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Insulin glargin: eine kostengünstige Alternative im Vergleich zu NPH-Insulin

Ziel der vorliegenden Analyse ist ein Behandlungskostenvergleich zwischen Insulin-glargin- bzw. NPH-Insulin-basierten Therapien bei Patienten mit Diabetes mellitus. Anhand einer repräsentativen Stichprobe von Krankenkassendaten wurde für insgesamt sechs Kostenträger die zeitgleiche Co-Medikation in den Indikationsgruppen Bolus-insuline, orale Antidiabetika, Teststreifen sowie Lanzetten/Nadeln über drei Kalenderjahre ermittelt. Im Analysezeitraum (2006 – 2008) lagen die aggregierten absoluten jährlichen Behandlungskosten pro Diabetespatient für Insulin glargin-basierte Therapien tendenziell leicht unter den Kosten der jeweiligen NPH-Vergleichsgruppen. Die Analyse der Einzelkosten zeigt, dass die höheren Beschaffungskosten für Insulin glargin durch Einsparungen beim Bolusinsulin- sowie beim Teststreifenverbrauch überkompensiert werden. Die vorliegende Datenbankanalyse bestätigt die Ergebnisse bereits veröffentlichter Versorgungsforschungsstudien, wonach sich aus Sicht der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) unter realen Versorgungsbedingungen eine Kostenneutralität zwischen Insulin glargin- und NPH-Insulin-basierten Behandlungsregimen ergibt.

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Erstveröffentlichungsdatum: 01.12.2009

Abstrakt: Insulin glargin: eine kostengünstige Alternative im Vergleich zu NPH-Insulin

Ziel der vorliegenden Analyse ist ein Behandlungskostenvergleich zwischen Insulin-glargin- bzw. NPH-Insulin-basierten Therapien bei Patienten mit Diabetes mellitus. Anhand einer repräsentativen Stichprobe von Krankenkassendaten wurde für insgesamt sechs Kostenträger die zeitgleiche Co-Medikation in den Indikationsgruppen Bolus-insuline, orale Antidiabetika, Teststreifen sowie Lanzetten/Nadeln über drei Kalenderjahre ermittelt. Im Analysezeitraum (2006 – 2008) lagen die aggregierten absoluten jährlichen Behandlungskosten pro Diabetespatient für Insulin glargin-basierte Therapien tendenziell leicht unter den Kosten der jeweiligen NPH-Vergleichsgruppen. Die Analyse der Einzelkosten zeigt, dass die höheren Beschaffungskosten für Insulin glargin durch Einsparungen beim Bolusinsulin- sowie beim Teststreifenverbrauch überkompensiert werden. Die vorliegende Datenbankanalyse bestätigt die Ergebnisse bereits veröffentlichter Versorgungsforschungsstudien, wonach sich aus Sicht der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) unter realen Versorgungsbedingungen eine Kostenneutralität zwischen Insulin glargin- und NPH-Insulin-basierten Behandlungsregimen ergibt.

Abstract: Insulin glargine is cost effective compared to NPH-insulin in the treatment of insulin-dependent diabetes mellitus

Objective of the present analysis is a cost comparison between insulin glargine and NPH-insulin based treatment regimens in patients with diabetes mellitus. Based on a representative sample of claims data the following co-medication was determined over three years: short acting insulins, oral antihypertensive agents, test strips, lancets and needles. In the observational period (2006 – 2008) the total annual treatment costs per diabetes patient were slightly lower for glargine based treatment regimens compared to NPH-insulin. Higher costs for insulin glargine were counterbalanced by savings with regard to short acting insulins and consumables. The results are in accordance with previously published data from health care research, showing that there is no difference in treatment costs between insulin glargine and NPH-insulin under real life conditions from the payer´s perspective.

Literatur

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Zusätzliches

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Insulin glargin: eine kostengünstige Alternative im Vergleich zu NPH-Insulin

Die Angaben zur Diabetesprävalenz in Deutschland sind uneinheitlich. Neuere Erhebungen gehen davon aus, dass 2006 etwa 8,6 Prozent der deutschen Bevölkerung an Diabetes mellitus vom Typ 1 oder Typ 2 erkrankt waren. Das entspricht ungefähr 7 Mio. Patienten [Hauner 2006:38; Deutscher Gesundheitsbericht 2008: 7]. Einige Schätzungen gehen sogar davon aus, dass eine fast ebenso hohe Dunkelziffer bei den Typ-2-Diabetikern die Fallzahlen verdoppelt [Rathmann et al. 2003:182; Deutscher Gesundheitsbericht 2008:7]. Pro Jahr wächst die Zahl der Betroffenen um 5 Prozent, was einer Inzidenz von ca. 350.000 Neuerkrankungen entspricht [Deutscher Gesundheitsbericht 2008:7]. Die Tendenz ist steigend. 2006 starben an der Zu-ckerkrankheit 22.308 Menschen. Mit 2,7 Prozent aller Todesfälle ist die Stoffwechselerkrankung damit eine häufigere Todesursache als etwa die saisonale Grippe oder die Lungenentzündung [Statistisches Bundesamt 2007].

>> Die Behandlung der Grunderkrankung (Stoffwechseleinstellung) sowie der diabetischen Spätkomplikationen verursachen in Deutschland durchschnittlich Kosten in Höhe von jährlich 2.600 Euro pro Patient. Das summierte sich 2006 auf einen Gesamtbetrag von 18,2 Mrd. Euro – ein Anstieg gegenüber dem Jahr 2000 um 41 Prozent. Damit ist der Diabetes mellitus zur teuersten chronischen Erkrankung in Deutschland geworden [Liebl et al. 2001:585; Köster et al. 2006:1498].
Prospektive epidemiologische Studien belegen einen direkten Zusammenhang zwischen erhöhten Blutzuckerwerten und der Zunahme von Herz-Kreislauf-Erkrankungen [Selvin et al. 2004:421; Stratton et al. 2000:405]. Der Umkehrschluss, dass die medikamentöse Blutzuckersenkung das kardiovaskuläre Risiko mindert, konnte kürzlich durch die Langzeit-Analyse der britischen UKPD-Studie eindrucksvoll bestätigt werden [Holman et al. 2008:1577].
Einer frühzeitigen und optimalen Stoffwechseleinstellung kommt deshalb eine besondere Bedeutung zu. Die aktualisierte evidenzbasierte Behandlungsleitlinie der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) trägt diesem Umstand Rechnung. So wird bereits bei einer Verfehlung des HbA1c-Therapieziels von < 7,5 % unter einer Kombination aus nichtmedikamentösen Maßnahmen und Metformin der unverzügliche Beginn einer Insulintherapie für Patienten mit Typ 2-Diabetes empfohlen [Matthaei et al. 2008].
Für den Einstieg in die Insulintherapie stehen mehrere Behandlungsstrategien zur Verfügung. Eine Strategie sieht die frühe Zugabe des Basalinsulinanalogons Glargin (Lantus®) zu einer bestehenden oralen antidiabetischen Therapie vor; dieser Einstieg in die Insulintherapie hat sich nach Kress et al. als vorteilhaft erwiesen [Kress et al. 2009:377]. Hinsichtlich der Senkung des HbA1c-Wertes kann zumindest von einer therapeutischen Gleichwertigkeit zwischen Insulin glargin und der herkömmlichen Standardtherapie mit humanem NPH-Insulin ausgegangen werden [Riddle et al. 2003:3080; Fritsche et al. 2003:952]. Dennoch unterscheiden sich die beiden Verzögerungsinsuline aufgrund ihrer biologischen Struktur hinsichtlich zusätzlicher patientenrelevanter Eigenschaften. So ist z.B. das Hypoglykämierisiko unter Insulin glargin geringer [Mullins et al. 2007:1607] sowie die Behandlungszufriedenheit und die Lebensqualität verbessert [Hagenmeyer et al. 2009:565].
In drei pharmakoökonomischen Analysen wurden Insulin glargin und NPH-Insulin auch hinsichtlich ihrer Behandlungskosten miteinander verglichen. Dabei konnte gezeigt werden, dass aus Sicht der gesetzlichen Krankenversicherung eine Therapie mit Insulin glargin gegenüber einer Behandlung mit NPH-Insulin kostenneutral oder sogar kostensparend ist [Hauner et al. 2009:1207; Hagenmeyer et al. 2009:63; Schöffski et al. 2008:695]. Ursächlich dafür sind zwei Aspekte. Zum einen werden die Mehrkosten für das Basalinsulinanalogon durch Einsparungen beim Verbrauchsmaterial (Blutzuckerteststreifen, Nadeln und Lanzetten) sowie bei der benötigten Dosis von kurzwirksamem Insulin ausgeglichen bzw. überkompensiert. Zum anderen bleiben die Insulin-glargin-Patienten länger auf dem kostengünstigeren Behandlungsregime der basalunterstützten oralen Therapie (BOT), bevor sie auf die teurere Option der intensivierten konventionellen Insulintherapie (ICT) wechseln müssen [Pfohl et al. 2009:166].
Zielsetzung
Ziel der vorliegenden Analyse ist es, zu untersuchen, inwieweit die Ergebnisse der o. g. Versorgungsstudien anhand einer größeren und repräsentativen Stichprobe von Krankenkassendaten bestätigt werden können.
Datenquellen und Methoden
Die vorliegende Analyse wurde anhand der repräsentativen Datenbank Patienten-Tracking National der INSIGHT Health GmbH & Co. KG durchgeführt. Das Patienten-Tracking National ermöglicht die langfristige Darstellung der ambulanten Medikationshistorie von gesetzlich krankenversicherten Patienten. Grundlage hierfür sind die Informationen von rund zehn Millionen GKV-Patienten mit mehr als 300 Millionen GKV-Verordnungen, die seit dem Jahr 2003 zur Verfügung stehen. Die Patienten können nach Alter, Geschlecht und Kostenträger differenziert werden. In der Datenbasis werden monatlich mittels pseudonymisierten Patienten-IDs rund zehn Prozent des deutschen GKV-Marktes (70,0 Mio. Patienten) über alle Bundesländer repräsentativ abgebildet. In der vorliegenden Studie wurden über drei Kalenderjahre (2006-2008) diejenigen Patienten ermittelt, die in zwei aufeinander folgenden Quartalen mindestens eine Insulin-glargin-Verordnung bzw. eine NPH-Verordnung erhielten. Auf Basis dieser Patientenselektion wurden für insgesamt sechs Kostenträger(gruppen) die zeitgleichen Co-Verordnungen in den Indikationsgruppen Bolusinsuline, orale Antidiabetika, Teststreifen sowie Lanzetten und Nadeln ermittelt. Diese Indikationsgruppen haben sich in anderen Analysen [Hauner et al. 2009:1207; Hagenmeyer et al. 2009:63; Schöffski et al. 2008:695] als Haupteinflussfaktoren der diabetesspezifischen direkten Kosten herausgestellt. Die Zuordnung der Indikationsgruppen erfolgte gemäß der ATC-Klassifikation nach EphMRA [Haas et al. 2008:193], wobei die European Pharmaceutical Market Research Organisation (EphMRA) folgende ATC-Gruppen berücksichtigt: A10C1: Bolusinsulin (Humaninsulin und Analoga, sofort wirksam); A10C2: Basalinsulin (Humaninsulin und Analoga, intermediär- bzw. langwirksam); A10H (Sulfonylharnstoff-Antidiabetika); A10J (Biguanid-Antidiabetika), A10K (Glitazon-Antidiabetika), A10L (Alphaglucosidase-Inhibitoren-Antidiabetika), A10M (Glinid-Antidiabetika), A10N (DPP-IV-Hemmer-Antidiabetika), A10S (GLP-1 Agonist-Antidiabetika); T02D2: Teststreifen (Diabetes-Bluttests); Lanzetten und Nadeln (nach PZN-Vorgaben).
Die mengenbezogenen Verordnungsinformationen wurden mit den jeweiligen Apothekenverkaufspreisen gemäß der Lauer-Taxe (ohne Berücksichtigung von Rabatten) multipliziert. Das Ergebnis stellt die durchschnittlichen jährlichen Behandlungskosten pro Diabetespatient dar.
Ergebnisse
Die aggregierten absoluten jährlichen Gesamtkosten pro Diabetespatient betragen in der vorliegenden Analyse für Insulin-glargin-basierte Behandlungsregime 1.262 Euro (2006), 1.295 Euro (2007) und 1.338 Euro (2008) über alle Kostenträger. Die korrespondierenden jährlichen Gesamtkosten pro Diabetespatient für NPH-Insulin-basierte Therapieregime betragen 1.283 Euro (2006), 1.330 Euro (2007) und 1.379 Euro [2008]. Für die betrachteten Kalenderjahre (2006 – 2008) liegen die direkten Behandlungskosten für Insulin-glargin-basierte Therapien tendenziell leicht unter den Kosten der jeweiligen NPH-Vergleichsgruppen (Abb. 1).
Die Differenzen der durchschnittlichen jährlichen Gesamtkosten über alle hier betrachteten Kostenträger, die für knapp 90 % der GKV-Versicherten stehen, zeigen über die Analysedauer von drei Jahren eine leichte, aber kontinuierliche Zunahme des Einspareffekts zugunsten der Insulin-glargin-basierten Behandlungsregime. Dieser Behandlungskostenvorteil findet sich durchgängig über alle drei Jahre für die Diabetespatienten der Allgemeinen Ortskrankenkassen (AOK), der Betriebskrankenkassen (BKK), der Innungskrankenkassen (IKK), der Barmer Ersatzkasse (BEK) sowie der Deutschen Angestellten Krankenkasse (DAK).
Die Diabetespatienten der Techniker Krankenkasse (TK) zeigen ein leicht abweichendes Verhalten vom generellen Trend (Tab. 1). Es fallen die überdurchschnittlich hohen Behandlungskosten pro Patient bei der TK auf. Eine Ursache hierfür kann zum einen in der spezifischen Versichertenstruktur dieser Ersatzkasse liegen. So weisen Versicherte der TK traditionell ein überdurchschnittlich hohes Bildungs- und Einkommensniveau im Vergleich zu anderen gesetzlichen Krankenkassen auf. Zum anderen machte ein günstiges Verhältnis von Einnahmen zu Morbidität innerhalb der TK in der Vergangenheit weniger kostensenkende Maßnahmen im Arzneimittelbereich erforderlich als bei anderen Krankenkassen [Deutsches Ärzteblatt 2009].
Aus der Perspektive der meisten Krankenkassen kann also zumindest von einer Kostenneutralität zwischen Insulin-glargin- und NPH-Insulin-basierten Behandlungsregimen unter realen Versorgungsbedingungen ausgegangen werden.
Die Analyse der Einzelkosten zeigt, dass die höheren Beschaffungskosten für das Insulin glargin durch Einsparungen beim Bolusinsulin sowie beim Teststreifenverbrauch überkompensiert werden (Abb. 2).
Da die AOK bundesweit mit 23,8 Mio. Versicherten mehr als ein Drittel (34 Prozent) der 70,0 Mio. gesetzlich Krankenversicherten ausmacht [Bundesgesundheitsministerium 2009], werden im Folgenden beispielhaft lediglich die Ergebnisse dieser großen Versorgerkasse dargestellt (Abb. 2).
Diskussion
In jüngster Zeit wurden drei vergleichende Kostenanalysen zwischen Insulin glargin und NPH-Insulin bei insulinpflichtigen Typ 2-Diabetikern unter realen Versorgungsbedingungen in Deutschland veröffentlicht [Hauner et al. 2009; Hagenmeyer et al. 2009; Schöffski et al. 2008]. Alle drei Untersuchungen konnten übereinstimmend zeigen, dass aus Sicht der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) eine Therapie mit dem Basalinsulinanalogon Glargin im Vergleich zu einer Behandlung mit dem herkömmlichen humanen NPH-Insulin mindestens kostenneutral ist.
Die pharmakoökonomische Evaluation erfolgte in allen Untersuchungen nach dem Kosten-Minimierungs-Ansatz auf der Preisbasis des jeweiligen Erhebungsjahres. Die Apothekenverkaufspreise aller verordneten Arzneimittel und Verbrauchsmaterialien wurden der deutschen Spezialitätenliste (Lauer-Taxe) entnommen. Die jährlichen direkten diabetesspezifischen Behandlungskosten pro Patient waren trotz unterschiedlicher Erhebungsmethoden und Datenquellen plausibel, in sich konsistent und lagen für Insulin glargin bei 989 - 1.316 Euro und für NPH-Insulin bei 1.044 – 1.371 Euro (Abb. 3).
Die absoluten jährlichen Gesamtkosten betragen in der vorliegenden Analyse für Insulin glargin 1.262 – 1.338 Euro (über alle Kostenträger) und für NPH 1.283 – 1.379 Euro. Sie sind damit in ihrer absoluten Höhe mit den Kosten aus den Versorgungsforschungsstudien vergleichbar und unterstützen deren Ergebnisse in eindrucksvoller Weise. Der Umstand, dass der gesetzliche Herstellerrabatt für das Basalinsulinanalogon nicht berücksichtigt wurde, stellt einen konservativen Ansatz zu Ungunsten von Insulin glargin dar.
Für die Einsparungen unter Insulin glargin im Vergleich zu NPH-Insulin bei der Behandlung von Diabetikern aus Sicht der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) gibt es im Wesentlichen zwei Erklärungen. Zum einen werden die Mehrkosten für das Basalinsulinanalogon durch Einsparungen beim Verbrauchsmaterial (Blutzuckerteststreifen, Lanzetten, Injektionsnadeln) sowie beim Bolusinsulin ausgeglichen. Zum anderen verbleiben die Patienten mit Diabetes mellitus vom Typ 2 länger auf der kostengünstigeren basalunterstützten oralen Therapie (BOT) im Vergleich zu einer entsprechenden Kombinationstherapie aus NPH-Insulin und oralen Antidiabetika. Sie werden aus diesem Grund erheblich später auf die deutlich teurere Basis-Bolus-Therapie (intensivierte konventionelle Insulintherapie; ICT) umgestellt [Pfohl et al. 2009:166].
Bei der hier vorliegenden Untersuchung handelt es sich um einen klassischen Ansatz der Versorgungsforschung. Im Vordergrund der datenbankbasierten Analyse steht die hohe externe Validität, d. h. die uneingeschränkte Übertragbarkeit auf die Versorgungsrealität. Eine randomisierte Zuteilung der Patienten auf die Behandlungsgruppen ist bei dieser Vorgehensweise nicht möglich. Strukturelle Unterschiede zwischen den Behandlungsgruppen sowie deren möglicher Einfluss auf die Kosten können deshalb nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden. So fehlen z.B. aufgrund des spezifischen Datenkörpers (Patienten-Tracking National, INSIGHT Health GmbH & Co. KG) patienten- bzw. therapierelevante Angaben (HbA1c-Werte, BMI, Begleiterkrankungen, Diabetestyp und ‑dauer etc.). Mögliche Unterschiede zwischen den Behandlungsgruppen hinsichtlich der Art der Insulintherapie (Kombination aus oralen Antidiabetika und Basalinsulin oder aus kurzwirksamem und langwirksamem Insulin) mussten ebenfalls unberücksichtigt bleiben. Die begrenzte Reichweite der verwendeten Datenbank gewinnt ihre Bedeutung jedoch in der Zusammenschau mit den bereits vorliegenden Ergebnissen aus der Versorgungsforschung. Die gemeinsame Betrachtung der vier Untersuchungen zeigt trotz deutlicher Unterschiede hinsichtlich der verwendeten Studiendesigns einen hohen Grad an Übereinstimmung hinsichtlich des Ergebnisses (hier: Kostenvorteile bzw. ‑äquivalenz zugunsten von Insulin glargin gegenüber NPH-Insulin). Dies spricht nach den Kausalitätskriterien von Hill [Hill 1965: 295], und hier insbesondere der Konsistenz, für das Vorliegen einer stark belastbaren und verallgemeinerbaren Schlussfolgerung.
Datenbankanalysen liefern somit trotz einiger methodischer Einschränkungen wichtige Erkenntnisse zum Verständnis des realen Versorgungsgeschehens und stellen für Entscheidungsträger deshalb eine wertvolle Ergänzung von randomisierten kontrollierten Studien dar [Swart et al. 2008:54; Motheral et al. 2003:90].
Schlussfolgerung
Die bisher vorherrschende Praxis der Gesundheitspolitik, bei der Bewertung von Arzneimitteltherapien nur auf den Preis des Arzneimittels selbst zu fokussieren, ist nach wirtschaftlichen Kriterien inkonsistent. Für einen ökonomisch sinnvollen Vergleich sind notwendigerweise die Gesamtkosten der Behandlung zu betrachten. Hierzu schreibt selbst das IQWiG im aktuellen technischen Anhang des Kosten-Nutzen-Methodenpapiers: „Die steigenden Kosten bei neuen Technologien können eventuell durch Einsparungen bei anderen Gesundheitsleistungen überkompensiert werden. Kosten-Offsets werden realisiert, wenn z.B. ein neues Medikament gegenüber einem bestehenden Medikament zu Kosteneinsparungen bei anderen Gesundheitsleistungen führt” [IQWiG 2008].
Diese Einschätzung trifft für den Behandlungskostenvergleich zwischen Insulin glargin und NPH-Insulin mustergültig zu, indem die höheren Arzneimittelkosten des Basalinsulins durch Einsparungen im Bereich der Begleitmedikation sowie der Verbrauchsmaterialien aus Sicht der gesetzlichen Krankenversicherung vollständig ausgeglichen und teilweise sogar überkompensiert werden. <<