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Die Prophylaxe des diabetischen Fußsyndroms ist defizitär

Das diabetische Fußsyndrom ist eine Folgeerkrankung des Diabetes mellitus und führt häufig zu nichttraumatischen Amputationen. Diese gehen mit hohen Krankheitskosten, Verlusten der Lebensqualität und einer hohen Mortalität einher (Heller et al. 2004). Unter Typ-2-Diabetespatienten tritt das diabetische Fußsyndrom mit einer Prävalenz von 6,5% auf (Lauterbach et al. 2010). Endogene Risikofaktoren wie z. B. die diabetische Polyneuropathie oder die periphere arterielle Verschlusskrankheit (pAVK) haben eine Prävalenz von 30% bzw. 25% (Lauterbach et al. 2010). Somit kommt der Prävention des diabetischen Fußsyndroms eine große Bedeutung zu. Neben den genannten endogenen Risikofaktoren spielen auch exogene Faktoren wie z. B. inadäquates Schuhwerk oder fehlerhafte Fußpflege eine entscheidende Rolle (Uccioli et al. 1995; Chantelau/Haage 1994; Brent et al. 2006). Nach dem Internationalen Consensus über den Diabetischen Fuß (1999) könnte u. a. durch regelmäßige Inspektionen der Füße und des Schuhwerks, durch Schulung von Patienten und Familienangehörigen und dem Tragen von geeignetem Schuhwerk die Prävalenz des diabetischen Fußsyndroms gesenkt werden. Eine wichtige und effektive Interventionsmaßnahme ist, Patienten zur Selbstinspektion ihrer Füße zu schulen und anzuleiten.

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Erstveröffentlichungsdatum: 24.02.2012

Abstrakt: Die Prophylaxe des diabetischen Fußsyndroms ist defizitär

Ziele dieser Studie waren die Ermittlung und Quantifizierung von Risikofaktoren und Indikatoren für die Entwicklung eines diabetischen Fußsyndroms durch patienteneigenes Verhalten und nicht bzw. fehlerhaft durchgeführte prophylaktische Maßnahmen der Fußpflege. Des Weiteren sollten Kenntnisstand und Problembewusstsein der Diabetespatienten untersucht werden. Material/Methode: Innerhalb von 6 Monaten wurden 93 zufällig ausgewählte Diabetespatienten zu ihrem Kenntnisstand zur Prävention des diabetischen Fußsyndroms, zu Fußpflegemaßnahmen und der Häufigkeit und den Ablauf von ärztlichen Untersuchungen systematisch befragt. Ergebnisse: 31% der Befragten hatten keine Kenntnis, ob bei ihnen eine diabetische Polyneuropathie und/oder eine periphere Durchblutungsstörung besteht. Nur 80% der befragten Patienten gaben an, ungeeignete Schuhe zu tragen und 78% führten ungeeignete Maßnahmen bei der hygienischen Fußpflege durch. Bei 75% der Befragten hatte der Arzt noch nie Schuhe und Strümpfe untersucht. Ein Risikofaktor, der negativ assoziiert ist mit der Entwicklung eines diabetischen Fußsyndroms ist das männliche Geschlecht (OR: 3,14). Sie nehmen weniger häufig eine podologische Behandlung in Anspruch und bei der Fußpflege benutzen Männer signifikant häufiger (p<0,001) ungeeignete Gegenstände als Frauen. Zusammenfassung: Diabetespatienten haben nicht ausreichend Kenntnis zur Prävention des diabetischen Fußsyndroms. Prophylaktische Maßnahmen, wie z. B. professionelle Fußpflege und das Tragen von geeignetem Schuhwerk sowie Routineuntersuchungen wie das Sichten von Füßen, Strümpfen und Schuhen werden nicht konsequent durchgeführt.

Abstract: Inadequate prevention of diabetic foot syndrome

The information gained through this study reveals that diabetes patients do not have adequate knowledge concerning the prevention of the diabetic foot syndrome. Prophylactic measures such as professional foot care and the wearing of appropriate shoes, as well as having the patient, his caring relative, or his doctor routinely inspect the patient’s feet, socks and shoes are not consistently practiced. Effective diabetic foot syndrome prevention can only be reached if the patient attains an awareness of the problem through ample access to information and practical training. In addition, doctors and specialized personnel need to educate the patients and to regularly inspect their feet.

Literatur

1. Heller G, Günster C, Schellschmidt H (2004) Wie häufig sind diabetesbedingte Amputationen der unteren Extremitäten in Deutschland? Eine Analyse auf Basis von Routinedaten. In Deutsche Medizinische Wochenschrift 2004; 129 (9): 429-433 2. Lauterbach S, Kostev K, Kohlmann T (2010) Prevalence of diabetic foot syndrome and its risk factors in Germany. In Diabetic Foot Journal 2010; 13(3): 137-141 3. Uccioli L, Faglia E, Monticone G et al. (1995) Manufactured shoes in the prevention of diabetic foot ulcers. In Diabetes Care October 1995; 18(10): 1376-1378 4. Chantelau E, Haage P (1994) An audit of cushioned diabetic footwear: relation to patient compliance. In Diabetic Medicine 1994; 11(1):114-6. 5. Brent P, Nixon DG, Armstrong C et al. (2006) US Veterans Wear Appropriately Sized Shoes? The Veterans Affairs Shoe Size Selection Study. In Journal of the American Podiatric Medical Association 2006; 96(4): 290–292 6. Armstrong DG, Lavery LA (1998) Diabetic foot ulcers: prevention, diagnosis and classification. In American Fam Physician 1998 57 (6):1325-1332 7. Haslbeck M (2000) Das diabetische Fußsyndrom: Eine interdisziplinäre diagnostische und therapeutische Herausforderung. In MMW Fort schrift Med. 2000; 142: 39-45 8. Morbach S, Müller E, Reike H et al. (2004) Diagnostik, Therapie, Verlaufskontrolle und Prävention des diabetischen Fußsyndroms. Evidenzbasierte Diabetes-Leitlinie DDG. Hrsg. Scherbaum WA, Kiess W, Landgraf R. Diabetes und Stoffwechsel 2004 13(2): Kirchheim, Mainz 9. Davidson JK, Alonga M, Goldsmith M et al. (1981) Assessment of programm effectiviness at Grady Memorial Hospital Altana. In Steiner G. An Lawrance (eds.) Education Diabetic Patients. New York: Springer; 1981; 329-348 10. Nalini S, Armstrong DG, Lipsky BA (2005) Preventing Foot Ulcers in Patients With Diabetes. In Journal of American Medical Association 2005; 293:217-228 11. Apelqvist J, Larsson J, Agardh CD (1993) Long-term prognosis for diabetic patients with footulcers. In Journal of Internal Medicine 1993; 233:485-491 12. Litzelman D, Slemenda W, Langefeld C et al. (1993) Reduction of lower extremity clinical abnormalities in patients with non-insulin-dependent diabetes mellitus. A randomized, controlled trial. In Annals of Internal Medicine 1993; 119:36-41 13. Levin ME (1995) Preventing Amputation in the Patient with Diabetes. Diabetes Care 1995; 18:1383-1394 14. Barnett SJ, Shield JPH, Potter MJ et al. (1995) Foot Pathology in Insulin Dependent Diabetes. In Archives of Disease in Childhood 1995; 73:151-153 15. Spraul M (1999) Prävention des diabetischen Fußsyndroms. In Internist 1999; 40:1056-1066 16. International Consens Working Group; International Consens on diagnosing and treating the infected diabetic foot; 2003 17. Lauterbach S, Kostev K, Becker R (2010) Characteristics of diabetic patients visiting a podiatry practice in Germany. In Journal of Wound Care 2010; 19(4):140-148

Zusätzliches

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Die Prophylaxe des diabetischen Fußsyndroms ist defizitär

Das diabetische Fußsyndrom ist eine Folgeerkrankung des Diabetes mellitus und führt häufig zu nichttraumatischen Amputationen. Diese gehen mit hohen Krankheitskosten, Verlusten der Lebensqualität und einer hohen Mortalität einher (Heller et al. 2004). Unter Typ-2-Diabetespatienten tritt das diabetische Fußsyndrom mit einer Prävalenz von 6,5% auf (Lauterbach et al. 2010). Endogene Risikofaktoren wie z. B. die diabetische Polyneuropathie oder die periphere arterielle Verschlusskrankheit (pAVK) haben eine Prävalenz von 30% bzw. 25% (Lauterbach et al. 2010). Somit kommt der Prävention des diabetischen Fußsyndroms eine große Bedeutung zu. Neben den genannten endogenen Risikofaktoren spielen auch exogene Faktoren wie z. B. inadäquates Schuhwerk oder fehlerhafte Fußpflege eine entscheidende Rolle (Uccioli et al. 1995; Chantelau/Haage 1994; Brent et al. 2006). Nach dem Internationalen Consensus über den Diabetischen Fuß (1999) könnte u. a. durch regelmäßige Inspektionen der Füße und des Schuhwerks, durch Schulung von Patienten und Familienangehörigen und dem Tragen von geeignetem Schuhwerk die Prävalenz des diabetischen Fußsyndroms gesenkt werden. Eine wichtige und effektive Interventionsmaßnahme ist, Patienten zur Selbstinspektion ihrer Füße zu schulen und anzuleiten.

>> Die Behandlung und Betreuung von Patienten mit diabetischem Fußsyndrom kann nur interdisziplinär funktionieren (Haslbeck 2000). Nationale Versorgungsleitlinien, Disease Management Programme und strukturierte Patientenschulungen sind längst etabliert, doch viele Diabetespatienten wissen nicht, dass sie für ihre Füße selbst viel tun müssen (Morbach et al. 2004). Eine effektive Prävention des diabetischen Fußsyndroms setzt voraus, dass Risikopatienten frühzeitig erkannt werden, den Patienten dieses Risiko vermittelt wird und dann nachhaltige Schulungen und engmaschige Kontrollen aller Risikofaktoren durchgeführt werden (Davidson et al. 1981). Bei der Betreuung der Patienten müssen Eigenverantwortung und Problembewusstsein aufgebaut werden (Nalini et al. 2005).
Zahlreiche Studien belegen die Wichtigkeit regelmäßiger Fuß- und Schuhuntersuchungen hinsichtlich der Prävention (Apelqvist et al. 1993; Litzelmann et al. 1993; Levin 1995; Barnett et al. 1995). Aber nur wenige Studien zeigen das Problembewusstsein und den Kenntnisstand der Patienten und die von ihm durchgeführten Maßnahmen. Daher war das Ziel der vorliegenden Studie die Ermittlung und die Quantifizierung von Risikofaktoren und Indikatoren für die Entwicklung eines diabetischen Fußsyndroms durch patienteneigenes Verhalten und nicht bzw. fehlerhaft durchgeführte prophylaktische Maßnahmen. Dazu wurden Diabetespatienten zu ihrem Kenntnisstand über die Prävention des diabetischen Fußsyndroms und über persönliche Verhaltensmaßnahmen befragt.
Material und Methoden
Befragungsort und Zeitraum
Im Zeitraum von Januar bis Juli 2008 wurden im Roten Kreuz Krankenhaus in Kassel und einer angegliederten diabetologischen Schwerpunktpraxis zufällig ausgewählte Diabetespatienten über ihren Kenntnisstand zur Prävention des diabetischen Fußsyndroms, Fußpflegemaßnahmen, der Häufigkeit und den Ablauf der ärztlichen Untersuchungen systematisch befragt. Die Studienpatienten wurden von einer Interviewerin über die Studie informiert und ihre Zustimmung zur Teilnahme eingeholt. Weiterhin wurden die Studienpatienten aufgeklärt, dass die Erhebung und die Beantwortung der Fragen in keiner Beziehung zu dem individuellen Verlauf und der Behandlung ihrer Erkrankung stehen. Der Fragebogen enthielt 20 geschlossene Fragen mit vorgegebenen Antworten bzw. Antwortkategorien. Die Fragen und Antworten wurden allen Studienpatienten in gleicher Reihenfolge vorgelesen und die Antworten direkt auf dem Fragebogen vermerkt. Die Datenerhebung erfolgte strikt anonym. Es wurden 93 Patienten mit manifestem Diabetes mellitus Typ 1 oder Typ 2 innerhalb von 6 Monaten befragt. Eine repräsentative Befragung war nicht vorgesehen.
Verhaltensbedingte Einflussfaktoren auf die Entwicklung eines diabetischen Fußsyndroms wurden in „geeignete“ und „ungeeignete Maßnahmen“ differenziert und unter allen Studienpatienten geschlechtsspezifisch analysiert.
Klassifikation
Für die Bewertung des Schuhwerkes und der Fußpflegemaßnahmen wurde ebenso eine Aufteilung in „geeignete“ und „ungeeignete“ getroffen:
Als geeignet gelten: ausreichend große Schuhe mit einer festen Sohle (auch für den häuslichen Bereich), tägliche Dusche mit anschließender Inspektion der Füße und Zehenzwischenräume, Verwendung rückfettender Cremes/Harnstoffcremes, Verwendung von Feilen zum Kürzen der Nägel.
Als ungeeignet gelten: Offene Schuhe, wie z. B. Sandalen oder Badeschuhe, Sportschuhe mit weicher Sohle, Gummistiefel, Gesundheitsschuhe mit vorgeformtem Fußbett, Filzpantoffeln, in Strümpfen bzw. barfuß laufen, Schere/Nagelknipser, Hornhauthobel, Hühneraugenpflaster, Fußbäder, Verwendung von alkalischen Seifen.
Risikofaktoren für die Entstehung eines diabetischen Fußsyndroms: Wunden am Fuß während der Diabetesdauer, periphere Durchblutungsstörungen, diabetische Polyneuropathie.

Auswertung
Die Auswertung erfolgte deskriptiv. Für die Anteile wurden 95 %-Konfidenzintervalle berechnet. Die Häufigkeit kategorialer Merkmale und die Prüfung der Assoziation kategorialer Merkmale in den Gruppen wurden mittels chi2-Test verglichen. Die Häufigkeit ordinaler Variablen in den Gruppen wurde mit dem Wilcoxon Test für nicht-parametrische Verteilungen berechnet. Für die Berechnung der Zusammenhänge zwischen den ordinalen Variablen wurde die Spearman-Correlation angewendet. Alle Auswertungen erfolgten mit dem Statistikprogramm SAS Version 9.2.

Ergebnisse
Von den 93 befragten Patienten waren 46 Frauen und 47 Männer. 85% hatten einen Typ 2 Diabetes. Die mittlere Diabetesdauer lag bei 15,6 Jahren. Über die Hälfte der Befragten war älter als 65 Jahre.

Patientenwissen/Kenntnisstand
31% der befragten Patienten (n=93) hatten keine Kenntnis, ob bei ihnen eine diabetische Polyneuropathie und/oder eine periphere Durchblutungsstörung vorliegt. Der Unterschied in der Kenntnislosigkeit zwischen Männern und Frauen war nicht signifikant (p=0,234).

Analyse des präventiven Patientenverhaltens
Nur 20% der befragten Patienten (n=90) gaben an geeignete Schuhe zu tragen. Allerdings trugen auch 48% offene Schuhe, z. B. Sandalen oder Badeschuhe. Des Weiteren gaben 15% der befragten Diabetespatienten an, Gesundheitsschuhe mit vorgeformtem Fußbett zu tragen. Der Unterschied in Bezug auf das Tragen geeigneter Schuhe zwischen Männern und Frauen war nicht signifikant (p=0,641) (Abb. 1.).
Über die Hälfte der befragten Patienten (n=93) trugen im häuslichen Bereich ungeeignete Schuhe. Der Unterschied zwischen Männern und Frauen war auch hier nicht signifikant (p=0,631) (Abb. 2).
Bei der Frage nach der Versorgung mit speziellem Diabetikerschuhwerk gaben 57% der Männer an spezielles Schuhwerk für Diabetespatienten wie z. B. adaptierte Konfektionsschuhe oder Maßschuhe zu tragen. Im Gegensatz dazu gaben Frauen signifikant weniger häufig an, spezielles Schuhwerk zu tragen (p=0,008).
Bei der hygienischen Fußpflege führten 78% aller Befragten (n=92) ungeeignete Maßnahmen durch. Der Unterschied zwischen Männern und Frauen war nicht signifikant.
Ungeeignete Gegenstände zur Fußpflege wurden von 22% aller Befragten (n=85) benutzt. Männer gaben häufiger als Frauen an, ungeeignete Gegenstände zur Fußpflege zu benutzen (19,5% vs. 3%). Dieser Unterschied war signifikant (p<0,001).

Analyse der Abläufe und Häufigkeiten ärztlicher Untersuchungen
52% aller Befragten gaben an regelmäßig einmal pro Quartal zum Arzt, aufgrund ihrer Diabeteserkrankung zu gehen. Bei 75% der Befragten (n=92) hatte der Arzt noch nie Schuhe und Strümpfe untersucht. Bei 17% der männlichen Befragten wurde zudem noch nie eine Stimmgabeluntersuchung zur Diagnose einer diabetischen Polyneuropathie durchgeführt (Tabelle 1). Bei Patienten, die häufiger beim Arzt waren, wurde auch häufiger ein Stimmgabeltest durchgeführt (p=0,048) (Tab. 1).

Analyse der Risikofaktoren auf die Entwicklung eines diabetischen Fußsyndroms
Entscheidende Risikofaktoren, die negativ assoziiert waren mit der Entwicklung eines diabetischen Fußsyndroms waren das männliche Geschlecht (OR: 3,14), verursachte Wunden durch unsachgemäße Fußpflege (OR: 3,38) und die fehlende Fußkontrolle durch den Arzt (OR: 4,20).
Mögliche Schutzfaktoren zur Vermeidung eines diabetischen Fußsyndroms stellten die Inanspruchnahme einer professionellen Fußpflege durch einen Podologen (OR: 0,05) und die tägliche Selbstinspektion der Füße (OR: 0,28) dar. Weitere Schutzfaktoren waren folgende Praktiken bei der Fußpflege. Die Verwendung von Bimsstein zur Hornhautpflege (OR: 0,37), die Verwendung von Sandfeilen zur Kürzung der Fußnägel (OR: 0,29) und die Verwendung harnstoffhaltiger Cremes zur Hautpflege am Fuß (OR: 0,15). Auch das Tragen geeigneter Schuhe/Hausschuhe (OR: 0,20) zeigte einen positiven Einfluss auf die Vermeidung diabetischer Fußläsionen (Tab. 2).
Diskussion
Im geplanten Befragungszeitraum wurden 93 Studienpatienten befragt. Die Ergebnisse geben trotz der geringen Patientenzahl eine klare Tendenz und zeigen die Vielseitigkeit der Wahrnehmung und Selbsteinschätzung von Diabetespatienten in Bezug auf das diabetische Fußsyndrom. Die Wahrnehmung von Symptomen und Risikofaktoren und die Schaffung eines Problembewusstseins sind außerordentlich wichtig für die Prävention und den Behandlungserfolg beim diabetischen Fußsyndrom. Diabetespatienten bekommen in spezifischen Patientenschulungen vermittelt das richtige Schuhwerk zu tragen. Die Einsicht dies auch zu tun fällt schwer, da sie durch neuropathische Veränderungen nicht bemerken, dass bisheriges Schuhwerk nicht mehr passt. Die fehlende Sensorik beim neuropathischen Fuß muss somit durch kompetentes Problembewusstsein seitens der Patienten und regelmäßige fachliche Kontrollen und/oder Selbstinspektion ausgeglichen werden.
Aus einigen Untersuchungen geht eindeutig hervor, dass ungeeignetes Schuhwerk mit bis zu 50% der Hauptauslöser für die initiale Läsion bei Diabetespatienten ist (Spraul 1999). Aufgrund der reduzierten Sensitivität bei bestehender Polyneuropathie tragen viele Patienten zu enges Schuhwerk (Uccioli et al. 1995). Auch Schuhe mit Riemen, harten Vorderkappen oder mit Nähten, d. h. Schuhe, die einen lokalen Druck ausüben, sind für den neuropathischen Fuß ungeeignet (Brent et al. 2006; Morbach et al. 2004). Risikopatienten sollten geschlossene Schuhe in ausreichender Größe sowohl im Straßengebrauch als auch im Haus tragen. Bei der durchgeführten Patientenbefragung gaben 48% der Befragten, an offene Schuhe z. B. Sandalen oder Badeschuhe zu tragen. Bei offenen Schuhen ist die Verletzungsgefahr am Fuß sehr groß. Wenn die Verletzung z. B. durch eine vorhandene Polyneuropathie nicht bemerkt wird, kann aus dieser Verletzung ein Ulkus entstehen, welches sich bis zum Gangrän ausweiten kann. Gesundheitsschuhe mit vorgeformtem Fußbett trugen bis zu 15% der Patienten. Diese Art der Fußbettung entspricht meist nicht dem deformierten Patientenfuß. Die Griffwülste passen nicht zur Anatomie des Fußes und können durch Scherkräfte Hautläsionen/Blasenbildung verursachen.
Bei der Fußpflege von Diabetespatienten lassen sich geeignete und ungeeignete Gegenstände/Maßnahmen unterscheiden. Bis zu 28% der Befragten benutzten eine Nagelschere oder einen Nagelknipser und hatten somit ein erhöhtes Risiko für Verletzungen. 40% der Befragten inspizieren ihre Füße nicht täglich und 78% führten ungeeignete Maßnahmen bei der hygienischen Fußpflege durch.
Die professionelle Fußpflege und die Unterstützung bei der Prävention durch einen Podologen sind bei Diabetespatienten zurzeit nur lückenhaft vorhanden. Bei einer weiteren Querschnittsanalyse von 230 Diabetespatienten, die zum ersten Mal in eine podologische Praxis kamen, zeigte sich, dass 58% der Patienten bereits ausgedehnte Nagel- und Fußmykosen hatten und bis zu 89% hatten Fußdeformitäten bei Sensitivitätswerten nach Stimmgabeltest unter 4/8 (Lauterbach et al. 2010).
Bei der vorliegenden Befragung kannten 35% der Patienten mit aktuellen Fußläsionen noch nicht mal den Beruf des Podologen. Von diesen Patienten waren allerdings 37,5% schon mal bei einer nicht spezialisierten, medizinischen Fußpflege. Diabetespatienten sollten eine professionelle Fußpflege nur von speziell geschulten Podologen machen lassen. 45% der befragten Patienten mit aktueller Fußläsion waren noch nie in podologischer Behandlung (p<0,0001).
Frauen gingen signifikant häufiger zum Podologen (p=0,0295). Nur 13% der Frauen waren noch nie beim Podologen.
Inwieweit die untersuchten Kriterien Einfluss auf die Inzidenz des diabetischen Fußsyndroms haben, muss in weiteren Studien untersucht werden. Auch ob eine verbesserte Informationsweitergabe die Compliance der Patienten erhöht, sollte in zukünftigen Studien untersucht werden.
Eindeutig gezeigt werden konnte in dieser Studie das lückenhafte Wissen seitens der Patienten in Bezug auf das diabetische Fußsyndrom. Das Tragen von ungeeigneten Schuhen und das Durchführen von ungeeigneten Maßnahmen bei der Fußpflege durch Unkenntnis und Incompliance seitens der Patienten kommen häufig vor. Somit zeigt diese Studie, dass die Prophylaxe des diabetischen Fußsyndroms defizitär ist. <<