. Grundsätzlich ist jedoch eine ausgewogene Balance zwischen festem Vergütungsanteil und variablem Bonus zu finden: Leistungserbringer dürfen durch einen zu hohen qualitätsorientierten Anteil nicht verunsichert werden. Gleichfalls sollte der variable Anteil ausreichend Anreiz geben, nach dem bestmöglichen Gesundheitsergebnis zu streben.
Es zeigt sich in der Praxis allerdings, dass der Anteil relativ gesehen niedriger sein kann, als allgemein erwartet. Bereits 10 bis 20 Prozentpunkte können massive Anreizwirkungen haben. Bei größeren Kollektiven haben auch geringere qualitätsgebundene Anteile deutliche Auswirkungen auf die Höhe des Erlöses. Somit kann der qualitätsorientierte Vergütungsanteil je geringer sein, desto größer das Kollektiv. Dies gilt insbesondere dann, wenn es wenige Möglichkeiten gibt, extrabudgetäre Erlöse zu erzielen und die allgemeine Rentabilität niedrig ist.
Fallbeispiel aus den USA
Erfahrungen zu Konzepten liegen schwerpunktmäßig aus den USA und Großbritannien vor. Der erste hier exemplarisch vorgestellte Ansatz wurde von der Integrated Health Association (IHA), einem Zusammenschluss aus unterschiedlichsten Akteuren des Gesundheitswesens, in Kalifornien entwickelt (http://www.iha.org).
Seit 2000 arbeitet die IHA an einem umfassenden Ansatz zur leistungsorientierten Bewertung ärztlicher Tätigkeit. Health Plans, Arbeitgeber, Konsumenten u.v.m. sitzen an einem Tisch, um ein gemeinsames versicherungsübergreifendes Grundkonzept zu entwickeln. 2001 wurde ein bedeutender Meilenstein erreicht: sechs große Health Plans kundeten ihr Interesse, das Grundkonzept der Arbeitsgruppe zur Leistungsmessung von Ärztenetzen in der Praxis einzusetzen.
Eine entscheidende Zielstellung des Ansatzes liegt in der Festlegung möglichst konkreter Parameter. Dabei nehmen die Bewertungsdimensionen elektronische Patientenakte und leitlinienkonforme Behandlungspfade einen hohen Stellenwert ein. Die Kategorien zur Performance-Messung werden jährlich modifiziert (Tab. 1), so dass das Indikatorensystem stetig weiterentwickelt und an nicht vorhersehbare Gegebenheiten angepasst werden kann.
Eine weitere Stärke des Ansatzes liegt in der höchst partizipativen Entwicklung der Indikatoren. Dadurch wird der Bedeutung einer hohen Akzeptanz unter den Leistungserbringern nachgekommen und ein partnerschaftliches Verhältnis zwischen Leistungsfinanzierern und Leistungserbringern begünstigt. Aufgrund der verhältnismäßig kurzen Programmlaufzeit, stehen valide Evaluationsergebnisse allerdings noch aus.
Fallbeispiel aus Großbritannien
Als ein weiterer innovativer Ansatz in der europäischen Diskussion wird die Neuordnung der hausärztlichen Vergütung in Großbritannien herangezogen [Doran 2006]. Die Situation ist allerdings grundsätzlich eine andere als in den amerikanischen Modellen, da es hier um die leistungsorientierte Verteilung zusätzlicher Gelder geht. Im Jahr 2004 hat der National Health Service (NHS) beschlossen, 1,8 Mrd. Pfund, verteilt auf mehrere Jahre, zusätzlich zu vergüten. Für die Hausärzte bestand die Möglichkeit, das Einkommen um bis zu 25 Prozent zu erhöhen. Hierzu wurde ein Punktesystem entwickelt. Maximal konnten 1.050 Punkte erreicht werden, die sich auf 146 Indikatoren verteilten. Jeder Punkt wurde zum Anfang des Programms mit 75 Pfund bewertet. Somit könnten fast 80.000 Pfund pro Praxis zusätzliche Einkünfte generiert werden. Die Teilnahme an diesem Programm war für alle Hausärzte verpflichtend. In Großbritannien beschäftigt die durchschnittliche Hausarztpraxis drei Ärzte. Den Schwerpunkt bilden die Qualitätsindikatoren, die wiederum in Struktur, Prozess- und Ergebniskomponenten unterteilt sind. Konkret umgesetzt stellt sich dann die Bewertung dar, wie in Tab. 2 veranschaulicht.
Die Orientierung an den in der Medizin akzeptierten Dimensionen der Qualität nach Donabedian (Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität) sowie die sehr übersichtliche und einfache Messung haben dabei wesentlichen Einfluss auf die Akzeptanz dieses Vergütungskonzeptes.
Ein weiteres wesentliches Element des Programms ist, dass vorab definiert wurde, welche Patienten aus dem Programm ausgeschlossen werden können. Dabei spielen externe Effekte, wie Komorbiditäten eine wesentliche Rolle. Ziel ist es, das Problem des „gaming“ zu verhindern, aber auch den Bedarf der Versicherten gerecht zu werden. Besonders hervorzuheben ist auch, dass das gesamte Modell konsequent auf Risikoadjustierung aufbaut. Unterschiedliche krankheitsbedingte Herausforderungen werden auch unterschiedlich vergütet.
Insgesamt gilt das britische Modell als eines der Vorzeigeprojekte des NHS. Die Erwartungen, die an das Modell geknüpft waren, sind sehr unterschiedlich. Eine der zentralen Zielsetzungen ist die Optimierung des Versorgungsmanagements chronisch kranker Patienten. Damit fokussiert das Programm auf die bedeutendste Herausforderung moderner Gesundheitssysteme.
Eine wesentliche Rolle spielt hier auch der konsequente Einsatz neuer Technologien. Insbesondere die elektronische Patientenakte schnell einzuführen, war ein wesentliches Ziel. Neben diesen eher technologieorientierten Ansätzen war es auch eine wesentliche Zielsetzung, die berufsfeldübergreifende Kooperation zu fördern.
Erste Evaluationen zeigen eine deutliche Verbesserung des Leistungsniveaus. Dabei haben soziodemographische Charakteristika des Patienten und der Hausärzte einen signifikanten Einfluss. Die gesetzten Anreize haben außerdem zu einem verbreiteten Einsatz moderner Informationstechnologien geführt. Aber auch in Großbritannien konnte man die Risiken derartiger Ansätze gut beobachten. Nicht nur die Erhöhung der Verwaltungskosten ist hier anzuführen, sondern vor allem die Vernachlässigung nicht berücksichtigter Themen und die Schwächung holistischer Behandlungskonzepte. Außerdem stellte sich heraus, dass sich das Leistungsniveau der Ärzte einschneidend erhöht hatte und somit das Program deutlich teurer wurde als budgetiert.
Fazit
Obwohl es noch keine validen Evaluationsergebnisse gibt, fand der Sachverständigenrat (SVR) in 21 von 28 Studien positive Ergebnisse [SVR 2007]. Entsprechend ist P4P in der internationalen Diskussion eine der bedeutendsten Entwicklung der vergangenen Jahre [Berwick 2003, Kahn 2006]. Gleichzeitig ist dessen Umsetzung von erheblichen Herausforderungen begleitet. Die Erwartungen an dieses junge Konzept sollten daher nicht zu hoch angesetzt werden. Noch geht es um die Entwicklung von Grundlagen. Zudem stellt P4P nicht das einzige Instrument zur Gewährleistung einer qualitativ hochwertigen und gleichzeitig effizienten Versorgung dar. Andere Instrumente des Managed Care, wie die Integrierte Versorgung und die hausarztorientierte Versorgung, leisten bereits entscheidende Beiträge hierzu, und es gilt, P4P als ein Mosaikstein in diese zu integrieren.
Eine besondere Bedeutung in der konkreten Ausgestaltung des Konzepts liegt in der (Weiter-)Entwicklung valider Messparameter. Für eine hohe Akzeptanz unter der Ärzteschaft sind die Anwender des Systems – also insbesondere die Ärzte – in die Entwicklung valider Parameter zwingend mit einzubeziehen, weshalb der Ansatz höchst partizipativ auszugestalten ist. Zur Berücksichtigung lokaler Unterschiede ist ebenfalls eine adäquate Risikoadjustierung erforderlich. Hierdurch kann die Fallstruktur einzelner Leistungserbringer normalisiert und die Ergebnismessung auf die eigentliche ärztliche Leistung zurückgeführt werden. Der Einsatz von moderner Informationstechnologie dient hierbei als zentrale Datengrundlage. <<